Frage an Volkan Baran von Désirée S. bezüglich Humanitäre Hilfe
Was tun Sie, die SPD in Dortmund um den Menschen in Moria humanitäre Hilfe zu leisten und dies auf Bundesebene einzufordern?
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Anfrage per Abgeordnetenwatch, Sie sind jederzeit herzlich eingeladen mich per E-Mail zu kontaktieren, das ist in Regel einfacher und geht schneller, wobei ich natürlich den Mehrwert sehe, dass die Antwort allen interessierten Bürger*innen zur Verfügung steht.
Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, muss ich eine Anmerkung einschieben:
Da Sie mich über diese Plattform angeschrieben haben, kann ich Ihnen eine Frage zur SPD Dortmund hier nicht beantworten, weil ich hier nur als Mandatsträger antworten darf.
Das liegt daran, dass es in Deutschland die Trennung/Unvereinbarkeit von Partei (SPD Dortmund) und Mandat (Landtagsabgeordneter und damit Repräsentant aller Bürger*innen meines Wahlkreises) gibt.
Ich verstehe aber sehr gut, warum Sie diese Frage umtreibt und möchte Ihnen gerne antworten, deshalb erläutere ich Ihnen stattdessen, was ich bzw. wir als SPD-Landtagsfraktion bisher im Landtag NRW getan haben.
Sollten Sie anschließend noch Ihre ursprüngliche Frage beantwortet bekommen, so stellen Sie die Frage noch einmal per E-Mail dem SPD Unterbezirk Dortmund unter zentrale.ubdortmund@spd.de, dort bekommen Sie eine Antwort.
Und Sie können sich zusätzlich an die Dortmunder SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Poschmann wenden.
Um eines vorweg zu schicken:
Die Situation der Geflüchteten aus dem kürzlich abgebrannten Lager Moria auf Lesbos treibt mich, wie viele Dortmunder*innen um, und ich setze mich dafür ein, dass wir als Deutschland Verantwortung übernehmen und nicht auf eine europäische Lösung warten, die derzeit nicht erwartbar ist. Seit einigen Monaten und seit letzter Woche vermehrt, erreichen mich E-Mails von Bürger*innen meines Wahlkreises.
Dabei wissen wir alle, die Zustände in den Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln waren und sind auch heute nach wie vor katastrophal, untragbar und haben durch Corona einen weiteren Dringlichkeitsfaktor dazugewonnen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich würde mir wünschen, dass die Europäische Gemeinschaft insgesamt Griechenland bei dieser schweren humanitären Lage unterstützt. Neben Deutschland haben sich bereits weitere europäische Staaten wie Frankreich, Portugal und Finnland für eine Zusammenarbeit bereiterklärt mit denen man eine Lösung erarbeiten könnte.
Grundsätzlich liegt die Entscheidung über die Aufnahme von Geflüchteten beim Bundesministerium des Inneren. Nach §23 Abs. 1 Ausländergesetz ist eine Aufnahme unter bestimmten Umständen durch die Bundesländer möglich. Bisher hat die CDU/FDP-geführte Landesregierung in NRW keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht. Auch im Zuge des Besuchs des Ministerpräsidenten, Armin Laschet, Anfang August 2020 in Moria sind keine Vorschläge für die Lösung der andauernden Krise in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln unterbreitet worden.
Als SPD-Fraktion im Landtag NRW haben wir bereits im März diesen Jahres einen Antrag eingebracht, in dem wir folgende Maßnahmen fordern. (Denn bereits vor dem Brand, war die Situation, in der die Menschen in den Lager leben mussten, nicht tragbar und eine Schande für die Europäische Union.)
- Den Beschluss des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020 zu unterstützen, indem die Übernahme von zunächst 1000 bis 1500 Kindern, die entweder wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind, im Rahmen einer „Koalition der Willigen“ organisiert wird. Für diese Gruppe müssen wir Sorge tragen, dass sie zudem auch im Rahmen der Familienzusammenführung nach den Regelungen der Dublin III-Verordnung schnell und unbürokratisch zu ihren Angehörigen in Deutschland reisen können.
- Die anteilige Übernahme dieser Kinder in enger Absprache mit den NRW-Kommunen, die sich bereit erklärt haben, besonders schutzbedürftige Gruppen von den griechischen Inseln aufzunehmen, in die Wege zu leiten.
- Auf Bundesebene Sofortmaßnahmen zu unterstützen, die die Zivilbevölkerung in und um Idlib mit humanitärer Hilfe versorgt. Dazu müssen die vereinbarte Waffenruhe und die Einrichtung eines Sicherheitskorridors genutzt werden.
- Auf Bundesebene eine europäische Lösung zu unterstützen, die die Situation auf den griechischen Inseln langfristig und nachhaltig stabilisiert. Ein Weg könnte sein, dem UNHCR die operative Verantwortung zur Leitung der Flüchtlingszentren zu übertragen. Für eine grundsätzliche Lösung bedarf es einer Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik und des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Das Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates muss überarbeitet werden.
- Auf Bundesebene die Entwicklung eines Pilotmodells für ein gemeinsam betriebenes europäisches Asylzentrum auf den griechischen Inseln zu unterstützen, das für die Registrierung und Verteilung der Flüchtlinge zuständig ist. Es bedarf einer gerechten und solidarischen Verteilung geflüchteter Menschen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Nur so kann dauerhaft eine Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen und somit auch insbesondere Griechenlands gewährleitstet werden.
In Deutschland und auch in NRW haben sich bereits eine beachtliche Anzahl von Städten und Kommunen für die Aufnahme minderjähriger Geflüchteter ausgesprochen. Insbesondere hervorzuheben sind hier auch die SPD-geführten Bundesländer und Kommunen. Diese unterstützen wir ausdrücklich in ihrem Engagement und fordern ihre Einbindung in anschließende Aufnahmeprozesse.
Sie haben sich an mich gewandt, weil ich Ihr Wahlkreisabgeordneter bin, dann wissen Sie vermutlich auch, dass Dortmund, wie auch viele weitere Städten und Gemeinden ein „Sicherer Hafen“ ist und sich damit bereit erklärt hat, aus Seenot gerettete Menschen auszunehmen.
Bisher wird das vom Bundesinnenminister Horst Seehofer blockiert.
Er tut das mit der zynischen Begründung, dass eine Aufnahme durch Deutschland einen „Pull-Faktor“ für Menschen auf der Flucht bedeuten würde.
Was er dabei nicht sagt, ist was das im Umkehrschluss für die Menschen in Not heißt, nämlich weiteres Leben in unzumutbaren, menschenunwürdigen Zuständen oder im schlimmsten Fall den Tod.
Deutschland und mit ihm Europa muss jetzt handeln, denn sonst machen sie sich, die eigenen Werte und Versprechen unglaubwürdig.
Nicht zuletzt bin ich der Meinung, dass die deutsche Ratspräsidentschaft ein Ansporn sein muss, die Bemühungen der EU-Kommission hin zu einer solidarischen und gerechten europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik voranzutreiben.
Auch die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW steht in der Pflicht zu handeln und ihr politisches Handeln nicht allein darin zu erschöpfen auf den Bund zu verweisen.
Unsere Kommunen und Gemeinden, die bereits sichere Häfen sind, werden seit langem daran gehindert selbstbestimmt Verantwortung zu übernehmen, das muss sich ändern.
Am 16.09.20 haben wir als SPD-Landtagsfraktion im Plenum einen Eilantrag (http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-10956.pdf) gestellt, der von CDU und FDP mehrheitlich abgelehnt wurde.
Darin forderten wir die Landesregierung auf:
1. auf Bundesebene Sofortmaßnahmen zu unterstützen, die die Geflüchteten und die griechische Regierung unmittelbar mit humanitärer und technischer Hilfe versorgt sowie die Versorgung der Corona-Fälle beinhaltet.
2. sich für eine unmittelbare Evakuierung von Moria einzusetzen. Unter den Geflüchteten befinden sich vulnerable Gruppen, unbegleitete Minderjährige Kinder, Familien mit Kindern und ältere Menschen, die besonders gefährdet sind. Die chaotische und unkoordinierte Lage vor Ort muss umgehend durch ein gesteuertes Krisenmanagement abgelöst werden.
3. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung ein sofortiges Bundesaufnahmeprogramm auf den Weg bringt, so dass die Länder, Städte und Gemeinden, die bereits ihre Aufnahmebereitschaft signalisiert haben, zeitnah Geflüchtete aufnehmen können.
4. ein Landesaufnahmeprogramm zu entwickeln, indem die Städte und Gemeinden in NRW, die sich unter der Initiative „Sichere Häfen“ für eine Aufnahme von Geflüchteten aus den griechischen Inseln bereit erklärt haben, in den bevorstehenden Aufnahmeprozess eingebunden werden.
5. wenn eine schnelle bundesweite Lösung nicht möglich ist, sich dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung den Ländern und Kommunen den Weg zu einer Aufnahme von Geflüchteten aus den griechischen Inseln frei gibt.
6. so schnell wie möglich eine Bundesratsinitiative einzubringen, um eine gemeinsame bundesweite Linie zu erzielen und den Bundesinnenminister zum Handeln zu bewegen.
Unser Fraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty erklärte in der vergangenen Woche:
„Wir müssen denjenigen, die in diesen Stunden um ihre Existenz kämpfen, in Europa und auch bei uns in NRW eine Perspektive geben. Die zügige Entwicklung eines landesweiten Plans hierfür ist gemeinsame Aufgabe der demokratischen Kräfte im NRW-Landtag. Deshalb bieten wir der Landesregierung bei der gemeinsamen Entwicklung eines solchen Plans ausdrücklich unsere Unterstützung an.“
Damit hat er mir aus der Seele gesprochen, denn auch mich erschüttert, wie wenig bisher unternommen wird und wurde, auch wenn ich die Aufnahme der 150 Kinder und Jugendlichen, deren Aufnahme Deutschland bereits in der letzten Woche zugesagt hat sowie der weiteren 1.553 geflüchtete Menschen von den griechischen Inseln begrüße.
Mir fällt es schwer meine Kolleg*innen von CDU/CSU und FDP zu verstehen, die es weiterhin vorziehen Abwarten zu Ihrem politischen Credo zu erheben. Das alles hilft den Menschen vor Ort auf #Lesbos nicht und dass obwohl Hilfe und Evakuierung dringend nötig sind.
Ich es macht mich fassungslos, wie gemütlich es sich einige Politiker*innen der Unionsparteien und FDP in ihrem selbstgewählten Nichtverhalten in der Krise eingerichtet haben, denn nichts anderes ist es darauf zu warten, dass eine europäische Lösung gefunden wird, wo doch seit Jahr und Tag keine in Sicht ist. Wir müssen jetzt handeln, hätten längst handeln müssen.
Ich/Wir setzen weiter auf Ihr persönliches Engagement und Ihren Einsatz für Humanität. Richten Sie bitte auch Ihre Fragen an die Abgeordneten der CDU und FDP, die hier im Landtag alle Vorstöße von uns und der Grünen Fraktion ablehnen.
Mit freundlichen Grüßen
Volkan Baran