Frage an Veronika Bellmann von Frank H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Bellmann,
es verschwindet ein Wenig hinter den aktuellen Flüchtlingsthemen, die Freihandelsabkommen (Ceta, TTIP, Tisa). Es gibt ein neues Urteil im Zusammenhang mit Schiedsgerichten.
https://amerika21.de/2015/11/136361/oxy-urteil-gegen-ecuador
Wie werten Sie dieses Urteil ?
Wie beeinflusst dieses Urteil ihr Engagement bzgl. der oben aufgeführten und angestrebten Freihandelsabkommen ?
Mit freundlichen Grüßen
Frank Hübner
Sehr geehrter Herr Hübner,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 19.11.2015, in der Sie unter dem Eindruck des jüngst ergangenen Urteils des Schiedsgerichtes der Weltbank im Verfahren Occidental Petroleum (Oxy) gegen Ecuador wegen Verstoßes gegen das bilaterale Investitionsabkommen mit den Vereinigten Staaten um meine persönliche Einschätzung zur Einbettung von Regelungen zu Schiedsgerichten in TTIP bitten.
Mit einer Wertung von Urteilen der internationalen Gerichtsbarkeit halte ich mich aus sachlichen und rechtlichen Erwägungen heraus grundsätzlich zurück. Hierfür bitte ich um Ihr Verständnis. Zudem arbeitet das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) auf einer anders gearteten Rechtsgrundlage als es ein in TTIP eingebettetes Schiedsgericht tun würde und meiner Meinung nach tun muss. Daher beeinflusst das Urteil zu diesem komplexen Fall meine Einstellung zur Notwendigkeit der Einrichtung eines Investor-Staats-Streitbeilegungsverfahrens (ISDS) im Rahmen von TTIP ebenso wenig wie zu dessen inhaltlicher Ausgestaltung und den Prämissen seiner Tätigkeit.
Meine Antwort möchte ich Ihnen im Folgenden gern begründen, wobei ich davon ausgehe, dass Sie sich mit den Verhandlungen zu TTIP bereits ausführlich befasst haben und sich mit den aufeinanderprallenden Ansichten zu Sinn und Zweck auseinandergesetzt haben.
Im Rahmen von CETA wurde das bestehende System des Investitionsschutzes schon modernisiert und reformiert. Ziel ist es, die Verpflichtung zur fairen und gerechten Behandlung von ausländischen Investoren zu konkretisieren. Unter CETA werden künftig durch eine strengere Definition des Begriffs des Investors Klagen von Briefkastenfirmen verhindert. So müssen Unternehmen, um als Investoren zu gelten, eine substantielle Geschäftstätigkeit in einem der Vertragsstaaten ausüben oder unter der Kontrolle von natürlichen Personen aus einem der Vertragsstaaten stehen. Ferner sieht der Vertragstext (CETA Art. 10.X.33) für die Durchführung von Schiedsverfahren die Anwendung der UNCITRAL Transparenzregeln (United Nations Commission on International Trade Law) vor: Grundsätzlich werden sowohl alle maßgeblichen Dokumente veröffentlicht als auch die Anhörungen öffentlich durchgeführt, es sei denn, dass zum Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen etwas anderes erforderlich ist.
Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission für TTIP im Bereich Schiedsgerichtsbarkeit baut auf diesen Fortschritten auf. Mit der Festschreibung des right to regulate im Vertragstext, der Errichtung einer Berufungsinstanz und strengen Vorschriften zur Vermeidung von Befangenheit hat die EU-Kommission eine konstruktive Antwort auf die zum Investorenschutz vorgebrachten Bedenken gefunden. Auch von der EVP-Fraktion im EP wurde der Vorschlag entsprechend positiv aufgenommen.
Ich setzte mich gemeinsam mit meinen Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die klarere Regelung und die Modernisierung des Investorenschutzes und der Investor-Staats-Streitbeilegungsverfahren auf der Basis des reformierten Ansatzes von CETA ein.
Dabei muss es unserer Meinung nach insbesondere Zielstellung sein, die Transparenz unter Abwägung der Interessen der streitenden Parteien zu erhöhen, Rechtsmittel zu schaffen, die Richterwahl gesetzlich zu regeln sowie durch Schaffung einer Prozesskostenfinanzierung KMU den Zugang zu diesen Instrumenten zu erleichtern.
Unsere klare Position ist es, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Nicht diskriminierende Vorschriften zum Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz können kein Klagerecht von Unternehmen begründen. Wir sind davon überzeugt, dass dies auch möglich ist.
Ganz zurecht hatte die EU-Kommission deshalb im Frühjahr 2014 öffentliche Konsultationen gerade zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP eingeleitet, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Die Ergebnisse dieser Konsultationen sind dann auch in den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission für TTIP eingeflossen.
Mit freundlichen Grüßen
Veronika Bellmann MdB