Frage an Uwe Schünemann von Mar B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Schünemann,
in der Zeitung habe ich gelesen, dass Sie härtere Strafen für Gewalt gegen Polizisten fordern. Der Ansatz ist sicherlich nicht verkehrt.
Ich wundere mich nämlich schon seit einiger Zeit, dass der Staat nichts macht, wenn Polizisten oder sogar Rettungskräfte Tag für Tag angepöbelt oder sogar geschlagen werden. Halten Sie es für realistisch, dass es tatsächlich einen eigenen Straftatbestand geben wird? Und wie sollte der aussehen?
Sehr geehrter Herr Brock,
für Ihre Frage danke ich Ihnen! In der Tat bereitet mir das seit einigen Jahren zu beobachtende Problem der Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte große Sorgen. Das, was mir viele Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aber auch Feuerwehrleute und sogar Rettungssanitäter aus eigener Erfahrung hierzu berichten, zeugt davon, dass der tägliche Dienst häufig mit Gefahren für Leib und Leben der Einsatzkräfte verbunden ist.
Was die Polizei angeht, so belegen die Erkenntnisse aus den aktuellen Lagebildern auf Bundesebene ein erhebliches Bedrohungspotenzial für unsere Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte in der Ausübung ihres Dienstes. Insgesamt wurden im Jahr 2011 27.850 Fälle von Gewalt- bzw. Straftaten gegen Polizisten registriert, davon 61,7 % Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte, 22,2 % vorsätzliche Körperverletzungen und 6 % gefährliche Körperverletzungen. Fast 80 % der Übergriffe ereignen sich in der Ausübung des täglichen Dienstes. Bei den 27.850 registrierten Ermittlungsverfahren sind 52.556 Polizisten Opfer von Gewaltdelikten geworden. 48 waren von versuchtem Totschlag, 19 von versuchtem Mord betroffen. Dabei ist völlig klar: Jede einzelne Polizistin und jeder einzelne Polizist, der in Ausübung seines Dienstes verletzt wird, ist eine bzw. einer zuviel.
Am 30. Dezember 2012 habe ich hierzu gegenüber der Presse erklärt: „Die Vielzahl der gewalttätigen Übergriffe auf unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist unerträglich. Die Polizei steht für den Erhalt von Freiheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten sind Angriffe auf das Herz unseres demokratischen Gemeinwesens. Dieser Verrohung ist mit einer Null-Toleranz-Strategie zu begegnen! Das Ausmaß an Aggression spiegelt eine zunehmende Respektlosigkeit gegenüber staatlichen Amtsträgern wider. Wir müssen dieser gefährlichen Negativentwicklung mit Nachdruck entgegenwirken. Deshalb ist ein eigener Strafrechtsparagraf zu schaffen, der im Falle eines Angriffs auf Einsatzkräfte der Polizei, der Feuerwehr oder des Rettungsdienstes eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht. Die Ausweitung auf Feuerwehr und Rettungsdienste ist zwingend. Auch hier kommt es immer wieder zu Übergriffen und zur Behinderung lebensrettender Maßnahmen. Die aktuellen Vorfälle mit teilweise schwerwiegenden Verletzungen von staatlichen Amtsträgern machen deutlich: Offensichtlich reicht die im Jahr 2011 erfolgte Strafverschärfung über den § 113 StGB nicht aus. Wir müssen den Abschreckungseffekt im Strafrecht erhöhen. Ich sehe hier zwingenden Handlungsbedarf, eine eigene Strafrechtsnorm zum Schutz der Amtsträger von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten zu schaffen. Auch die aktuellen bedenklichen Entwicklungen in anderen Bundesländern wie Hamburg bestärken mich darin, eine eigenständige Strafrechtsnorm mit einer Erhöhung des Strafrahmens zu schaffen.“
Fakt ist: Die Spirale der Gewalt gegen unsere Ordnungshüter dreht sich ungehindert weiter. Wir haben es mit einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung zu tun, die die Politik vor besondere Herausforderungen stellt und der wir entschieden entgegentreten müssen. Erforderlich ist ein strafrechtlicher Sanktionsrahmen, der den Besonderheiten der veränderten Einsatzrealität in adäquater Weise Rechnung trägt. Nötig ist ein eigener Straftatbestand. Wer einen Amtsträger oder einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten während der Ausübung seines Dienstes tätlich angreift, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden können. In besonders schweren Fällen, also z.B. dann, wenn der Täter oder ein Beteiligter eine Waffe bei sich trägt, um diese bei der Tat zu verwenden, plädiere ich für eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Uwe Schünemann