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Uwe Schünemann
CDU
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Frage von Beate U. •

Frage an Uwe Schünemann von Beate U. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Schünemann,

im Dezember 2011 haben wir vom Unterstützerkreis der Familie Salame/Siala Sie schon einmal um Ihre Unterstützung gebeten. Jetzt bitten wir Sie erneut um Hilfe.

Leider weigern sich das Innenministerium und die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim bis heute, der im Jahr 2005 abgeschobenen Gazale Salame und ihren beiden Kindern Schams (8) und Gazi (6) endlich die Rückkehr zu ihrer Familie (Vater Ahmed Siala mit Amina (15) und Nura (13)) in den Landkreis Hildesheim zu ermöglichen. Die Behörden missachten damit in unseren Augen sowohl die UN-Kinderrechtskonvention als auch die Europäische Menschenrechtskonvention.

Die Abschiebung der Gazale Salame nach 17 Jahren Aufenthalt mit einem Teil der gemeinsamen Kinder stellte eine offenkundige Menschenrechtsverletzung dar. Nach sieben Jahren ist es mehr als höchste Zeit, die gegen Gazale und ihre Kinder praktizierte Politik der Verbannung endlich zu beenden, unter der vor allem Gazale extrem leidet. Der Fall der sechsköpfigen Familie ist mittlerweile zu einem bundesweiten Symbol für eine kinder- und menschenrechtsverletzende Flüchtlingspolitik in Niedersachsen geworden. (siehe Berichte unter www.nds-fluerat.org / Infomaterial / Gazale Salame / zurückliegende Aktivitäten.

Etliche Prominente, unter ihnen Rita Süßmuth und Heiner Geißler, Prof. Dr. Klaus J. Bade, Prof. Dr. Lothar Krappmann, Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Tom Koenigs und andere, haben sich ebenso wie unzählige Unterstützer/innen an den Ministerpräsidenten McAllister gewandt und ihn um eine Lösung gebeten. Leider blieben alle bisherigen Bemühungen ohne den gewünschten Erfolg.

Um dem Rest der Bundesrepublik zu zeigen, dass Niedersachsen nicht „gebrandmarkt als bedeutendes Negativbeispiel der deutschen Immigrationsdebatte“ (HAZ vom 04.04.2012) ist, sondern im Sinne der Verpflichtungen der Europäischen Menschenrechtskonvention handelt, bitten wir Sie hiermit, persönlich Stellung zu beziehen:

Freundliche Grüße
Beate Uhlmann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Uhlmann,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zur aufenthaltsrechtlichen Situation der Familie Önder/Siala.
Ihr Engagement für Frau Önder und Herrn Siala sowie deren gemeinsame Kinder respektiere ich. Es entspricht dem humanistischen Leitbild unserer freiheitlichen Demokratie und dem christlichen Menschenbild, sich für andere Menschen einzusetzen.
Allerdings gilt auch im Fall Gazali Önder / Ahmed Siala, wie in allen Angelegenheiten des (Rechts-) Lebens, die schon in der Antike bekannte Gerichtsmaxime: Audiatur et altera pars - auch die andere Seite werde gehört! Die andere Seite, das sind in diesem Fall nicht zuletzt das von Ihnen erwähnte Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport und der Landkreis Hildesheim.
Um eines ganz klar zu sagen: Weder das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport noch der zuständige Landkreis Hildesheim verstoßen, anders als von Ihnen behauptet, gegen die UN-Kinderrechtskonvention oder gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Nach dem Rechtsstaatsprinzip bzw. dem Prinzip vom Vorrang des Gesetzes hat jede staatliche Gewalt die Gesetze zu wahren und zu beachten. Der Vorrang des Gesetzes sichert die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit jeden staatlichen Handelns. Er bedeutet die Abkehr von Willkür und Gewaltherrschaft, die im Westen Deutschlands bis 1945, im Osten sogar bis 1989 traurige Realität waren.
Ganz konkret bedeutet dies: Die zuständigen Ausländerbehörden treffen auf der Basis des geltenden Rechts ihre Entscheidung, diese Entscheidung kann gerichtlich überprüft werden. Im Übrigen steht der Weg über die 2006 eingerichtete, unabhängige Härtefallkommission bzw. im Rahmen eines Petitionsverfahrens offen. Die Abschiebung steht am Ende einer Kette und ist insoweit letztes Mittel. Dabei steht der Abschiebungsvollzug gerade nicht im Ermessen der Behörden oder des Innenministers. Es handelt sich um eine zwingende bundesgesetzliche Verpflichtung.
Es steht mir nicht an, hier die Sicht des Landkreises Hildesheim wiederzugegeben. Hierzu erlaube ich mir den Verweis auf die informative Pressemitteilung des Landkreises vom 21. Oktober 2011 (LKHi 11-2-016), die Sie auf der Internetpräsenz des Landkreises unter http://www.landkreishildesheim.de/index.php?object=tx%7C1905.2&ModID=7&FID=1 905.376.1 einsehen können. Hier findet sich auch eine ausführliche Schilderung des aufenthaltsrechtlichen Sachverhalts.
Im Fall Gazali Önder / Ahmed Siala hat das Rechtsstaatsprinzip in jedem Stadium des Verfahrens Beachtung gefunden. Wer den Vollzug der geltenden Rechtslage per se als inhuman oder gar menschenrechtswidrig verunglimpft, tut unserem demokratischen Rechtsstaat Unrecht. Wer einen Landrat oder einen Minister auffordert, sich über das Recht hinwegzusetzen, fordert ihn letztlich dazu auf, das Recht zu beugen - was eine Straftat gem. § 339 StGB wäre.
Zweifellos gibt es Grenzfälle, in denen der Vollzug einer rechtmäßigen Entscheidung schwerwiegendes Leid für die Betroffenen zur Folge hat. In derartigen Fällen ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Entscheidungen der zuständigen staatlichen Behörden in meinen Augen wichtig. Dies kann in Einzelfällen neue Blickwinkel eröffnen. Mit der Härtefallkommission haben wir in Niedersachsen deshalb seit 2006 eine unabhängige Instanz, um in besonders gelagerten Einzelfällen humanitär ausgewogene Entscheidungen zu treffen. Die von der Landesregierung in den vergangenen Monaten konzipierten Änderungen der Härtefallkommissionsverordnung sind auf dem Weg. Sie werden hoffentlich zu einer besseren Zusammenarbeit innerhalb der Kommission und zu größerer Akzeptanz der Entscheidungen beitragen.
Die Niedersächsische Landesregierung hat immer dann, wenn evidente humanitäre Lücken erkannt wurden, eigeninitiativ gehandelt, wie beispielsweise bei der Bleiberechtsregelung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende. Aktuell hat die Landesregierung eine Bundesratsinitiative für ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht auf den Weg gebracht, das auf dem Integrationswillen und den Integrationsfähigkeiten des Einzelnen aufbaut. Damit würden ausreisepflichtige Ausländer, die sich besonders um ihre Integration bemühen, eine Bleibeperspektive in Deutschland erhalten. Dieser Vorschlag ist übrigens auch beim Niedersächsischen Flüchtlingsrat auf positive Resonanz gestoßen.
Was den konkreten Fall Gazali Önder / Ahmed Siala betrifft, so ist anzumerken, dass Herr Siala die ihm eingeräumten Chancen auf einen dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet nicht genutzt hat. Herr Siala, vertreten durch die von ihm bevollmächtigte Rechtsanwaltskanzlei, und das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport schlossen im Jahr 2010 unter Beteiligung des Landkreises Hildesheim nach jahrelangem Rechtsstreit einen Vergleich. Nachdem die von Herrn Siala angestrengten Klagen weitgehend erfolglos geblieben waren, wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, sein Anliegen in einem Härtefallverfahren geltend zu machen. Der Vergleich sah insbesondere vor, dass einem Härtefallersuchen der niedersächsischen Härtefallkommission gefolgt werde, wenn der Lebensunterhalt als dauerhaft gesichert angesehen werden könne. Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn Herr Siala den Lebensunterhalt für sich und die beiden Töchter Amine und Nura mindestens sechs Monate durch eigene sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit sicherstelle.
Darüber hinaus wurde vereinbart, dass es ein Ausschlussgrund wäre, wenn Herr Siala eine weitere vorsätzliche Straftat begehen würde. Herr Siala wurde die Nachregistrierung der im Bundesgebiet geborenen Kinder aufgegeben, er wurde aufgefordert, einen entsprechenden Registerauszug vorzulegen. Zuletzt wurde auf die gesetzlich geforderte Passpflicht hingewiesen. Damit lag es in der Hand von Herrn Siala, ein Aufenthaltsrecht und letztlich die Zusammenführung mit Frau Önder und den in der Türkei lebenden gemeinsamen Kindern in Deutschland zu erreichen.
Herr Siala hat diese Möglichkeit nicht genutzt. Er war leider nicht in der Lage, die dargestellten Mindestvoraussetzungen zu erbringen. So ist er erneut straffällig geworden. Auch war er nicht imstande, seinen Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern. Gleichwohl hat die niedersächsische Härtefallkommission über die Eingabe beraten. Die Kommission kam jedoch zu dem Ergebnis, kein Härtefallersuchen an das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport zu richten.
Weder Herr Siala noch Frau Önder konnten sich im Übrigen während ihrer langjährigen Aufenthalte wirtschaftlich, sozial und kulturell in die hiesigen Lebensverhältnisse integrieren.
Dennoch stellt sich auch mir die Frage, wie es in diesem Fall weitergehen könnte. Ein gangbarer Weg auf dem Boden der geltenden Rechtsordnung könnte der folgende sein: Die in Deutschland lebenden Kinder können die neue gesetzliche Regelung des § 25a AufenthG in Anspruch nehmen. Da die älteste Tochter Namine bereits das 15. Lebensjahr vollendet hat, könnte sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erhalten, dessen Tatbestandsvoraussetzungen sie offensichtlich erfüllt. Entgegen steht derzeit wohl noch die seinerzeit für Frau Önder und ihre Töchter ergangene Ausweisung, so dass die Ausländerbehörde, also der Landkreis Hildesheim, zunächst zu entscheiden hätte, ob die Ausweisung bzw. die damit verbundene Sperrwirkung aufgehoben werden kann.
Da die Tochter Namine minderjährig ist, erhielte Herr Siala eine Duldung nach § 60a Abs. 2a AufenthG. Er könnte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG erhalten, wenn er die weiteren gesetzlichen Tatbestände erfüllen (Sicherung des Lebensunterhalts) und kein Ausschlussgrund nach § 25a Abs. 3 AufenthG vorliegen würde. Derzeit ist die Lebensunterhaltssicherung wohl noch nicht nachhaltig nachgewiesen. Außerdem liegt noch ein weiterer gewichtiger Ausschlussgrund vor. Aufgrund der neuerlichen Straftat, die im Jahre 2011 zu einer Verurteilung führte, wurde die Verurteilung aus dem Jahre 2004 noch nicht im Bundeszentralregister gelöscht. Wenn diese Löschung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der zweiten Tochter im Jahre 2016 erfolgen kann, käme eine Aufenthaltserlaubnis in Betracht.
Aber selbst wenn Herr Siala im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG wäre, könnte Frau Önder nicht sofort im Rahmen des Familiennachzugs einreisen, weil gem. § 29 Abs. 3 AufenthG ein Familiennachzug bei Aufenthaltserlaubnissen nach § 25a AufenthG nicht gewährt wird. Vielmehr müsste Herr Siala zunächst über eine Niederlassungserlaubnis verfügen. Darüber hinaus käme dieser Ehegattennachzug nur zum Zwecke der Eheschließung in Betracht. Das bedeutet, um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Frau Önder und Herr Siala müssten sich zunächst darauf einigen, ob und ggf. wann sie heiraten möchten. Somit bleibt es dabei, dass eine kurzfristige Zusammenführung der Kinder mit ihrer Mutter nur in der Türkei möglich ist. Allerdings besteht schon vorher die Möglichkeit, dass die älteren Töchter ihre Mutter in Izmir besuchen, nämlich, sobald sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG haben. Somit könnte Namine vielleicht schon in diesem und Nura im nächsten Jahr ihre Mutter in Izmir besuchen und, z.B. während der Schulferien, den direkten Kontakt zu ihrer Mutter in Izmir herstellen und aufrechterhalten. Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung: Es ist meine feste Überzeugung, dass es der politischen Kultur und auch den Menschen in unserem Land gut täte, wenn die Diskussion über die Abschiebepraxis mit der gebotenen Sachlichkeit geführt würde.

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Schünemann

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