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Uwe Schünemann
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Frage von Daniel K. •

Frage an Uwe Schünemann von Daniel K. bezüglich Innere Sicherheit

Guten Tag Herr Schünemann,

soeben habe ich auf http://www.heise.de/newsticker/meldung/Niedersachsen-schickt-Berlin-Formulierungshilfe-zur-Vorratsdatenspeicherung-1250004.html gelesen, dass die Vorratsdatenspeicherung auch bei "gewichtigen Ordnungswidrigkeiten" und "zum Schutz von überragend wichtigen Rechtsgütern" greifen soll.

Ich kann mir unter diesen Begriffen nichts vorstellen und bitte daher um eine Definitiion. Desweiteren frage ich Sie, warum im gleichen Artikel steht dass Sie eine "verfassungskonforme" Neuauflage der VDS fordern und gleichzeitig
- die Speicherfrist hochgesetzt wird
- mit den oben genannten Punkten die VDS ausgebaut wird.

Im Ansatz war immer von "schwersten Straftaten" die Rede und nicht von Ordnungswidrigkeiten.

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Sehr geehrter Herr Klöpper,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage, die mir einmal mehr zeigt, wie wichtig eine klare Kommunikation zwischen Politik und Wählern gerade bei dem gleichermaßen aktuellen wie sensiblen Thema der Speicherung von Telekommunikationsdaten ist. Allzu schnell steht etwas im Raum, was niemand will: Wenn im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Diskussion um die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung von "Generalverdacht" oder gar "Überwachungsstaat" die Rede ist, so wird bewusst ein falscher Eindruck geschaffen. In der Sache geht es um die vorsorgliche Sicherung von Beweisen, die zur Aufklärung schwerster Straftaten oder zur Abwehr von Gefahren für überragend wichtige Rechtsgüter gebraucht werden. Tatsache ist, dass seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 - also seit bald 16 Monaten! - die Arbeit der Ermittlungsbehörden massiv erschwert ist. Soweit es um besonders schwere Straftaten geht, wie z.B. Kinderpornografie oder Terror-Straftaten, also in absoluten Ausnahmefällen, und nur dann, wenn im Einzelfall ein Richter zugestimmt hat (Richtervorbehalt), müssen den Ermittlungsbehörden die als so genannte Vorratsdaten zu speichernden Verbindungsdaten zur Verfügung stehen. Dass dies verfassungsrechtlich zulässig ist, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner o.g. Entscheidung ausdrücklich festgestellt. Im Übrigen geht es hier auch um die Umsetzung von verbindlichen Vorgaben der Europäischen Union (EU), genauer gesagt um die Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG, zu der die Bundesrepublik verpflichtet ist; andernfalls drohen ein Vertragsverletzungsverfahren und Strafzahlungen.

Doch nun zu Ihrer Frage: Die von Ihnen genannten Begriffe "gewichtige Ordnungswidrigkeiten" und "überragend wichtige Rechtsgüter" sind tatsächlich nicht ohne Weiteres verständlich. Der von mir und meinem Kollegen, Justizminister Bernd Busemann (CDU), vorgelegte Diskussionsentwurf zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung fasst unter gewichtigen Ordnungswidrigkeiten alle Tatbestände zusammen, die mit einer Bußgeldobergrenze von mehr als 20.000 Euro bedroht sind. Hierbei handelt es sich regelmäßig um Ordnungswidrigkeiten, bei denen Verstöße ganz erhebliche Folgen u.a. volkswirtschaftlicher oder ökologischer Art haben können bzw. bei denen gewichtige Güter wie Gesundheit, Leben, Tierschutz als geschützte Rechtsgüter von besonderem Gewicht betroffen sind, z.B. Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, Luftverkehrsgesetz, Medizinproduktgesetz, die Abgabenordnung, das Steuerberatungsgesetz oder Außenwirtschaftsgesetz.

Der Diskussionsentwurf orientiert sich auch insofern an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht führt aus: "Die Aufhebung der Anonymität im Internet bedarf zumindest einer Rechtsgutsbeeinträchtigung, der von der Rechtsordnung auch sonst ein hervorgehobenes Gewicht beigemessen wird. Dies schließt entsprechende Auskünfte zur Verfolgung oder Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten nicht vollständig aus. Es muss sich insoweit aber um - auch im Einzelfall - besonders gewichtige Ordnungswidrigkeiten handeln", die der Gesetzgeber ausdrücklich benennen muss." (BVerfG, Neue Juristische Wochenschrift, Seite 833, Rn. 262). Daher soll der Nutzer einer Netzverbindung - so sieht es unser Diskussionsentwurf vor - bei gewichtigen Ordnungswidrigkeiten von der für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständigen Behörde ermittelt werden dürfen. Selbstverständlich gilt auch hier der Richtervorbehalt, d.h. nur dann, wenn ein Richter im Einzelfall zugestimmt hat, erhalten die Ermittlungsbehörden überhaupt Einblick in die Verbindungsdaten eines Verdächtigen.

Was unter einem "überragend wichtigen Rechtsgut" zu verstehen ist, ergibt sich ebenfalls aus der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 231): Bezogen auf die Vorratsdatenspeicherung soll eine Datenverwendung, also ein Abruf gespeicherter Daten, nur zur Abwehr von Gefahren für Leib , Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr zulässig sein, wiederum natürlich unter Beachtung des Richtervorbehalts.

Die im Diskussionsentwurf genannte Speicherfrist beträgt sechs Monate. Hierbei handelt es sich um die Mindestspeicherdauer, d.h. die Untergrenze, das absolute Minimum dessen, was die EU vorschreibt: Nach der o.g. Richtlinie 2006/24/EG sind die in Rede stehenden Daten für die Dauer von sechs Monaten bis zu 24 Monaten zu speichern. Der von meinem Kollegen Bernd Busemann und mir vorgelegte Diskussionsentwurf zur verfassungskonformen Umsetzung der sog. Vorratsdatenspeicherung orientiert sich an der Untergrenze von sechs Monaten. Zu den von Ihnen befürchten "Verschärfungen" der Speicherfrist würde es also nicht kommen, wenn der von uns vorgelegte Diskussionsentwurf in hoffentlich naher Zukunft Grundlage für die Gesetzgebung des Bundes wäre.

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Schünemann

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