Frage an Uwe Schünemann von Henning H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Schünemann,
ich beziehe mich auf http://heise.de/-1223235 : Warum titulieren Sie mich (indirekt) als Pädophilen und/oder (wahlweise?) Terroristen?
Aber mal abseits der Polemik: Bitte erklären Sie uns, was die Überwachung von 100% der Bürger bei einem Anteil von - ich greife mal hoch? - 1% an Straftätern der umschriebenen Art rechtfertigt?
Und - viel wesentlichere Frage! - was ist der Unterschied zur Internierung sämtlicher Bürger in Lagern, bis sie durchleuchtet sind oder zur Umkehrung der Unschuldsvermutung in eine Schuldvermutung, auf jeden Fall zu drastischeren Maßnahmen? Das würde noch mehr helfen als die Vorratsdatenspeicherung.
Warum also die Grenze ausgerechnet genau an der Stelle "hinter" der Vorratsdatenspeicherung ziehen und nicht noch weiter gehen!?
Mit freundlichen Grüßen
Henning Hucke
Sehr geehrter Herr Hucke,
Ihrer Fragestellung liegt die Annahme zugrunde, der Staat misstraue seinen Bürgern oder stelle sie gar unter einen Generalverdacht. Diese Annahme wird der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung unseres Landes nicht gerecht. Wir dürfen die Bundesrepublik Deutschland durchaus mit Stolz zu den Staaten in der Welt rechnen, in denen die Menschen- und Bürgerrechte von der staatlichen Gewalt mit ganz besonderem Nachdruck garantiert werden. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben aus der Barbarei der Nazi-Diktatur die einzig richtigen Schlussfolgerungen gezogen, als sie 1948/49 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ausgearbeitet haben. Über die verfassungsmäßige Ordnung wacht mit kritischem Auge das Bundesverfassungsgericht. Ebendieses hat in seinem Urteil vom 2. März 2010 festgestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung als solche grundsätzlich zulässig ist: „Es werden hierdurch Aufklärungsmöglichkeiten geschaffen, die sonst nicht bestünden und angesichts der zunehmenden Bedeutung der Telekommunikation auch für die Verbreitung und Begehung von Straftaten in vielen Fällen erfolgversprechend sind.“ Eine Rekonstruktion gerade der Telekommunikationsverbindungen sei „für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung“.
Da nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im konkreten Verdachtsfall stets der Richtervorbehalt zu beachten ist (d.h. nur dann, wenn ein Richter im Einzelfall zugestimmt hat, dürfen die Ermittlungsbehörden überhaupt Einblick in die Verbindungsdaten eines Verdächtigen erhalten), kann und sollte von einem Generalverdacht nicht die Rede sein.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Uwe Schünemann