Frage an Uwe Küster von Marc E. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Küster,
mit grosser Sorge muss ich zur Kenntnis nehmen, dass 18 Jahre nach dem Fall der Mauer, weniger als 17 Jahre nach Abschaffung des DDR Ministeriums für Staatssicherheit ostdeutsche Abgeordnete zur Abschaffung der bürgerlichen Freiheitsrechte in der Bundesrepublik Deutschland beitragen.
Als Reserveoffizier der Feldjägertruppe gehöre ich sicherlich nicht zu einem staatsfernen oder gar staatsfeindlichen Personenkreis. Im Gegenteil, gerade meine Sorge um den Rechtsstaat, und die Demokratie in diesem Land veranlasst mich, ihnen folgende Fragen im Bezug auf das gestern vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu stellen, dem Sie wohl zugestimmt haben:
1.) Haben Sie sich vor der Abstimmung am 09.11.2007 mit dem Gesetzesinhalt und den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen sowie mit den
technischen Möglichkeiten zur Nutzung der anfallen Daten vertraut gemacht?
2.) Haben Sie das Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und
internationales Strafrecht zur Kenntnis genommen, und die daraus stammende
Empfehlung, den Gesetzesentwuf abzulehnen?
3.) Wie begründen Sie angesichts des zu erwartenden minimalen positiven Effektes den resultierenden tiefen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Bevölkerung?
4.) Wie stehen zu weitergehenden tiefgreifenden Eingriffen in die Grundrechte,
wie zum Beispiel der Umgehung des Artikels 10GG durch Auslesung von Daten mittels des sogenannten "Bundestrojaners"?
Ich sehe der Beantwortung meiner Fragen gespannt entgegen und verbleibe,
mit freundlichen Grüssen,
Marc Enzmann
Sehr geehrter Herr Enzmann,
Ihre Anfrage bezüglich der Vorratsdatenspeicherung habe ich erhalten. Im Folgenden möchte ich die einzelnen Unterpunkte Ihres Schreibens beantworten.
Zu 1.) Es steht außer Frage, dass ich mich als Abgeordneter im Vorfeld über die rechtliche Zulässigkeit von Gesetzen sowie die rechtlichen Konsequenzen von Gesetzesinhalten informiere.
Zu 2.) Ich möchte Sie gern darauf hinweisen, dass ich selbst darüber entscheide, welche Gutachten ich zu Rate ziehe
Zu 3.) Beim Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung handelt es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, von der alle europäischen Mitgliedstaaten betroffen sind. Die Regelung ist ein Kompromiss zwischen dem Sicherheitsbedürfnis unserer Gesellschaft und den Freiheitsrechten des Einzelnen. Wir haben bei dem Gesetz einerseits im Auge behalten, dass der Staat für unsere Sicherheit zu sorgen hat und daher die berechtigten Strafverfolgungsinteressen des Staates angemessen berücksichtigt werden müssen. Andererseits greifen verdeckte Ermittlungsmaßnahmen aber regelmäßig in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein, so dass für ihre Anordnung strenge Voraussetzungen gelten und der Rechtsschutz wirksam ausgestaltet sein müssen. Deshalb haben wir das Telekommunikationsüberwachungsrecht weiter rechtsstaatlich eingegrenzt. Dadurch liegen die Hürden für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung in Zukunft noch höher als jetzt. Dabei gilt künftig wie bisher, dass sie grundsätzlich nur durch einen Richter angeordnet werden darf
Im Übrigen sind die wegen der Umsetzung künftig zu speichernden Daten im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt nur, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen nicht gespeichert werden. Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das Telekommunikationsunternehmen lediglich, welchem Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung, nicht dagegen, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.
Die Daten werden – wie bisher – nur bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Wie bisher können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.
Zu 4.) Ihre Frage nach meiner Einstellung zu den so genannten "Bundestrojanern" oder auch Online-Durchsuchungen möchte ich wie folgt beantworten: wie Sie sicher wissen, wurde die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Online-Durchsuchung erst einmal gerichtlich gestoppt. Die SPD steht dieser Ermittlungsmethode ausgesprochen kritisch gegenüber und hält derartige Durchsuchungen nur unter sehr strengen Voraussetzungen für möglich. Eine Online-Durchsuchung ohne einen richterlichen Durchsuchungsbefehl wird es mit der SPD nicht geben. Eine Untersuchung darf nur stattfinden, wenn der Verdacht auf die Vorbereitung einer schweren Straftat besteht. In diesem Fall dürfen übrigens auch jetzt schon Computer und Festplatten beschlagnahmt werden. Ich kann Ihnen versichern, dass es mit der SPD also keinen Überwachungsstaat geben wird.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen behilflich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Uwe Küster