Frage an Uwe Küster von Andreas S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Dr. Küster,
ich weiss noch nicht, wie Sie zur Grundgesetzänderung zur sogenannten Schuldenbremse gestimmt haben. dennoch meine Fragen:
Wie rechtfertigen Sie diese Entscheidung, angesichts von Milliarden Euro Geschenken an Banken und unter Umtsänden Opel usw ?
Könnte es nicht sein, das Ausgaben in Zukunft massiv gekuerzt werden müssen, stärker als bisher, insbesondere Renten, Gesundheitswesen, Sozialleitungen, Bildung um die Milliarden Augaben an die Banken bezahlen zu können ? Eine Möglichkeit der Kreditaufnahme gibt es ja dann nicht mehr.
Ausserdem finde ich es unverständlich, wie man einen so wichtigen Punkt des Etatrechts des Parlaments in das Grundgesetz verschiebt. Eines der wichtigsten Aufgaben, Recht UND Pflicht eines Parlaments ist das Etatrecht. Dies ist eine historische Errungenschaft des Parlamentarismuses. Dieses Recht wird von den gewählten Abgeordneten ausgeübt, die damit politisch ihren Wählren verantwortlich sind. Durch die Aufgabe dieses Rechts durch Änderung des Grundgesetzes wird die Macht des Parlaments geschwächt und damit indirekt die Einflussnahme der Bürger. Wie ist ihre Ansicht hierzu ?
Danke für Ihre Antwort
Mit freundlichen Gruessen
Dr. Andreas Schulz
Sehr geehrter Herr Dr. Schulz,
in Ihrem Schreiben äußern Sie die Sorge, dass die Neuregelung der Grundgesetzartikel 109 und 115 (sog. Schuldenbremse) das Etatrecht des Parlaments beschneiden und dringende Sozialausgaben in Zukunft verhindern könnte.
Diese Sorge teile ich nicht. Der Bund wird auch mit "angezogener Schuldenbremse" in Zukunft voll handlungsfähig bleiben – auch in Krisenzeiten. Dazu ist wichtig zu wissen, dass das Etatrecht dem Bundestag in der Praxis nur beschränkten Einfluss auf Umfang und Gestaltung des jeweiligen Haushalts erlaubt. Ein Großteil des Gesamthaushalts ist von vornherein durch gesetzliche Regelungen oder sonstige Rechtsverpflichtungen gebunden, bevor ein erster Etatentwurf aufgestellt wird.
Dennoch war die Novellierung der Schuldenregel notwendig. Da in der Vergangenheit die Schuldenlast von Bund und Ländern immer stärker angewachsen ist, drehte sich die Schuldenspirale in Deutschland immer schneller. Der Anteil der Zinslasten stieg deutlich an und verringerte so die Gestaltungsspielräume. Klare Regeln für Aufschwungphasen fehlten, so dass in guten Zeiten die Haushalte nicht ausreichend saniert oder sogar durch Steuersenkungen noch ruiniert wurden.
Der neue Artikel 115 GG schreibt nun vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern in konjunktureller Normallage grundsätzlich ohne Aufnahme von Krediten auszugleichen sind. Dazu orientiert er sich an den Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts ("Maastricht-Regeln") und unterscheidet insbesondere die strukturelle und die konjunkturelle Haushaltssituation.
Strukturell beschränkt die Neuregelung die jährliche Neuverschuldung des Bundes ab dem Jahr 2016 auf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Konjunkturbedingt erlaubt sie in Übereinstimmung mit den Maastricht-Regeln jedoch auch weiterhin Neuschulden von bis zu drei Prozent des BIP – derzeit etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr. Für die Länder gilt ab 2020 eine strukturelle Nullverschuldung. Beginnend mit dem Haushaltsjahr 2011 bauen die Länder stufenweise die Neuverschuldung auf strukturell 0,0 Prozent des BIP in 2020 ab. Ein konkreter Pfad wird den Ländern dabei nicht vorgegeben; die Übergangsphase bis zur Zielerreichung wird einer entsprechenden Gestaltung durch die Länder überlassen.
Für besondere Fälle gibt es darüber hinaus noch die Ausnahmeklausel, mit der die Bundestagsmehrheit "im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen" (Art. 115 GG) eine zusätzliche Kreditaufnahme beschließen kann. Die abschließende Anhörung im Rechtsausschuss hat ganz klar gezeigt, dass eine Krise wie die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise ohne Zweifel von der Ausnahmeklausel erfasst gewesen wäre. Auch in der Krise bleibt der Bund also voll handlungsfähig!
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Hinweisen gedient zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen,
Dr. Uwe Küster, MdB