Frage an Uwe Beckmeyer von Werner J. bezüglich Verkehr
Hallo Herr Beckmeyer,
in einer Pressemitteilung von Heidrun Bluhm (Bundestagsfraktion Die Linke, www.linksfraktion.de) vom 12.3.2008 wird geschrieben, dass Sie als Leiter der Arbeitsgruppe Verkehr der SPD eine Debatte zur geplanten Privatisierung der Bahn verhindert und einen Antrag der Grünen nach Anhörung von Sachverständigen mit drastischen Worten kommentiert hätten.
Dazu stellen sich für mich folgende Fragen:
Warum wird eine Debatte zur Privatisierung der Bahn -wie von den 3 Oppositionsparteien vorgeschlagen- im Verkehrsausschuss von den Regierungsparteien verhindert?
Sind Sie der Meinung ihrer SPD-Fraktionsmitglieder Scheer, Friedrich, Roth und Bulmahn, dass "jedwede Entscheidung für oder gegen die Privatisierung" nur das Parlament treffen kann (www.tagesspiegel.de vom 11.2.08)?
Stehen Sie zu dem Beschluss ihrer Partei vom 27.10.07 in Hamburg, einen Sonderparteitag über die Frage der Privatisierung der Bahn dann einzuberufen, wenn ein vorgeschlagenens Privatisierungsmodell (z.B. das Holding-Modell) keine Ausgaben von Volksaktien vorsieht?
In welchem Land hat eine Bahnprivatisierung die Situation des öffentl. Verkehrs verbessert?
Warum kann die Schweizer Bundesbahn SBB nicht Modell für die Dt. Bahn sein?
Wäre eine Fremdkapital-Beschaffung über den Finanzmarkt nicht billiger, als eine Privatisierung?
Ist es bei ihrer Meinungsbildung von Relevanz, dass die deutsche Bevölkerung mit über 2/3-Mehrheit (Umfrage STERN, Heft 41/2007) sogar gegen eine Teilprivatisierung ist?
Vielen Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
W. Jeide
Sehr geehrter Herr Jeide,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben.
Es ist keineswegs so, dass die SPD-Fraktion im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages eine Debatte über die Teilprivatisierung der Deutsche Bahn AG verhindert hat, wie dies von einigen Ausschussmitgliedern offenbar behauptet wird.
Richtig ist vielmehr, dass die FDP-Fraktion die parlamentarische Geschäftsordnung ignoriert hat. Dort ist festgelegt, dass ein Ausschuss eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen nur dann beschließen kann, wenn ein entsprechender Antrag auf der Tagesordnung des Ausschusses steht. Dies hat die FDP-Fraktion versäumt.
Hätten die Oppositionsfraktionen die Regeln beachtet, die sich der Deutsche Bundestag selbst gegeben hat, um seine Arbeit vernünftig zu organisieren, hätte bereits in der vergangenen Woche über eine Anhörung entschieden werden können. Wir wollen eine Beratung über das Thema. Es befindet sich nun auf der Tagesordnung der kommenden Ausschusssitzung am 9. April 2008. Dann kann auch darüber abgestimmt werden.
Meine Kritik an dem FDP-Antrag bleibt: Die Liberalen haben ihrer Vorlage ein Papier über ein Holdingmodell beigefügt, bei dem überhaupt nicht ersichtlich wird, wer der Urheber ist. Darüber können wir als Abgeordnete wohl kaum abstimmen.
Es war im Übrigen die SPD-Bundestagsfraktion, die immer wieder darauf hingewiesen hat, dass die letzte Entscheidung über eine Teilprivatisierung der DB AG beim Parlament liegt. Die Parteispitze der SPD wird eine Arbeitsgruppe zur Bahnprivatisierung einrichten, die – auf der Basis des Parteitagsbeschlusses vom Herbst – die im Raum stehenden Fragen rasch klären soll.
Die von Ihnen angesprochenen Schweizerischen Bundesbahnen SBB sind sicherlich ein anerkanntes und erfolgreiches Unternehmen. Der Vergleich der DB AG mit den SBB lässt allerdings außer Acht, dass beide Unternehmen unterschiedliche Ausgangsbedingungen haben. Die Schweiz ist nicht Teil der Europäischen Union. Anders als in der Schweiz erlaubt das Wettbewerbsrecht in der EU den Markteintritt von Wettbewerbern; dem muss sich auch die DB AG stellen. Die beste Gewähr dafür bietet die Einbeziehung privater Kapitalgeber in die Gesellschaft und damit in die unternehmerische Verantwortung.
Zur Frage der Fremdkapital-Beschaffung habe ich eine ganz eindeutige Haltung: Alle genannten Alternativen zur Teilprivatisierung der Bahn haben eines gemeinsam: Sie gehen letztlich direkt oder indirekt zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und zu Lasten nachfolgender Generationen.
Auch die Mobilisierung von neuem Kapital durch Anleihen ist keine Lösung, da damit die Verschuldung des Unternehmens weiter ansteigt und die Eigenkapitalquote von derzeit 16 Prozent unter eine vertretbare Marke sinkt. Der Bund müsste hierbei letztlich einspringen. Wir brauchen aber keine weiteren Schulden, die wiederum Zins und Tilgung verlangen; wir brauchen für eine handlungsfähige Bahn einen größeren finanziellen Spielraum.
Ich nehme die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, die an mich herangetragen werden, sehr ernst. Allerdings sind Umfrageergebnisse immer relativ. Nach einer repräsentativen Umfrage der GfK Nürnberg würden 71 Prozent der Befragten eine Verstaatlichung der DB AG als einen Rückschritt für die Kundinnen und Kunden werten. Die Bahnreform hingegen wird als ein Erfolg bewertet: 72 Prozent der Bevölkerung sagen, dass sich die Leistung der DB AG seit der Privatisierung des Unternehmens im Jahre 1994 verbessert hat.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Beckmeyer