Frage an Uwe Beckmeyer von Marco G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Beckmeyer,
ich möchte Ihnen zwei Fragen zu den Plänen des Innenministeriums stellen, private Daten über eigens dafür angefertigte Software auszuspähen.
Hierfür möchte ich allerdings etwas weiter ausholen um Ihnen die Sinnresistenz dieses Unterfangens darzustellen.
Nehmen wir mal folgendes, reales Szenario:
Ich benutze einen von meiner Hausbank überlassenen HBCI-Kartenleser mit eigenem Pinpad. Wenn ich jetzt Daten verschlüsselt versenden möchte, würde ich folgendermassen vorgehen: Ich starte eine Live-Linux-Version auf meinem System und verschlüssele darüber meine Daten mit dem digital signierten Kartenleser, der dafür hergestellten Keycard und einem, sagen wir mal 2048bit-Schlüssel. Die verschlüsselte Datei speichere ich auf meinem USB-Stick. Jetzt fahre ich das Live-Linux runter, starte mein normales System (gerne auch mit einem eingepflanzten "Bundestrojaner"), starte in diesem System eine virtualisierte Browser-Appliance, die sich nach dem Beenden auf den Ausgangszustand zurücksetzt (und damit alle in der Session installierten Programme wieder löscht) und versende die vorverschlüsselten Daten ins Netz.
Das Ergebnis: Da die Daten niemals unverschlüsselt in dem vom IM kompromitierten System gespeichert wurden und der nötige Schlüssel ohnehin über ein externes (und nicht logbares) Tastenfeld eingegeben wurde, ist die Online-Durchsuchung in diesem Fall absolut zwecklos!
Fazit: Halbwegs gebildete IT-Nutzer (und stufen wir Terroristen ruhig mal in diese Gruppe ein), lassen sich von derartigem Treiben kaum erschrecken!
Frage 1: Wie stehen sie zu den Plänen des IM und sind sie der Meinung, derartige Massnahmen erhöhen effektiv (!) die Sicherheit in unserem Land?
Frage 2: Wo sehen sie eine Vereinbarkeit mit dem kürzlich rechtskräftig gewordene § 202c StGB, nach dem das anfertigen, vorhalten und verwenden solcher Spionagetools strafrechtlich verboten ist und Behörden ja auch nicht über dem Gesetz stehen?
MfG,
Marco Grätsch,
Netzwerkadministrator
Sehr geehrter Herr Grätsch,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Sie haben Recht: Die Grundlage für die Entscheidung zur Befugnis für das Bundeskriminalamt (BKA), sog. Online-Durchsuchungen durchzuführen (also das heimliche Abziehen von Daten auf fremden Computern mittels spezieller Software), ist derzeit nicht gegeben.
Grundsätzlich hat das BKA nach § 2 Abs. 6 Nr. 3 des Bundeskriminalamtgesetzes als Zentralstelle zur Unterstützung der Polizeien des Bundes und der Länder polizeiliche Methoden und Arbeitsweisen der Kriminalitätsbekämpfung zu erforschen und entwickeln. Dies setzt voraus, dass die Ermittlungsbehörde auch neue technische Verfahren im Hinblick auf ihre Eignung als Ermittlungsinstrumente der Strafverfolgung prüft und bewertet – unabhängig davon, ob eine Durchführung entsprechender Maßnahmen unmittelbar bevorsteht oder entsprechende Rechtsgrundlagen bereits zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ist die Prüfung der technischen Umsetzbarkeit einer Online-Durchsuchung im Rahmen eines Entwicklungsprojektes des BKA zu sehen.
Das BKA selbst hat eingeräumt, dass noch kein technisch ausgereiftes Konzept dazu vorliegt. Wir werden darüber entscheiden, wenn die Behörde klare Aussagen machen kann, wie solche Untersuchungen technisch im Detail aussehen werden. Die SPD wird sich dem Druck der Union in Sachen Online-Durchsuchung nicht beugen.
Denn neben den technischen Fragen der Online-Durchsuchung ist offen, ob eine einfachgesetzliche Regelung genügt oder eine Verfassungsänderung notwendig wird. Im Übrigen ist die Frage der Notwendigkeit nicht abschließend geklärt, d.h. die Frage, für welche Erkenntnisse der Einsatz dieses Instruments eigentlich benötigt wird.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag meinen: Alle Bedenken müssen ausgeräumt, die kritischen Fragen beantwortet und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Frage der Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen muss abgewartet werden, über die am 10. Oktober verhandelt wird. Anders ist ein weit reichendes Ermittlungsinstrument nicht verantwortbar.
Es mag Kriminalitätsentwicklungen und Gefahrenlagen geben, für die ein solches Instrument sinnvoll erscheint. Aber: Maßnahmen zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit müssen notwendig, praktikabel, verhältnismäßig und verfassungskonform sein.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Beckmeyer