Frage an Uwe Beckmeyer von Uschi S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Beckmeyer,
zunächst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, daß Sie sich die Zeit nehmen, Fragen auf dieser Plattform zu beantworten.
Sie haben sicher auch schon von den sogenannten "christlichen" Gewerkschaften gehört (z.B. DHV, CGM etc). Sogenannt und "christlich" in Anführungszeichen, da diese Organisationen meiner Meinung nach nicht viel mit den Grundgedanken der Gewerkschaften und des Christentums zu tun haben (aber darüber läßt sich unter Umständen recht vortrefflich streiten).
Da diese sogenannten Gewerkschaften schon einige Tarifverträge in vielen Branchen abgeschlossen haben, die für recht viele Arbeitnehmer schlechte Konditionen vor allem in den Bereichen Arbeitszeit und Lohngestaltung beinhalten, frage ich mich und Sie, ob diesem arbeitgeberfreundlichen Treiben nicht Einhalt geboten werden sollte? Ich denke da vor allem an gesetzliche Mindestlöhne und die tatsächliche Berechtigung, überhaupt Tarifverträge aushandeln zu dürfen.
Denn ebenfalls bekannt ist spätestens seit einem Bericht in "Panorama" im Februar 2007, daß diese sogenannten Gewerkschaften kaum über Mitglieder verfügen, deren Interessen tatsächlich in den Betrieben vertreten werden.
Ich weiß, daß das Bundesarbeitsgericht bereits darüber geurteilt hat, aber da das BAG sich schließlich auf die derzeitige Gesetzeslage stützt, wäre an dieser Stelle meiner Meinung nach der Gesetzgeber gefragt. Es sollte doch im Interesse aller Beteiligten liegen, daß Gewerkschaften die wirklichen Interessen der Arbeitnehmer vertreten.
Natürlich kann man an dieser Stelle alle Arbeitnehmer nur auffordern, den Gewerkschaften wie ver.di., IGM, IG BCE etc. beizutreten, Tatsache ist aber auch, daß die von den "christlichen" Gewerkschaften ausgehandelten Tarifverträge sehr oft auch für Mitglieder anderer Gewerkschaften gelten (Tarifpolitik ist generell ein schwieriges und kompliziertes/komplexes Thema).
Ist der SPD, ist Ihnen dieses Problem bekannt?
Mit freundlichen Grüßen
Uschi Spicka
Sehr geehrte Frau Spicka,
haben Sie herzlichen Dank für Ihr Schreiben.
Ich gebe Ihnen Recht: Die Verhandlungsergebnisse, die die christlichen Gewerkschaften insbesondere für den Zeitarbeitssektor und im Baubereich erzielt haben, sind nicht akzeptabel und insbesondere mit Blick auf Arbeitszeitregelungen und Lohngestaltung häufig zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Das Bundesarbeitsgericht hat, Sie haben es angesprochen, die von den christlichen Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge für rechtens erklärt. Allerdings: Das Arbeitsgericht Osnabrück ist der höchstrichterlichen Auffassung nicht gefolgt. Ob es sich bei den von der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften abgeschlossenen Manteltarifvertrag um eine wirksame Tarifregelung handele, so die Osnabrücker Richter, hängt davon ab, ob diese Vereinigung tariffähig ist.
Entscheidend sei die demokratische Legitimation. Fehle diese mangels ausreichender Mitgliederzahlen oder weiterer Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Tarifpartner, so das Arbeitsgericht Osnabrück, kann die Tarifgemeinschaft nicht rechtsverbindlich Tarifverträge für die betroffenen Arbeitnehmer abschließen. Dies wird nun gerichtlich zu klären sein. Das Verfahren wird jedoch sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen uns, gerade auch vor diesem Hintergrund, vehement für die rasche Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ein. Wie Sie wissen, misst die SPD im Land Bremen dieser Frage besondere Bedeutung zu. Wir haben dies im Bürgerschaftswahlkampf auch deutlich gemacht.
Der Deutsche Bundestag hat inzwischen in 2./3. Lesung eine Änderung des Arbeitnehmerentsendegesetzes beschlossen. Damit wird entsprechend dem Koalitionsvertrag und auf Grundlage der EU-Entsenderichtlinie auch das Gebäudereinigerhandwerk in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen; mit der Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz erhält das Gebäudereinigerhandwerk Zugang zum Instrument der Mindestlohn-Verordnung.
Mit diesem Instrument kann die Branche – wie jetzt schon das Baugewerbe – künftige, speziell auf die Entsendeproblematik zugeschnittene Mindestlohn-Tarifverträge auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber erstrecken lassen. Die Möglichkeit einer Mindestlohn-Verordnung auch für das Gebäudereinigerhandwerk entspricht dem Grundsatz der rechtlichen Gleichbehandlung und ist ein zentrales Anliegen der Branche.
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass künftig alle Branchen die Möglichkeit haben, ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden. Anfang 2008 soll dies in einem größeren Gesetzgebungsverfahren erfolgen. Besonders dringend treibt Arbeitsminister Franz Müntefering das Bemühen voran, zehn Branchen, die überwiegend bald von der EU-Dienstleistungsrichtlinie betroffen sind, ins Entsendegesetz aufzunehmen; Fleischwirtschaft und Landwirtschaft sowie Einzelhandel gehören dazu, aber auch Postdienste und Zeitarbeit.
Wir brauchen aber auch eine Regelung für die Bereiche, in denen entsprechende Tarifstrukturen nicht greifen oder tarifliche Mindestlohnregelungen im Sinne des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nicht zustande kommen. Denkbar wäre etwa eine gesetzliche Fixierung der Sittenwidrigkeit von Löhnen.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen: Wer voll arbeitet, soll davon auch leben können. Und: Die ehrlichen und soliden Unternehmen müssen vor Lohndumping der Konkurrenz geschützt werden. Wir werden uns in den kommenden Verhandlungen dafür einsetzen, dass Tarifabschlüsse wie diejenigen der christlichen Gewerkschaften zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig nicht mehr möglich sind.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Beckmeyer