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Frage von Regine B. •

Frage an Uwe Beckmeyer von Regine B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Beckmeyer,

als Mitglied des Deutschen Bundestags werden Sie darüber entscheiden, in welcher Weise Patientenverfügungen gesetzlich geregelt werden. Die Frage, ob die Reichweite von Patientenverfügungen eingeschränkt werden soll, ist dabei von entscheidender Bedeutung.

Als potentiell betroffene Patientin möchte ich für den Fall schwerer Hirnschädigung (z.B. nach einem Schlaganfall bzw. einer Blutung im Gehirn) wirksam Vorsorge treffen können und die Entscheidung über mein Leben und Sterben nicht den Ärzten oder meinem rechtlichen Vertreter überlassen.
Würden Patientenverfügungen nur bei unumkehrbar zum Tode führendem Grundleiden wirksam sein, müßten Ärzte auch gegen den Willen des Patienten Operationen vornehmen, solange es dafür eine medizinische Indikation gibt. Auch bei einer Demenz müßte nach einem Herzstillstand in jedem Fall eine Wiederbelebung durchgeführt werden. Die Risiken der medizinischen Behandlung würden auch dem Patienten, der diese Behandlung im Voraus abgelehnt hat, aufgebürdet.
Sollte der Beginn eines unumkehrbaren Sterbeprozesses Voraussetzung für die Wirksamkeit von Patientenverfügungen werden, wäre auch bei einer langsam zum Tode führenden Krankheit nur für die allerletzte Lebensphase eine wirksame Vorausverfügung möglich.

Der Deutsche Juristentag 2006 hat sich gegen die Einschränkung der Reichweite von Patientenverfügungen ausgesprochen.

Halten Sie die Einschränkung der Reichweite von Patientenverfügungen für sinnvoll?

Mit freundlichem Gruß
Regine Bernstein-Bothe

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Bernstein-Bothe,

viele Menschen machen sich wie Sie Sorgen darüber, was mit ihnen passiert, wenn sie – in welchem Alter auch immer – durch Erkrankung oder Behinderung nicht mehr in der Lage sind, wichtige rechtliche oder medizinische Entscheidungen für sich selbst zu treffen.

Mit einer Patientenverfügung können Menschen Regelungen für den Fall treffen, dass sie etwa durch Unfall oder Krankheit nicht mehr selbst Wünsche für eine medizinische Behandlung äußern können. Umfragen zeigen, dass acht bis 14 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland eine Patientenverfügung verfasst haben. Derartige Erklärungen sind jedoch häufig missverständlich formuliert, so dass ihnen Ärzte nicht folgen und es zu Streit um die Auslegung kommt. Etwa ein Drittel der Befragten ist im Übrigen der irrigen Auffassung, dass Angehörige ohne Weiteres für sie entscheiden könnten.

Vor diesem Hintergrund haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, in dieser Legislaturperiode eine gesetzliche Absicherung der Patientenverfügung zu finden. Die Arbeitsgruppe Rechtspolitik der SPD-Bundestagsfraktion hat Ende November einen Gruppenantrag vorgeschlagen.

Unstrittig ist, dass jede ärztliche Maßnahme der Einwilligung der Patienten bedarf. Eine Patientenverfügung gilt in Situationen, in denen Patienten nicht äußerungsfähig sind (z.B. Koma). Der 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat bestätigt, dass eine Patientenverfügung, die z.B. ein Behandlungsrecht ausspricht, verbindlich ist.

In einer Patientenverfügung können jedoch z.B. auch die Ausschöpfung aller medizinischen Möglichkeiten gefordert oder Therapie- und sonstige Wünsche benannt werden. Idealerweise wird im Rahmen der Patientenverfügung eine Person beauftragt, als Betreuer oder Bevollmächtigter den Patientenwillen zu interpretieren und auf den Akutfall bezogen zur Geltung zu bringen.

Wie Sie fragen sich viele Bürgerinnen und Bürger: Können Patienten unabhängig von der Krankheitsphase, in der sie sich befinden, über den Einsatz lebenserhaltender Maßnahmen bestimmen – oder soll dies nur in Fällen gelten, in denen ein Mensch prognostiziert, dass trotz ärztlicher Maßnahmen der Krankheitsverlauf unumkehrbar zum Tode führt? Die SPD-Fraktion meint: Wer das Selbstbestimmungsrecht ernst nimmt, muss den Patienten für jede Krankheitsphase die Entscheidung über Einleitung, Begrenzung oder Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme überlassen.

Es gibt Vorschläge, dass Ablehnung und Abbruch einer Behandlung grundsätzlich der Genehmigung eines Vormundschaftsgerichtes bedürfen. Die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass ein Vormundschaftsgericht nur in solchen Fällen eingeschaltet werden sollte, wenn zwischen Arzt und Betreuer unterschiedliche Auffassungen über den Patientenwillen bestehen, wobei jeder Dritte die gerichtliche Kontrolle der Vertreterentscheidung erreichen kann, um Missbrauch vorzubeugen.

Bei einer eindeutigen Erklärung der Patienten soll allein der Wille der Betroffenen entscheidend sein. Gibt es jedoch Anhaltspunkte dafür, dass der Patient seine Meinung geändert hat oder bezieht sich die Patientenverfügung nicht auf die eingetretene Behandlungssituation, so hat der Betreuer oder Bevollmächtigte die Entscheidung unter Beachtung des mutmaßlichen Willens des Betreuten zu treffen. Falls keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, kommt dem Lebensschutz Vorrang zu.

Aus Gründen der Rechtssicherheit soll die Patientenverfügung der Schriftform sowie einer Unterschrift bedürfen, aber der Wille eines Patienten ist auch dann verbindlich, wenn er nicht formgerecht erklärt würde.

Der Deutsche Bundestag will erstmals in der kommenden Woche über das Thema beraten. Entscheidend wird sein, dass ein verlässlicher Rechtsrahmen geschaffen wird, der sicherstellt, dass der in einer Patientenverfügung niedergelegte Wille auch tatsächlich beachtet wird.

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Beckmeyer