Frage an Uwe Beckmeyer von Jörg W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beckmeyer,
in Ihrer Antwort auf die Frage von Herrn Stange schreiben Sie:
"1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips:
Das BKA soll bei Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verpflichtet werden, zunächst die Host-Provider zu kontaktieren, damit die Seiten gelöscht werden. Erst wenn das erfolglos bleibt, soll die Seite auf die Sperrliste gesetzt werden dürfen."
Dazu habe ich drei ergänzende Fragen:
1.) Gilt dies auch wenn der Provider im Ausland sitzt? Muss das BKA auch in diesem Fall erst den direkten Kontakt zum Host-Provider suchen? Meines Erachtens ist dies angesichts der heutigen Kommunikationsmittel dem BKA zumutbar.
2.) Wird auch Host-Providern im Ausland ein Widerspruchsrecht eingeräumt, bevor die Sperre aktiv wird?
3.) Falls ein Host-Provider nicht reagiert, wird dann erst versucht, die Seiten über die zuständige Behörde des jeweiligen Landes löschen zu lassen, oder wird sofort gesperrt?
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Wartenberg
Sehr geehrter Herr Wartenberg,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Ich darf dazu einen Passus aus der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages zitieren, die ebendiese Problematik behandelt:
„Eine Aufnahme eines Angebotes in die Sperrliste und die Veranlassung von Maßnahmen durch den Internet-Zugangsvermittler ist nur dann erforderlich und damit verhältnismäßig, wenn dessen Verbreitung auf anderem Wege nicht verhindert werden kann. Gegen Daten, die in Deutschland gespeichert werden, können Behörden direkt Maßnahmen ergreifen. Vor Aufnahme eines in Deutschland ansässigen Angebotes in die Sperrliste, haben die zuständigen Behörden daher die geeigneten Maßnahmen gegen den Inhalt zu ergreifen. In der Regel wird dies auch zu einer weitaus effizienteren Verhinderung der Verbreitung führen.
Angebote aus EU-Mitgliedstaaten unterliegen dem Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie), das in § 3 TMG umgesetzt ist. Deutschland darf deren Dienstleistungsfreiheit nicht ohne Weiteres einschränken. Vielmehr ist es notwendig, dass der betroffene Mitgliedstaat und die Europäische Kommission nach Maßgabe der Art. 3 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie konsultiert werden (§ 3 Abs. 5 TMG). Eine Aufnahme auf die Sperrliste kommt außer in besonderen Dringlichkeitsfällen nach Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie nur in Betracht, wenn ein solches Verfahren erfolglos geblieben ist. Angesichts der EU-Rahmenbeschlüsse im Hinblick auf die Kinderpornographie und die darauf beruhenden harmonisierten Standards kann davon ausgegangen werden, dass die Behörden in den anderen EU-Mitgliedstaaten wirksame Maßnahmen gegen Angebote ergreifen, die von ihrem Hoheitsgebiet aus bereitgehalten werden.
Letztlich werden Angebote, die auf die Sperrliste gelangen, in der Regel solche aus Drittländern außerhalb der EU sein, gegen die deutsche Behörden nicht vorgehen können. Hier ist die Verhinderung des Zugangs durch Access-Blocking oftmals die einzige Möglichkeit, die Verbreitung in Deutschland über das Internet wirksam zu erschweren. Aber auch hier sind unmittelbare Maßnahmen keineswegs vollkommen ausgeschlossen.
Diensteanbieter in solchen Drittländern, die ihr Angebot mit einer zuverlässigen Anbieterkennzeichnung versehen haben, können auch vor Aufnahme in die Sperrliste kontaktiert und auf die in Deutschland verbotenen Inhalte hingewiesen werden sowie darauf, dass sie in eine Sperrliste aufgenommen werden, falls sie diese Inhalte nicht umgehend entfernen. Eine solche Maßnahme kann durchaus im Sinne von Satz 1 Erfolg versprechen, wenn aus dem Angebot ersichtlich wird, dass der betroffene Diensteanbieter nicht vorrangig Kinderpornographie verbreiten will, sondern grundsätzlich andere Ziele verfolgt – etwa weil ein als kinderpornographisch eingestufter Inhalt nur als Teil anderer legaler Inhalte erscheint.
Die Beurteilung, ob Maßnahmen gegenüber dem Diensteanbieter durchführbar sind und im Hinblick auf die Verhinderung der Verbreitung von Kinderpornographie Erfolg versprechen, obliegt dem BKA. Die Entscheidung darüber, ob ein solches Angebot sofort auf die Liste zu nehmen ist oder zunächst die für den polizeilichen Informationsaustausch zuständigen Stellen zu kontaktieren ist, bleibt dabei eine Ermessensentscheidung. Von darüber hinausgehenden Informationspflichten des Bundeskriminalamtes wird abgesehen, um die Möglichkeit unzulässiger Eingriffe in die Hoheitsrechte des jeweiligen Staates auszuschließen. Das völkerrechtliche Gebot der Achtung fremder Gebietshoheit schließt das Tätigwerden auf fremdem Staatsgebiet aus. Darüber hinaus würde eine Maßnahme des BKA gegen einen ausländischen Host-Provider politisch und rechtlich der Bundesregierung zuzurechnen sein Haftungsansprüche würden sich dann unmittelbar gegen die Bundesrepublik Deutschland richten. Hinzu kommt, dass durch eine Information des Bundeskriminalamts an den Diensteanbieter die Ermittlungstätigkeit der ausländischen Ermittlungsbehörden möglicherweise gestört wird.“
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Beckmeyer