Frage an Uwe Barth von Robert W. J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Barth,
die Diskussion um eine mögliche Wahlrechtsreform ist ja nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes neu entbrannt.
Meine Frage dazu lautet, wie Sie respektive Ihre Partei zu einer unumschränkten Einführung des allgemeinen Wahlrechts stehen? Damit meine ich ein Wahlrecht, bei dem alle Bürger eine Stimme haben, die zählt und politisch Gehör findet. Schließlich wird bislang eine große Gruppe (ca. 25 %) des Volkes, von dem laut GG die Staatsgewalt ausgeht, nicht berücksichtigt. Kinder und Jugendliche, die ganz besonders von Entscheidungen der Legislative betroffen sind, haben faktisch keine Stimme, müssen jedoch viele Entscheidungen, die heute getroffen werden, in späteren Jahren "ausbaden". Dies ist meines Erachtens undemokratisch. Wenn Säuglinge Großaktionäre, Kinder und Jugendliche geschäfts- und straffähig sind, warum können sie nicht wahlberechtigt sein?
Vielleicht gibt es ja auch schon Initiativen dazu? Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um dies in die Diskussion einzubringen!
Über eine Stellungnahme Ihrerseits würde ich mich sehr freuen. Mit bestem Gruß,
Robert W. Jahn
Sehr geehrter Herr Jahn,
herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema „Wahlrecht von Geburt an“. Innerhalb der FDP-Bundestagsfraktion gibt es hierzu keine einheitliche Meinung. Deshalb möchte ich Ihnen im Folgenden meine Auffassung dazu darlegen.
Bereits im Juni dieses Jahres habe ich gemeinsam mit Kollegen aus der FDP-Bundestagsfraktion und auch aus anderen Fraktionen einen Antrag (Bundestagsdrucksache 16/9868) in den Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem wir eine Änderung des Grundgesetzes hin zu einem Wahlrecht von Geburt an fordern. Das Wahlrecht spielt eine zentrale Rolle in unserem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat. Das Grundgesetz selbst legt sogar fest, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Dennoch werden rund 20 % des Staatsvolkes, unsere Kinder, von diesem Grundrecht ausgeschlossen. So haben Kinder und Jugendliche keine Möglichkeit, sich am politischen Willensbildungsprozess angemessen zu beteiligen.
Des Weiteren müssen wir berücksichtigen, dass Familien gem. Art. 6 GG unter besonderem staatlichem Schutz stehen. Dennoch haben sich die Lebensverhältnisse der Familien in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Kinder sind heute eines der größten Armutsrisiken in unserer Gesellschaft. Dies gilt in besonderem Maße für Alleinerziehende. Lediglich 24% der Wahlbevölkerung sind Eltern mit minderjährigen Kindern. Ihr Einfluss auf politische Entscheidungen ist mithin relativ gering. Infolge der demografischen Entwicklung wird dieser in Zukunft weiter sinken. Dem können wir mit einem Wahlrecht von Geburt an begegnen und damit die gesellschaftliche Bedeutung der Familien und Kinder erhöhen.
Der o. g. Antrag enthält weitere Punkte, die auch aus meiner Sicht für ein solches Wahlrecht sprechen. Diesen finden Sie im Internet unter
http://drucksachen.bundestag.de/drucksachen/index.php
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Uwe Barth