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Ute Finckh-Krämer
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Frage von Tobias S. •

Frage an Ute Finckh-Krämer von Tobias S.

Sehr geehrte Frau Dr. Finckh-Krämer,

man kann aus meiner Sicht zurecht behaupten, dass die bisherigen Rettungspakete
für Griechenland nichts anderes als eine gigantische Insolvenzverschleppung darstellen und mit Stand 16.07.2015 als gescheitert zu bezeichnen sind.

Alle aktuell diskutierten Reformmaßnahmen hätten in den letzten 5 (!) Jahren doch
effektiv umgesetzt werden können und müssen - statt dessen hat Griechenland munter auf Kosten nicht nur Deutschlands, sondern aller europäischen Partner sich
einer verantwortungsvollen Politik entzogen! Dafür soll es jetzt weitere
Hilfsmaßnahmen geben ??
Insbesondere in den letzten 5 Monaten, nämlich seit der Verlängerung des 2. Hilfsprogramms bis 30.06.2015, sind die Haftungssummen für Deutschland auf folgenden Ebenen enorm angestiegen bzw. haben aus meiner Sicht unfassbare Dimensionen erreicht:

1. ELA-Notkredite auf rd. 90 Mrd. Euro
2. offene TARGET-Salden von vmtl. mehr als 100 Mrd. Euro
3. fällige bzw. anstehende Milliarden-Zahlungen an z.B. IWF, EZB, Rentenzahlungen usw.

Können Sie mit gutem Gewissen gegenüber den Steuerzahlern a) in Ihrem Wahlkreis und b) in der gesamten Bundesrepublik einem Mandat für neue "Verhandlungen" im Deutschen Bundestag am 17.07.2015 zustimmen ? Ab welcher Haftungssumme ist für Sie persönlich die "rote Linie" erreicht ?
Warum kann Griechenland nicht wie Dänemark oder Schweden oder andere Länder mit einer eigenen Landeswährung vollwertiges EU-Mitglied bleiben ? Wo ist hier das Problem ?
Oder ist das damit einhergehende Eingeständnis des politischen Versagens der bisherigen Rettungspolitik das Problem ? Warum behandeln wir Griechenland anders
als andere Euro-Krisenländer, die sich effektiv um Reformen und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit bemühen ?

Ich danke Ihnen vorab für eine öffentliche Stellungnahme hier in diesem Forum.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Tobias Schönebeck

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schönebeck,

herzlichen Dank für Ihre sehr aktuelle Frage. Ich bin aber in der Darstellung der Situation nicht ganz einverstanden mit Ihnen.

Die griechische Staatsverschuldung ist nicht in den letzten sechs Jahren entstanden, sondern in den letzten Jahrzehnten. Die Rettungspakete, die ab 2010 nötig wurden, waren die Folge der Bankenkrise 2008/2009. Durch diese Bankenkrise war es für Griechenland ziemlich schlagartig nicht mehr möglich, sich zu den vorher gewährten Konditionen die - größtenteils für die Ablösung von alten Schulden - notwendigen neuen Kredite zu beschaffen. Es geht also seit 2010 einerseits um ein seit vielen Jahren bestehendes strukturelles Defizit des griechischen Staatshaushaltes, andererseits um den Umgang mit den angehäuften Altschulden.

In Bezug auf das strukturelle Defizit ist einiges geschehen, was sich mittelfristig auswirken wird. Z.B. ist der überhöhte griechische Militärhaushalt deutlich gesunken, die Zahl der Staatsbediensteten verringert worden, Frühpensionierungen für Arbeiter und Angestellte erschwert worden etc. Durch die beiden Rettungspakete (und die Rettungsmaßnahmen für Irland, Portugal, Spanien) ist das Vertrauen in den Euro wieder deutlich gestiegen, was für alle Eurostaaten, die ihre Kredite auf den Finanzmärkten aufnehmen, zu deutlichen Zinssenkungen verglichen mit, sagen wir, 2008 oder 2010 führte. Auch bei einer "Schwarzen Null" müssen ja noch auslaufende Kredite durch neue ersetzt werden. Bei einer jährlichen Kreditaufnahme (nicht netto, sondern brutto!) der Eurostaaten von 3 Billionen Euro bedeutet ein Prozentpunkt Senkung des Zinssatzes eine Ersparnis von 30 Milliarden Euro. Dieses Geld ist letztlich in die diversen Stabilisierungsfonds geflossen bzw. hat im Falle Deutschlands dazu geführt, dass wir einerseits einen erheblichen Teil der dafür notwendigen Bürgschaften übernommen, andererseits aber die "Schwarze Null" früher als geplant erreicht haben.

Auch die EZB erwirtschaftet (unter anderem mit den aufgekauften Staatsanleihen der unterstützten Staaten) erhebliche Gewinne.

Es stimmt, dass die letzten griechischen Regierungen die strukturellen Probleme des Landes nur zögerlich versucht haben zu korrigieren. Es ist auch offen, ob die Regierung Tsipras sich hier wesentlich konsequenter zeigt. Aber die europäischen Institutionen haben in den letzten fünf Jahren auch dazu gelernt. Die diesmal diskutierten Maßnahmen konzentrieren sich mehr auf die Verwaltungsstrukturen in Griechenland und weniger auf Sparmaßnahmen im Haushalt. Auch eine Forderung wie die weitere Kürzung des (für die wirtschaftliche Entwicklung und die soziale Lage der Menschen in Griechenland ja völlig irrelevanten) Militärhaushalts ist erstmals konkret gefordert worden.

Auch wenn Griechenland zur Drachme zurückkehren würde, müsste die EU das Land intensiv weiter unterstützen. Es ist eben nicht wie mit einer Bank oder einer Firma, die nach einer Insolvenz aufgelöst werden kann oder von einem Konkurrenten übernommen wird. In sofern halte ich Peer Steinbrücks Bild mit der Insolvenzverschleppung auch für falsch.

Ich habe auf Grund dieser Überlegungen heute dafür gestimmt, dass die EU Verhandlungen über das von Sonntag auf Montag ausgehandelte Maßnahmen- und Kreditpaket aufnehmen darf und Griechenland eine Übergangsfinanzierung für die nächsten Monate bereitstellen darf.

Sicher hätte es unter einer SPD-geführten Regierung andere Akzente in den Verhandlungen gegeben. In sofern habe ich aus meiner Sicht für einen Kompromiss mit meinen eigenen Überzeugungen gestimmt und will mich heute noch nicht darauf festlegen, was ich in vier oder fünf Wochen bei der Abstimmung über das konkrete Verhandlungsergebnis machen werde.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Finckh-Krämer