Frage an Ute Finckh-Krämer von Martina H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau MdB,
Warum haben die großen Parteien heute nur noch halb so viele Mitglieder wie vor 20 Jahren. Warum engagieren sich immer weniger Bürgerinnen in den Parteien?
Meiner Meinung nach, weil die Parteien eine doppelte Moral haben: Beim Gegner wird laut schreiend kritisiert, was man selber macht.
Beispiel 1: Als BK hat Schröder den Bau der Gasleitung Nordstream unterstützt, nach seiner Abwahl wurde er in der russischen Firma Aufsichtsrat.
SPD Verheugen, hat gleich nach seinem Ausscheiden als Kommissar sein Wissen als Lobbyist verwendet. (Sehr geehrte Frau Dr. Finckh-Krämer, damit Sie nicht wieder, wie so oft, schreiben können, darüber wissen Sie nichts, hier ein Link: https://lobbypedia.de/wiki/G%C3%BCnter_Verheugen )
Es gibt mehr Beispiele ….aber Platzmangel.
In den Fällen schweigen alle in der SPD. Wenn aber z.B. CDU-Pofalla aus dem Kanzleramt zur DB geht, großes Geschreie bei der SPD.
Bitte Ihr Kommentar.
Beispiel 2:
SPD Stegner ruft dazu auf, Personal der AFD zu attackieren.
http://www.epochtimes.de/politik/deutschland/wegen-aufruf-zur-gewalt-durch-spd-vize-stegner-afd-hamburg-stellt-strafanzeige-a1332608.html
Sicherlich eine (geschickt?) zweideutig formulierte Aussage.
Schulz nennt die AFD eine Schande, und rückt sie in die Nähe von Nazis.
https://www.derwesten.de/politik/martin-schulz-nennt-afd-schande-fuer-die-bundesrepublik-id210845213.html
Schweigen bei allen großen Parteien (und Presse), das ist wohl für sie OK.
Wenn aber Gauland Ösoguz „entsorgen“ will, großes Geschrei bei der SPD und Staatsfernsehen.
Ich meine, respektvoll wird in keinem der o.g. Fall mit dem politische Gegner umgegangen. Aber bei der SPD auch wieder doppelte Moral: Andere beleidigen, selber aber (schein)empört sein. Was sagen Sie dazu?
Übrigens: Wenn die SPD der ehrlichen Meinung ist, die AFD ist antidemokratisch, warum geht sie nicht zum Verfassungsgericht? Weil es die Lage weder politisch noch juristisch hergibt?
Wie sehen Sie das?
Sehr geehrte Frau H.,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Wenn Sie meine Webseite ansehen, werden Sie feststellen, dass ich sehr deutlich sage, wofür ich stehe und Positionen kritisiere, die ich für falsch halte, aber nie jemanden persönlich angreife. Ich habe seit meiner Wahl in den Bundestag vor knapp vier Jahren viele Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen kennengelernt, die das genauso machen. Für die Medien ist das allerdings leider meistens uninteressant. Sie zitieren am liebsten die, die am provokativsten formulieren. Und dazu gehören auch Formulierungen wie der von Ihnen zitierte Tweet von Ralf Stegner. Allerdings kenne ich Ralf Stegner persönlich und weiß, dass er das Wort attackieren nicht als physischen Angriff gemeint hat. Er ist damit im Einklang mit dem Duden, der als eine der Bedeutungen von attackieren angibt: "scharf kritisieren, gegen jemanden, etwas zu Felde ziehen" (www.duden.de/rechtschreibung/attackieren). Beim Wort "entsorgen" kommt es auf den Kontext an. Es ist etwas anderes, ob man Begriffe auf eine Organisation oder eine politische Forderung anwendet oder auf eine Person. Herr Gauland hat vom Kontext seiner Rede her eine in Hamburg geborene deutsche Staatsbürgerin in ein anderes Land ausweisen wollen. Das ist grundgesetzwidrig, und das weiß er als langjähriger Politiker auch.
Es ist leider eine Tatsache, dass es in der AfD Menschen gibt, die Nazi-Vokabular verwenden. Ich selber verwende selten Ausdrücke wie "Schande", habe aber großes Mitgefühl mit denen, die von bestimmten AfD-Politikern pauschal oder persönlich angegriffen und diffamiert werden und kann daher die Wortwahl von Martin Schulz nachvollziehen.
Es stimmt im Übrigen nicht, dass die SPD (wenn Sie damit die aktiven Mitglieder meiner Partei meinen und nicht die Beschlüsse offizieller Gremien) zum Wechsel eigener Politiker in Wirtschaftsämter schweigt. Der ehemalige Ministerpräsident von NRW und Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement wurde für sein Aufsichtsratsmandat bei einer RWE-Tochterfirma aus der SPD heraus öffentlich so scharf kritisiert, dass er schließlich sein Parteibuch zurückgab. Aktuell wird - auch öffentlich - kontrovers über das mögliche Aufsichtsratsmandat von Ex-Kanzler Gerhard Schröder bei Rosneft diskutiert.
Die Regeln für das Verbot einer Partei sind zu Recht sehr eng gefasst. In Artikel 22 (2) GG heißt es: "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig." Die AfD ist trotz eines deutlichen Rechtsrucks seit ihrer Gründung nach wie vor eine sehr inhomogene Partei. Es reicht für ein Parteienverbot nach Artikel 22 (2) GG nicht, dass eine Partei Mitglieder oder Funktionsträger hat, die antidemokratische Positionen vertreten - die Gesamtausrichtung der Partei einschließlich ihres Parteiprogramms muss auf die Abschaffung unseres demokratischen Systems ausgerichtet sein. Das ist - zum Glück - bisher bei der AfD nicht der Fall. Und auch ihre Wählerinnen und Wähler haben sehr verschiedene Motive, diese Partei zu wählen. Abgesehen davon halte ich Verbote immer für das letzte Mittel des Rechtsstaats, dessen Einsatz möglichst vermieden werden sollte. Ich versuche daher auch bei Personen, die mich am Infostand oder über Facebook mit Positionen konfrontieren, die von der AfD vertreten werden, sachlich meine Gegenargumente darzustellen. Ausgrenzung führt oft zu weiterer Radikalisierung, und die wünsche ich unserer Demokratie nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Finckh-Krämer