Bild Ute Finckh-Krämer
Ute Finckh-Krämer
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ute Finckh-Krämer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Gerd J. •

Frage an Ute Finckh-Krämer von Gerd J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Frau Dr. Finck-Krämer,

durch das falsche und zögerliche Handeln der CDU/SPD-Regierung haben wir nun die ungünstigste Situation: Es findet praktisch eine unkontrollierte Zuwanderung nach Deutschland statt.

1. In der FAZ vom 26. Aug. 15 fordert der Serbische Ministerpräsident:“ Deutschland soll die Bezüge für Flüchtlinge senken“. Weiter, „Ein Flüchtling erhält in D 560 E im Monat, …In Serbien beträgt der Durchschnittsverdienst nur 400 E“. Im Morgenmagazin sagte ein syrischer Flüchtling auf die Frage, warum so viele nach Deutschland kommen, „Jedes Kind weiß, dass es dort am meisten gibt“. Frage: Deutschland steht – wieder einmal - fast isoliert in Europa. Meinen Sie nicht auch, dass die im internationalen Vergleich großzügige Hilfe in D geradezu Menschen verführt, ihre Heimat zu verlassen und nach D zu kommen? Arbeitet man damit nicht gerade Schleppern in die Hand?

2. Es fällt auf, dass sehr viele junge Männer unter den Flüchtlingen sind (gerade aus Afrika), laut SZ v. 24. Aug. 15, sind 70% (!) Männer. Gerade die, die am meisten Schutz benötigen, Frauen u. Kinder, kommen am wenigsten. Da stimmt doch etwas nicht! Frage: Wie erklären Sie das? Kann es vielleicht doch sein, dass viele Familien ihre Söhne nach D schicken, um Arbeit zu finden, sind also keine echten Flüchtlinge?

3. Im vergangenen Jahr wurden von 130.000 Asylanträgen nur 40.000 positiv beschieden, ca. 30%. http://www.welt.de/politik/deutschland/article136479315/So-unterschiedlich-bewerten-die-Laender-Asylantraege.html Das merkwürdige: Selbst abgelehnte Asylbewerber bekommen weiter Sozialhilfe. Im SPIEGEL 35 berichtet ein Asylant, der trotz abgelehnten Asylantrags weiter 15 Monate in D lebte:“ Wir lebten wie in Amerika…Um die 900 Euro pro Monat Taschengeld, dazu Nahrung und Hygieneartikel umsonst“. Frage: Wundert es Sie nicht, dass abgelehnte Asylbewerber weiter in D bleiben u. echten Flüchtlingen die Plätze wegnehmen?

Meinen Sie nicht, es sollte sich was ändern? Was unternehmen Sie?
mfg

Bild Ute Finckh-Krämer
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Jürdens,

herzlichen Dank für Ihre Fragen. Sie geben mir die Gelegenheit, einiges geradezurücken, was in der öffentlichen Diskussion derzeit durcheinander geht.

Zunächst einmal hinkt der Vergleich zwischen serbischen Gehältern und deutschen Zahlungen an Flüchtlinge. Denn in Serbien sind z.B. die Mieten sehr viel niedriger als hier, öffentliche Verkehrsmittel kosten viel weniger und Dienstleistungen wie Haare schneiden auch. Wer hier in einer Sammelunterkunft wohnt erhält Unterkunft und Verpflegung als Sachleistung und zusätzlich nur ein Taschengeld. Davon müssen Fahrkarten, Telefonkosten, persönliche Hygieneartikel etc. bestritten werden - zu deutschen, nicht zu serbischen Preisen.

Es trifft vermutlich zu, dass aus Afrika derzeit vor allem junge Männer den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu uns nehmen. Das liegt daran, dass in Afrika viele junge Männer ihre Heimat verlassen, weil sie Geld für ihre Eltern und Familien verdienen wollen und das im eigenen Land nicht können. Bis vor vier Jahren haben viele von ihnen in Libyen als Gastarbeiter gearbeitet. Das ist durch den Bürgerkrieg dort unmöglich geworden. Also nehmen sie einen weiteren und gefährlicheren Weg. Mal ganz ehrlich: was hätten Sie als junger Mann gemacht, wenn ihre Familie kein Geld für Medikamente gehabt und bei einer schlechten Ernte gehungert hätte?

Dass es abgelehnte Asylbewerber gibt, die im Land bleiben und Sozialleistungen erhalten, liegt daran, dass viel zu lange auch diejenigen ins Asylverfahren gedrängt wurden, die eindeutig als Kriegsflüchtlinge unter dem Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention stehen. Das betrifft insbesondere Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Da sie meistens keine individuelle politische Verfolgung geltend machen können, nach Genfer Flüchtlingskonvention hier aber den Anspruch auf Schutz haben, gehen sie in die Statistik als "abgelehnte Asylbewerber, die im Land bleiben" ein. Dazu kommen Menschen, die aus humanitären Gründen zumindest eine Zeit lang nicht in ihr Herkunftsland zurück können - etwa Schwangere, Kranke oder Familien mit mehreren kleinen Kindern.

Dass derzeit so viele Menschen nach Deutschland kommen, hat nach meiner Einschätzung mehr mit unserer guten wirtschaftlichen Situation zu tun als mit den Leistungen für Flüchtlinge. Auch in Afrika ist bekannt, wie hoch derzeit die Arbeitslosigkeit in Spanien oder Italien ist, wo es vor einigen Jahren viele Flüchtlinge aus Afrika gab, die sich darum bemühten, Geld für ihre Familien zu verdienen. Bei denjenigen, die vom Balkan kommen, spielt vermutlich eine Rolle, dass viele von ihnen Verwandte in Deutschland haben, die z.T. schon vor Jahrzehnten als Gastarbeiter hergekommen sind.

Einig sind wir uns vermutlich darin, dass es keinen Sinn macht, wenn junge Männer aus Balkanländern hierher kommen und denken, dass "Asyl" ein Zugangsweg zum deutschen Arbeitsmarkt ist und dann - um einiges ärmer - in ihre Herkunftsländer zurückreisen müssen (oder abgeschoben werden). Aus meiner Sicht ist daher Folgendes notwendig (und dafür trete ich innerhalb meiner Fraktion auch ein):

Herausnahme aller Flüchtlinge aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten aus dem Asylverfahren (dann reichen die Prüf-Kapazitäten auch wieder für die zeitnahe Prüfung der Anträge aus Ländern aus, in denen kein Krieg oder Bürgerkrieg herrscht).

Differenziertere Statistik in Bezug auf die Gründe, aus denen Menschen hier ein Bleiberecht gewährt wird, damit Kriegsflüchtlinge nicht mehr als "abgelehnte Asylbewerber" interpretiert werden.

Umfassende Informationen in den Balkanländern darüber, dass es keinen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt über das Asylrecht gibt, dafür aber Mangelberufe, für die vom Heimatland aus mit Aussicht auf Erfolg Anträge auf eine Arbeits- und damit Zuzugserlaubnis nach Deutschland gestellt werden kann.

Nächste Woche ist eine Delegation von Parlamentariern aus Serbien zu Gast im Bundestag. Da wird die Frage, wie die Zahl derer, die aus Serbien nach Deutschland kommen und Asyl beantragen, ohne in Serbien politisch verfolgt zu sein (was dort zum Glück nur noch selten vorkommt) reduziert werden kann, ein wichtiges Thema sein. Ich werde an den Gesprächen mit der Parlamentariergruppe zu diesem Thema teilnehmen.

Bei Medienzitaten bin ich inzwischen mit der Bewertung sehr vorsichtig. Ich habe zu oft erlebt, dass Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen oder nicht muttersprachlich deutschen Menschen Dinge in den Mund gelegt wurden, die sie nicht gesagt oder zumindest nicht gemeint hatten.

Mit freundlichen Grüßen
Ute Finckh-Krämer