Frage an Uta Zapf von Thomas M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Hallo Frau Zapf,
Sie schreiben in Ihrer Antwort vom 08.09 an Herrn Stern:" Die Motive der russischen Politik sind regionaler Machtpolitik geschuldet und folgen einem Denken, das wir in Europa schon überwunden glaubten."
Wieso stehen dann europäische Truppen im Irak, in Afghanistan, im Kosovo etc. ?
Weiterhin schreiben Sie:" Russland hat darauf ohne Zweifel unverhältnismäßig reagiert, sowohl militärisch wie politisch, und muss dafür kritisiert werden."
Halten Sie das Vorgehen der NATO während des Kosovokrieges für gerechtfertigt?
Zur Erinnerung:
Das Bombardament Serbiens dauerte ca. 2,5 Monate (24.03.99-10.06.99) (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Kosovo-Krieg#Ausbruch_und_Verlauf_des_Krieges ).
Es wurden ca. 10 Tonnen abgereichertes Uran verschossen (s. http://www.nato.int/du/docu/d010124a.htm )
Zwischen 5000-10000 Menschen wurden getötet (5000 serbische Soldaten laut NATO und ICTY, 5000 serbische Zivilisten laut serbischer Regierung; s. http://de.wikipedia.org/wiki/Kosovokrieg#Ausbruch_und_Verlauf_des_Krieges ).
Zahlreiche Landminen sowie nichtexplodierte Munition von Clusterbomben der NATO blieben zurück (s. http://www.icrc.org/Web/eng/siteeng0.nsf/htmlall/explosive-remnants-of-war-brochure-311201/$File/ICRC_002_0780.pdf#search=%22%22cluster%20bombs%22%20site%3Awww.icrc.org%22 )
(s. http://www.landmineaction.org/resources/Cluster_Bombs.pdf )
, usw., usw.
Sie schreiben weiterhin: "Georgien hat die Bevölkerung in Südossetien und Abchasien nicht in einer vergleichbaren Weise bedroht."
Ist für Sie ein nächtlicher Angriff mit Artillerie auf Zivilisten während der olympischen Spiele keine Bedrohung? (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Kaukasus-Konflikt_2008#Georgische_Offensive )
Ich wette, dass sehen die Bewohner Zchinwalis anders.
Dies soll keine Entschuldigung für Russland sein, jedoch ist die Doppelmoral der meisten "westlichen" Politiker erstaunlich (freundlich ausgedrückt).
Mit freundlichen Grüssen
Thomas Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
ich würde Sie bitten, das nächste mal meinen Brief im Zusammenhang zu lesen, dann würden zumindest einige Ihrer Fragen wegfallen.
Europäische, und damit auch deutsche Soldaten, stehen im Afghanistan und im Kosovo, weil sie schwierige zivile Aufbauprozesse durch ihre Stabilisierungswirkung unterstützen sollen. Das politische Ziel, das wir damit verfolgen, ist der Aufbau von stabilen Gesellschaften.
Die nationalistische „großserbische“ Politik von Milosewic zielte letztendlich auf die Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus ihrer Heimat. Als absehbar war, dass diese Vertreibungspolitik durchgeführt werden soll, haben wir uns entschlossen, die serbische Politik zu stoppen. Damit wollten wir verhindern, dass auf dem Balkan sich bürgerkriegsähnliche Zustände perpetuieren, und eine Entwicklung fördern, die die gesamte Region an die Europäische Union heranführt. Im Kosovo handelte es sich eben nicht um einen „gefrorenen Konflikt“, wie in Georgien, sondern um eine akute Krise. Zudem stand dahinter nicht die Absicht systematischer Vertreibung, wie beim Milosevic-Regime. Ich habe in meinem Schreiben an Herrn Stern die Politik Georgiens und den Bruch des Waffenstillstandes sehr wohl kritisiert, wie Sie sicher bemerkt haben.
Im Falle des Kosovo bieten wir langfristig eine Integration in die Europäische Union an. Dies hat die EU für den gesamten westlichen Balkan, also auch für Serbien, getan. Ich halte diese Integration für notwendig, um aus dem jetzigen prekären Zustand einen stabilen Frieden zu entwickeln.
In Afghanistan geht es darum, nach der Entmachtung der Taliban, zu verhindern, dass dort wieder ein Rückzugsgebiet für Terroristen entsteht und keine terroristischen Anschläge geplant werden können. Das ist ein schwieriger und langer Prozess, den wir durch Unterstützung des zivilen Wiederaufbaus, von demokratischen Institutionen und durch zahlreiche Projekte von der Gemeinde- bis zur gesamtstaatlichen Ebene fördern wollen.
Diese politischen Interessen und Motive sind anders gelagert als die russischen. Wir hoffen, durch einen Dialog mit Russland, Russland davon zu überzeugen, dass regionale Machtpolitik in Europa keine Zukunft und keine Funktion mehr hat.
Am Irak-Krieg ist Deutschland nicht beteiligt, weil Gerhard Schröder und die rot-grüne Bundesregierung dies abgelehnt haben. Wir wollen uns dort auch weiterhin militärisch nicht engagieren.
Deutschland hat sich intensiv an den Verhandlungen zum Verbot von Anti-Personenminen beteiligt. Wir unterstützen weltweit Minenräummaßnahmen. Ebenso waren wir sehr engagiert bei den Verhandlungen zu einem Verbot von Streumunition, auf das sich die verhandelnden Staaten im Mai dieses Jahres in Dublin geeinigt haben. Wir als SPD-Fraktion wollen uns dafür einsetzen, dass das Verbot möglichst schnell völkerrechtlich verbindlich wird. Panzerbrechende Uranmunition hat die Bundeswehr nicht im Bestand. Ich bin gegen den Einsatz solcher Munition. Deutschland hat jedoch keinen Einfluss, ob andere Staaten diese Munition einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Zapf