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Frage von Beate H. •

Frage an Uta Zapf von Beate H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Zapf, wie ich der Tagespresse entnehmen konnte gibt es Planungen, die Diäten erneut anzuheben, obgleich sie erst im November erhöht wurden.
Werden Sie zustimmen?
Ich bin geneigt zu glauben, dass viele Politiker wirklich Berufspolitiker sind mit verloren gegangenem Realitätsbezug. Ich erhalte seit 6 Jahren das gleiche Gehalt - nämlich 2.100 brutto pro Monat - und jetzt ist meine Firma insolvent und das Arbeitsamt möchte mich in eine Stelle vermitteln, die 20% geringer bezahlt wird.
Wenn ich dann lese, dass Abgeordnete sich innerhalb weniger Monate zum zweiten Mal ihre Diäten erhöhen fehlt es mir an jeglichem Verständnis dafür. Matthias Kurth begründete früher seine Zustimmung zur Diätenerhöhung im Landtag immer mit dem erforderlichen Inflationsausgleich.
Frau Zapf, die Bürger hätten wahrlich auch gerne mal einen Inflationsausgleich.
Freundliche Grüße
Beate Heinlein

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Heinlein,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 6. Mai 2008.

Ich kann Ihre Aufregung anlässlich der Anpassung der Abgeordnetendiäten aufgrund der letzten Tariferhöhung im öffentlichen Dienst nachvollziehen. Daher möchte ich Ihnen im Folgenden die Sachlage darstellen und das Dilemma erläutern, in dem wir uns als Abgeordnete befinden. Abgeordnete haben nach Artikel 48 Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung ("Diät"). Die Diäten oder wie es im Grundgesetz heißt die "Entschädigung" der Abgeordneten sind eine demokratische Errungenschaft. Niemand sollte in die Politik gehen, nur um Geld zu verdienen. Es darf aber auch nicht sein, dass nur diejenigen in die Politik gehen, die es sich finanziell leisten können. Wir brauchen daher eine angemessene Abgeordnetenentschädigung.

Was angemessen ist, ist in der Öffentlichkeit ein kontrovers diskutiertes Thema. Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen 150.000 und 250.000 Bürger in ihrem Wahlkreis repräsentieren und vertreten sollen? Was ist angemessen für Abgeordnete, die die Auslandseinsätze deutscher Soldaten zu beschließen (Kosovo, Afghanistan) oder abzulehnen haben (Irak)? Was ist angemessen für Abgeordnete, die über die Zukunft unserer sozialen Sicherungssysteme zu entscheiden haben? Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen Staatsverschuldung und Haushaltskonsolidierung zu entscheiden haben? Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schreiben vor, dass die Höhe der Entschädigung durch Gesetz festgelegt werden muss. Die Übertragung der Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an eine unabhängige Kommission oder die automatische Anpassung der Entschädigung ist daher ausgeschlossen. Der Bundestag und damit die Abgeordneten selbst müssen entscheiden.

Selbst über die Höhe des eigenen Einkommens zu entscheiden, ist nicht einfach. Nicht zuletzt deshalb hat es in den vergangenen 30 Jahren 13 Nullrunden für die Abgeordneten gegeben. Das Ergebnis dieser Nullrunden ist eine relative Absenkung der Entschädigung der Abgeordneten. Dies kann auch nicht richtig sein. Der Bundestag hat daher schon im Jahr 1993 festgelegt, dass die Diäten schrittweise auf die Besoldungshöhe B6 bzw. R6 angeglichen werden soll. Dies wurde 2007 bei der Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung bestätigt. Die Entschädigung der Abgeordneten soll sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaber mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren. Als Richtgröße sollen die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern gelten. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6.

Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R6. Um die Abgeordnetenentschädigung auf diese Vergütung anzuheben wurde entschieden, die Entschädigung in zwei Schritten anzuheben: Zum 1. Januar 2008 wurde die Abgeordnetenentschädigung um 330 Euro auf 7.339 Euro und zum 1. Januar 2009 um 329 Euro auf 7.668 Euro angehoben. Das entspricht dem Stand von R6 im Jahr 2007. Zugleich wurde die Steigerungsrate für die Altersversorgung von 3 auf 2,5 Prozent pro Mandatsjahr abgesenkt. Während früher ein Abgeordneter nach 8 Mandatsjahren bereits 35 Prozent der Abgeordnetenentschädigung als Altersversorgung erhielt, waren es nach 1995 nur 24 Prozent, seit 2008 sind es nur noch 20 Prozent.

Nun haben die Tarifpartner im April 2008 einen Tarifabschluss erreicht, mit dem die Gehälter im öffentlichen Dienst in 2008 um 50 Euro zuzüglich 3,1 Prozent und in 2009 um weitere 2,8 Prozent steigen. Diese Erhöhung ist gerechtfertigt, denn nach Jahren der Lohnzurückhaltung können damit endlich auch die Arbeitnehmer an der guten wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben. Es ist daher auch richtig, dass der Tarifabschluss auf die Beamten und Pensionäre des Bundes übertragen und damit deren Bezüge entsprechend erhöht werden. Damit kommt es nun aber zum ersten Mal zu einer Anpassung, wie sie in 2007 bei der Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung vorgesehen wurde. Denn mit der Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamten steigt auch die Besoldung eines Bürgermeisters einer kleinen Stadt mit B6 bzw. die Besoldung eines einfachen Bundesrichters mit R6. Die jetzt vorgesehene Anpassung der Abgeordnetenentschädigung vollzieht dieses Ergebnis nach. Damit steigt die Abgeordnetenentschädigung zum 1. Januar 2009 um weitere 278 Euro (3,63 Prozent) auf 7.946 Euro und zum 1. Januar 2010 um 213 Euro (2,68 Prozent) auf 8.159 Euro. Das entspricht dem Tarifabschluss von Verdi für den öffentlichen Dienst. Im Ergebnis wird die Abgeordnetenentschädigung zum 1. Januar 2010 genau dem dann erhöhten Niveau von B6 bzw. R6 entsprechen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Allerdings: Die Anpassung erfolgt zeitlich versetzt um ein Jahr später als bei den Beamten. Auch wird die von Verdi für 2009 erreichte Einmalzahlung von 225 Euro nicht berücksichtigt.

Übrigens: Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung müssen die Abgeordneten ihre Diäten voll versteuern und die Abgeordneten erhalten auch keine jährlichen Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder ein 13. Monatsgehalt. Dabei wird es auch bleiben. Gleichwohl ist festzustellen: Dies ist eine ordentliche Anpassung der Abgeordnetenentschädigung. Die Anpassung orientiert sich jedoch an einem klaren, nachvollziehbarem Maßstab: Die Entschädigung steigt nur dann, wenn sich die Vergütung vergleichbarer Bürgermeister und Bundesrichter ändert. Dies gilt übrigens für die Zukunft auch dann, wenn Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst ausbleiben. Dann kann es selbstverständlich auch keine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung geben. Ich habe die Hoffnung, dass es mit diesen Hinweisen zu einer Versachlichung der Debatte kommt. Die Erhöhung vollzieht also nur, was im 2007 beschlossenen Gesetz steht.

Am Schluss möchte ich Ihnen meine persönliche Stellungnahme mitteilen: Auch wenn hier nur ein Gesetz vollzogen wird, ist es politisch unklug und überflüssig, nach einer gerade erfolgten Anpassung eine zweite folgen zu lassen. Wir hätten bis 2010 warten und dann eine erneute Anpassung beraten können. Schließlich haben wir das schon 13-Mal getan!

Mit freundlichen Grüßen
Uta Zapf