Frage an Uta Zapf von Mathias R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr verehrte Frau Zapf,
mit Entsetzen durfte ich hier feststellen, dass Sie für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt haben. Sind Ihnen die vielen Demonstrationen und Bedenken von Rechtsexperten denn entgangen? Zuletzt gingen Tausende in über 40 verschiedenen Städten dagegen demonstrieren bzw. haben Mahnwachen aufgebaut.
Mit diesem Gesetz ist ein weiterer Schritt weg von der Demokratie, hin zum Überwachungsstaat, vollbracht worden. Die falschen Leute können mit diesem Gesetz und anderen geplanten und auch schon längst etablierten Gesetzen, eine Diktatur und Überwachung durchsetzen, die unser Land schon zu genüge kennen sollte.
Ich wünsche von daher eine Stellungnahme von Ihnen, die meine Bedenken berücksichtigt. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Rabe,
In den letzten Wochen haben wir sehr viele (direkte) Zuschriften zum Thema Vorratsdatenspeicherung erhalten und diese Briefe alle beantwortet.
Ich gebe Ihnen deshalb hier die Antwort, die so oder in ähnlicher Form auch in meinen anderen Antwortbriefen zu finden ist.
Ich nehme Ihre Sorgen um die Vorratsdatenspeicherung sehr ernst. Die Novelle zum Telekommunikationsüberwachungsrecht, die der Bundestag am 9. November beschlossen hat, setzt die EU-Richtlinie zur sog. „Vorratsdatenspeicherung“ in deutsches Recht um. Da die aktuellen Regelungen mit diesem Jahr enden, muss zwingend eine neue Gesetzesgrundlage zum 1. Januar 2008 verabschiedet sein. Ziel der Novelle ist es, die verfassungsrechtlich gebotene effektive Strafverfolgung so grundrechtsschonend wie möglich zu gewährleisten.
Inhalt der Novelle ist es, dass Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten entsprechend der EU-Richtlinie sechs Monate speichern müssen; schon nach geltendem Recht geschieht dies bisher bereits aus geschäftlichen Gründen für eine Dauer von drei bis sechs Monaten. Derzeit wird auch über die anfallenden Kosten der Datenspeicherung diskutiert. Hier gehen die Meinungen über den Umfang und die Verantwortlichkeit weit auseinander.
Zu den Telekommunikationsverbindungsdaten gehören neben Telefonverbindungen auch solche Verbindungsdaten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das Telekommunikationsunternehmen lediglich, dass eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP) zu einem bestimmten Zeitpunkt online war, nicht dagegen, welche Seiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hat; gleiches gilt auch bei der Internettelefonie. Neu hinzu kommt nur, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort (angewählte Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird.
Es erfolgt kein Zugriff auf Inhalte von Gesprächen oder E-Mails. Auch weiterhin werden die Verbindungsdaten nur bei den Unternehmen gespeichert. Ein Zugriff ist für Polizei und Staatsanwaltschaft nur auf richterlichen Beschluss möglich. In diesem legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln darf. Ebenfalls diskutiert und oftmals mit der Novelle verwechselt wird die Maßnahme zur Online-Überwachung, die das inhaltliche Ausspähen von Daten auf PCs unter bestimmten Bedingungen erlauben soll. Dies lehnt die SPD ab.
Die Novelle zum Telekommunikationsrecht sieht zudem grundsätzlich vor, dass eine Telefonüberwachung künftig nur noch bei schweren Straftaten zulässig sein wird, die im Höchstmaß mit mindestens fünf Jahren Haft bedroht sind. Ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen, ist eine Telefonüberwachung von vornherein verboten. Hier wird es Aufgabe der parlamentarischen Kontrollgremien sein, eine rechtsstaatliche Durchführung zu gewährleisten und Missbrauch zu verhindern.
Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt sowohl ihre Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung als auch ihre Verpflichtung für Bürgerrechte ernst. Sie hat ihren Vorbehalt gegen die EU-Regelung zur „Vorratsdatenspeicherung“ erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen zufriedenstellenden Kompromiss erzielt hat, dem letztlich auch das Europäische Parlament zustimmte. Der deutschen Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die „Vorratsdatenspeicherung“ auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist.
Dabei hatten die Initiatoren der „Vorratsdatenspeicherung“ auf EU-Ebene mit den anfänglichen Entwürfen weitergehendes vorgesehen: So sollte die Mindestspeicherfrist zwölf Monate betragen. Durch lange und intensive Verhandlung ist erreicht worden, dass es jetzt nur noch sechs Monate sind. In der Praxis bedeutet das, dass die Unternehmen, die die relevanten Daten heute bereits für erhebliche Zeiträume zu geschäftlichen Zwecken aufbewahren, keine wesentlich längeren Speicherungen vornehmen müssen als bisher.
Vor diesem Hintergrund habe ich der Gesetzesvorlage zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Zapf