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Frage von Detlev B. •

Frage an Uta Zapf von Detlev B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Frau Zapf,

der Bundestag hat vor Monaten mit großer Mehrheit dem Lissabon-Vertrag zugestimmt, ohne daß die Bevölkerung hierzu befragt wurde. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte kaum keinerlei Bedenken. Zitat von der Homepage des Auswärtigen Amtes: Das Bundesverfassungsgericht hatte am 30. Juni 2009 entschieden, dass der Vertrag von Lissabon mit der deutschen Verfassung vereinbar ist. Die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat mussten aber noch gestärkt werden. Dazu wurde das so genannte "Begleitgesetz" neu gefasst. Am 8. September wurde das Gesetz in 2. und 3. Lesung vom Deutschen Bundestag beschlossen. Der Bundesrat stimmte am 18. September dem Gesetz zu. Durch das Grundgesetz wird die Unversehrtheit auf Leben garantiert, d.h. in Deutschland wie auch in vielen anderen europäischen Ländern wurde z.B. die Todesstrafe abgeschafft. Wie kann es aber sein, daß im Lissabon-Vertrag vorgesehen ist, z.B. bei Aufständen innerhalb des EU-Gebietes, die Todesstrafe wieder einführen zu können ? Warum wurde dem Lissabon-Vertrag zugestimmt, obwohl dieser scheinbar doch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist ? Oder ist man der Meinung gewesen, daß solche Fälle niemals eintreten und hat es somit einfach mal akzeptiert ? Oder wurde vielleicht von den Abgeordneten das "Kleingedruckte" nicht gelesen ? Ferner garantiert das Grundgesetz das Recht auf Widerstand (Widerstandsparagraph). Kann es etwa sein, daß die EU damit das Recht auf Widerstand bewußt einschränken kann, damit ein deutscher Staatsbürger, der der Meinung ist, die Demokratie sei in Gefahr, keine Handlungsmöglichkeit hat bzw. der Widerstand extremst erschwert wird ? Ist es außerdem zutreffend, daß es eine spezielle, europaweite Eingreiftruppe gibt, die dann eingesetzt wird, um drohende Aufstände (Widerstand ?) niederzuschlagen ?

Mit freundlichen Grüßen
Detlev Bock

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Bock,

Sie äußern in Ihrer Frage an mich die Vermutung, der Vertrag von Lissabon lasse die Wiedereinführung der Todesstrafe zu. Diese Einschätzung ist rechtlich nicht haltbar und widerspricht den Grundüberzeugungen der Europa bildenden und gestaltenden Mitgliedsstaaten, die die Todesstrafe alle abgeschafft haben.

Der Verdacht, die EU wolle die Wiedereinführung der Todesstrafe ermöglichen, beruht auf dem - rechtlich nicht bindenden - 6. Zusatzprotokoll zur Charta der Grundrechte. In der bereinigten Fassung von 1983 heißt es dort:

„Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden.“ (Art. 1) „Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden.“ (Art. 2)

Deutschland und alle anderen Mitgliedstaaten haben inzwischen bereits das 13. Zusatzprotokoll von 2002 unterschrieben und auch - bis auf Italien, Spanien, Polen und Lettland - ratifiziert. Dieses aktuellere Zusatzprotokoll verbietet die Todesstrafe in Friedens- und in Kriegszeiten.

Darüber hinaus ergibt sich das Verbot der Todesstrafe aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die in Art. 6 Abs. 1 des Lissabon-Vertrages anerkannt wird. Art. 2 der Grundrechtecharta lautet:

„Recht auf Leben
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.
(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.“

Inhalt der Grundrechtecharta ist außerdem das „Günstigkeitsprinzip“ (Art. 53 der Charta), welches besagt, dass der Grundrechtsschutz der Charta nie niedriger sein darf als der anderer gültiger Rechtsnormen, insbesondere der Verfassungen der Mitgliedstaaten.

Der Lissabon-Vertrag lässt also keineswegs die Wiedereinführung der Todesstrafe zu. Ihre übrigen Fragen beruhen auf dieser Unterstellung, sodass ihre Beantwortung sich aus deren Widerlegung ergibt.

Eine ergänzende Bemerkung zur europäischen Eingreiftruppe: Der Lissabon-Vertrag sieht eine Ausweitung der Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik vor. Geplant sind auch gemeinsame Truppen - die bislang nicht existieren -, deren Aufgabe es sein soll erforderlichenfalls in internationalen Konflikten eingreifen zu können. Im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gilt übrigens weiterhin grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip, Mehrheitsentscheidungen sind nicht ausreichend.

Vielen Dank für Ihre Fragen, die ich hoffe zufriedenstellend beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Uta Zapf