Frage an Ursula Helmhold von Michael J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie stellen Sie sich die Integration jungendlicher Ausländer vor?
Mangelnde Sprachkenntnisse, das soziale Umfeld und die dadurch fehlenden Perspektiven sind Hauptursache für ein frühes Scheitern in unserer Gesellschaft.
Sehr geehrter Herr Jasenc,
ich bin Ihrer Meinung, dass fehlende Perspektiven, mangelnde Anerkennung und eigene Gewalterfahrungen Frust und Aggression verursachen. Es ist auch keine kluge Antwort, Kinder in geschlossene Heime und Jugendliche ins Gefängnis zu sperren. Ich halte es für ärgerlich und gesellschaftspolitisch extrem schädlich, wenn nun die populistischen Forderungen nach schnellerer Abschiebung von kriminellen MigrantInnen und härteren Strafen seitens der CDU laut werden. Die Integrationsdebatte wird wieder um Lichtjahre zurück geworfen, wenn jetzt mal wieder die "Ausländer" schuld sind. Gerade junge MigrantInnen fühlen sich dadurch ausgeschlossen und diskriminiert.
Viel wichtiger ist, dass die Ursachen für die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher, insbesondere solcher mit Migrationshintergrund beseitigt werden. Jugendliche wollen vor allen Dingen Anerkennung - alle jugendpsychologischen Studien zeigen das. Daher ist die gemeinsame Schule wie wir Grünen sie fordern so wichtig. Sie integriert statt auszusondern - und zwar sowohl deutsche als auch Kinder mit Migrationshintergrund. Neben speziellen Förderangeboten und dem Einsatz von LehrerInnen mit Migrationshintergrund ist die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems vonnöten: Eine entscheidende Hürde ist die Selektion am Ende der Klasse 4. Die Landesregierung ignoriert die diesbezüglichen Empfehlungen des Nationalen Integrationsplans und zementiert durch ihr Festhalten am gegliederten Schulsystem die hohen Bildungshürden für Kinder mit Migrationshintergrund, die außerdem in Kita und Schule unzureichend gefördert werden. Die Mittel für Sprachförderung in den Kitas sind von der CDU/FDP-Regierung von 7,2 Mio. Euro auf 6 Mio. Euro pro Jahr gekürzt worden. Die Sprachförderung im letzten Jahr vor der Einschulung geht haushaltstechnisch zum Teil auf Kosten der Sprachförderung in der Grundschule. In der Sekundarstufe wird die Sprachförderung weitgehend vernachlässigt. Die interkulturelle Bildung wird nicht gefördert.
Auch die Integrationskurse müssen qualitativ aufgewertet und einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden. Besonders wichtig sind Alphabetisierungskurse und Kurse für Mütter und Väter (nach dem Vorbild der "Mama lernt Deutsch"-Kurse). Außerdem muss die kommunalpolitische Beteiligung von nicht eingebürgerten MigrantInnen verbessert werden, zum Beispiel durch ein kommunales Wahlrecht für seit fünf Jahren hier lebende Nicht-EU-BürgerInnen und das Wahlrecht bei den Landtagswahlen für dauerhaft hier lebende EU-BürgerInnen. Um selbst einen Schritt in die richtige Richtung zu tun, haben die Grünen in Niedersachsen eine Diversity-Initiative innerhalb der Grünen Partei gestartet und viel versprechende Kontakte zu MigrantInnen geknüpft.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Helmhold