Frage an Ulrike Seemann-Katz von Jens P. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Ulrike Seemann-Katz,
meine Frage bezieht sich auf die beabsichtigte Familienpolitik ihrer Partei, hier insbesondere auf die Rechte der Kinder im Scheidungs- und Trennungsfall. Festgestellt werden kann, dass das Neue Kindschaftsrecht allgemein nicht in allen Fragen gegriffen hat. Immer noch verlieren Kinder aus getrennten Ehen/Beziehungen in gewissen Zeiträumen (meist innerhalb der ersten 4 - 5 Jahre) den Bezug zum getrennt lebenden Elternteil. Die mit dem Neuen Kindschaftsrecht, i. V. m. dem Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Familie - dort versteckt die Umstellung des statischen Unterhaltstitels auf dynamisch) hat also keine nachhaltige Stärkung der Kindesrecht auf Umgang mit beiden Eltern(teilen) gebracht. Der/die Alltagssorgeberechtigt kann weiterhin ungestraft das Recht von Kindern missachten und den Umgang zum Umgangsberechtigten oder 2. Sorgeberechtigten von der Entwicklung und Erziehung der Kinder ausschließen. In Fragen des gemeinsamen Sorgerechts ist dies um so gravierender, da der 2. Sorgeberechtigte nicht nur das Recht, sodern auch die Pflicht zur Sorge hätte - wenn nicht Gerichte und Jugendämter, aufgrund der immer noch schwammigen Rechtslage, im Zusammenhalt mit den Alltagssorgeberech-tigten verhindern würden. Bisher ist der Gesetzgeber, in diesem Fall vorrangig rot/grün, in seiner Rechtsgrundlagenschaffung von "Voraussetzungen" und "Klauseln" ausgegangen, die von den betroffenen Kindern und deren Vertreter nicht eingefordert werden können. Diese unklare Lage grenzt vor allem Väter aus der Erziehungs- und Sorgeverantwortung und schädi-gen nachhaltig die Rechte und das zu entwickelnde soziale Empfinden von Trennungskindern.
Durch die o.g. Umstellung der statischen auf dynamische Unterhaltstitel werden Trennungsväter und -mütter in das finanzielle Abseits, nahe der Sozialhilfe, gedrängt.
Während beim abgesetzten statischen Titel sicherlich zuwenig Unterhalt an den Alltagssorgeberech-tigten für die Kinder zur Verfügung gestellt wurde, hat sich der Spieß mit der Dynamisierung gedreht. Jetzt werden die so genannten Unterhaltsschuldner finanziell zu stark belastet, so dass oftmals die notwendigen finanziellen Mittel für den auszuübenden Umgang nicht mehr vorhanden sind.
Der nun angesprochene Umgang erweist sich als weiteres Problem. Nicht nur durch die genannten Unterhaltszahlungen in der derzeitigen Höhe kann dieser verhindert werden. Die Alltagssorgeberech-tigten verhindern oder erschweren diesen ohnehin bereits in 70 - 80 % der Fälle.
Die Aufzählungen lassen sich hier bei weitem in Uferlose betreiben. Das liegt mir fern.
Folgende Fragen an Sie ergeben sich jedoch:
1. Welche Schritte werden oder wollen Sie unternehmen, um die Kinderrechte, auch in Bezug auf die Richtlinien und Gesetze der Europäischen Union, zu stärken und den Bezug auf Vater und Mutter nach Trennung zu verfestigen?
2. Welche Vorhaben bestehen, die Rolle des Mannes in Bezug auf das Familienrecht, die Erziehung der Kinder zu stärken?
3. Welche Absichten haben Sie, dass derzeitige Unterhaltsmodell ausgewogener, sozial gerechter zu gestalten?
4. Wie werden aus Ihrer Sicht demnächst Unterhalts-, Umgangsmodelle aussehen?
Sie können sich vorstellen, dass Ihre Antwort für viele Umgangsberechtigte / 2. Sorgeberechtigte Wahl- entscheidend sein kann.
Immerhin wurden lt. dem Statistischen Landesamt (Quelle SVZ) 125 Ehen allein im Landkreis Parchim geschieden. Damit wurden lt. derselben Quelle 80 Kinder Scheidungsopfer und sind von den vorge-nannten Punkten betroffen.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Preuße
Sehr geehrter Herr Preuße,
endlich hier meine Antwort:
1. Welche Schritte werden oder wollen Sie unternehmen, um die Kinderrechte, auch in Bezug auf die Richtlinien und Gesetze der Europäischen Union, zu stärken und den Bezug auf Vater und Mutter nach Trennung zu verfestigen?
Unserer Auffassung nach ist die Kooperation der Eltern auch nach einer Trennung oder Scheidung im Sinne der sie Kinder die wesentliche Voraussetzung für eine gelungene Elternschaft. Für uns steht das Wohl der Kinder, gerade in schwierigen Lebenssituationen wie Trennung oder Scheidung der Eltern im Vordergrund. Für Kinder ist der Erhalt der sozial-familiären Beziehungen entscheidend, ob diese zu Eltern, Geschwistern, Großeltern oder anderen Bezugspersonen wie Freunden oder Mitbewohnern besteht.
Handlungsbedarf besteht auf mehreren Ebenen. Zum einen müssen wir die Verfahren bei Scheidung und Trennung dahingehend verändern, dass sie den Eltern ihre elterliche Verantwortung bewusst machen und die Interessen des Kindes in den Mittelpunkt rücken. Kinder wollen im Gerichtsverfahren nicht wissen, „Wer hat wen betrogen?“ sondern „Werden meine Mutter und mein Vater weiter für mich da sein?“ Aufgabe der Eltern und aller am Gerichtsverfahren Beteiligter muss sein, gemeinsam – mit und für das Kind – für diese Fragen eine Lösung zu finden. Hier brauchen wir eine besser Unterstützung der Familien durch Jugendamt und Familienberatung, aber auch Veränderungen in der Gerichtspraxis selbst. Ziel ist die Standardisierung der Kernelemente des Cochemer Modells
Zum anderen brauchen wir andere rechtliche Regelungen bezüglich des Umgangsrechts, aber auch eine Weiterentwicklung des Sorgerechts bei Nichtverheirateten scheint erforderlich.
Bei Großeltern und Geschwistern sollte grundsätzlich von einer Kindeswohlförderlichkeit ausgegangen werden, um die Beweislast von den Schultern der Betroffenen zu nehmen, und damit Umgang zu erleichtern. Die Praxis zeigt in vielen Fällen, dass Großeltern den Beweis einer eindeutigen Kindeswohldienlichkeit im Umgang nicht erbringen können und so das soziale Band zwischen ihnen und dem Kind zerreißt. Würde die Beweislast umgekehrt, (durch den Passus: solange es dem Kindeswohl nicht abträglich ist) blieben diese wichtigen Bezugspersonen dem Kind erhalten, aber auch die Mutter/der Vater hätte weiterhin die Möglichkeit eines begründeten Vetos.
Weiterhin sollten alle umgangsberechtigten Personen auch eindeutig ein Recht auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgang durch das Jugendamt haben. Das ist leider noch nicht so, bspw. Haben Großeltern haben kein ausdrückliches Recht und sind auf das Wohlwollen der Mitarbeiter im Jugendamt angewiesen.
Insgesamt erscheint es fundamental, in den weiteren Bemühungen um gesetzliche Regelungen im Kindschaftsrecht, die Perspektive des Kindes an zentrale Stelle zu rücken. Wir müssen auch Kindern mehr Möglichkeiten geben, ihr Recht auf Umgang einzufordern. Kinder müssen natürlich erst einmal erfahren, dass sie diese Rechte haben und an wen sie sich wenden können. Dazu müssen auch Schulen und Jugendzentren einen Betrag zur Aufklärung leisten und das Thema ansprechen.
2. Welche Vorhaben bestehen, die Rolle des Mannes in Bezug auf das Familienrecht, die Erziehung der Kinder zu stärken?
Männer sollten unserer Auffassung nach eine größere Rolle bei der Erziehung der Kinder spielen. Das trifft nicht nur auf die Väter zu, sondern auch auf Männer in Erziehungsberufen. Im Familienrecht haben wir in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, dennoch bleiben Probleme wie Umgangsvereitelung und Sorgerecht bei nichtverheirateten Eltern ungelöst. Zu prüfen ist eine Weiterentwicklung des Sorgerechts bei nichtverheirateten ein, so dass nicht sorgeberechtigte Väter die Möglichkeit haben, bei Erfüllung bestimmter Kriterien auch bei Vorbehalten der Mutter, das gemeinsame Sorgerecht zu erhalten. Bezüglich des Umgangsrechts müssen wir andere Verfahren finden, um Eltern ihre Verantwortung im Sinne des Kindes bewusst zu machen und so der Vereitelung des Umgangs entgegenarbeiten. Die oben schon erwähnte gesetzliche Verpflichtung zu lösungsorientierten Verfahrensregeln nach dem Cochemer Modell erscheint hier als Erfolg versprechender Weg.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Seemann-Katz