Frage an Ulrike Höfken-Deipenbrock von Stefan G. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Höfken-Deipenbrock
die erneuten Aktivitäten von Herr Kusch haben das Thema Beihilfe zur Selbsttötung (Assistierter Suizid) ja wieder in die Medien gebracht. Sind Sie als Abgeordnete mit der jetzigen gesetzlichen Regelung zu diesem Thema zufrieden oder würden Sie eine der folgenden Gesetzesinitiativen unterstützen?
a) Ein Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung
b) Ein Verbot der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung
Wären Sie ggf. auch bereit, selber die Initiative für eine solche Gesetzesänderung zu ergreifen?
Da eine solche Abstimmung sicherlich wieder ohne Fraktionszwang erfolgen würde, interessiert mich besonders Ihre persönliche Meinung zu diesem Thema.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Grieser-Schmitz,
das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 25.06.2010 hat die Selbstbestimmung und den Erhalt der menschlichen Würde zum Maßstab aller Entscheidungen am Lebensende gemacht. Zum Erhalt der Selbstbestimmung gehört dabei ausdrücklich die Möglichkeit, eine sinnlose medizinische Behandlung zur Herauszögerung des natürlichen Todes nicht weiterzuführen. Damit wurde ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Patientenrechte erreicht. Hiervon unterscheidet sich aber grundsätzlich eine Tötung auf Verlangen, wie sie Herr Kusch nicht nur legalisieren, sondern auch kommerzialisieren möchte. Dies lehne ich aus ethischen Gründen grundsätzlich ab, eine Neuausrichtung der jetzigen Gesetzeslage in diesem Bereich würde ich persönlich nicht initiieren oder unterstützen.
Anstatt dem Leben künstlich, abrupt und möglicherweise unbedacht ein Ende zu setzen, weil jemand sein Leben – womöglich vorübergehend - nicht mehr lebenswert findet, sollten die psychologische und seelsorgerische Versorgung für Patienten, aber auch Angehörige verstärkt werden, palliativmedizinische Behandlungen weiterentwickelt und die hospizielle Begleitung im letzten Lebensabschnitt verbessert werden.
Auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Sachen Sterbehilfe bleiben Unsicherheiten. Die Tragweite einer solchen Entscheidung stellt für die Angehörigen eine unglaubliche Belastungsprobe dar, bei der sie nicht allein gelassen werden sollten. Sie muss deshalb eine gemeinsame Entscheidung von Angehörigen, Ärzten und Pflegepersonal sein. Das heutige Urteil ersetzt nicht die Auseinandersetzung, die einer solchen, gemeinsamen Entscheidung vorausgehen muss. Gerade eine Debatte über unsere Kultur des Sterbens und über die Wertschätzung auch dieses letzten Lebensabschnittes, der zum Leben dazugehört, fehlt in unserer Gesellschaft bis heute, genau wie mehr Hospizbetten und mehr Palliativplätze. Das Urteil des Bundesgerichtshofes gibt uns deutlicher denn je die Aufgabe, die Grenze zwischen dem menschlich gebotenen Zulassen des natürlichen Todes und der ethisch nicht vertretbaren Tötung auf Verlangen deutlich zu ziehen und die Diskussion darüber auch öffentlich zu führen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Höfken