Frage an Ulrich Wilken von Rüdiger G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Wilken,
nach den Anschlägen von Paris und Brüssel ist offensichtlich das Radikale Islamisten Europa ins Visier genommen haben.
Als besonders gefährlich gelten IS Rückkehrer aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak.
Meine Fragen dazu sind:
Wie viele dieser Gefährder leben in Hessen.
Gibt es die Möglichkeit Personen aus dieser Gruppe in Sicherungsverwahrung ( https://de.wikipedia.org/wiki/Sicherungsverwahrung ) zu nehmen?
Sehr geehrter Herr Gruhle,
ein sogenannter Gefährder ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des Paragrafen 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird. Die Zahl der als sogenannte Gefährder eingestuften Personen des islamistischen Spektrums ist ein Thema der Antwort der Bundesregierung (18/7151) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/6959). Danach waren mit Stand vom 14. Dezember vergangenen Jahres deutschlandweit 442 Personen als Gefährder eingestuft, von denen sich 212 in Deutschland aufhielten. Aktuelle Zahlen zu Hessen liegen uns nicht vor.
Wie die obige Formulierung zeigt, geht es hier lediglich um Annahmen, also Vermutungen. Unklar bleibt zudem, nach welchen Kriterien die Gefährder als solche klassifiziert werden.
Die von Ihnen vorgeschlagene Sicherungsverwahrung ist die einschneidenste und eine rechtsstaatlich sehr bedenkliche Maßnahme gegenüber einem Straftäter, der die eigentliche Strafe dann schon verbüßt hat. Sie kann nur im Zusammenhang mit einer Verurteilung zu einer Straftat verhängt werden. Bedenklich ist die Sicherungsverwahrung, da man nur anhand von unsicheren und oft fehlerhaften Prognosen aufgrund der begangenen Tat von einer weiteren Gefährlichkeit des Täters ausgeht.
Bei den sogenannten Gefährdern handelt es sich aber nicht um Straftäter.
Nach rechtsstaatlicher Tradition sind Taten grundsätzlich erst strafbar, wenn sie begangen worden sind, bzw. bestimmte Taten auch schon, wenn sie versucht worden sind, wobei »Versuch« als »unmittelbarer Beginn der Ausführung einer Tat« definiert ist. Vorbereitungshandlungen, die noch nicht zum konkreten Versuch gediehen sind, bleiben eigentlich straflos. (Eine Ausnahme: Der relativ neue § 89a StGB stellt bereits Vorbereitungshandlungen von staatsgefährdenden Straftaten unter Strafe.) Damit soll ein Gesinnungsstrafrecht vermieden werden. Das Strafrecht soll als schärfste staatliche Sanktion erst bei konkreten Verletzungen von Rechtsgütern eingreifen. Insoweit ist das Strafrecht nicht anwendbar, wenn nur etwaige Vermutungen oder Annahmen vorliegen, dass eine Person eine Straftat begehen wird. Das ist auch gut so.
Das bedeutet aber nicht, dass man gegenüber den "Gefährdern" ohne Handhabe ist. Der Polizei stehen vielfältige Möglichkeiten zur Vorbeugung etwaiger Straftaten durch diese Personen zur Verfügung. Zum Beispiel engmaschige Überwachung, Aufklärung, Schutz gefährdeter Räume, Ermittlungsverfahren, Datenauswertung. Damit die Polizei ihre Aufgaben auch entsprechend ausüben kann, benötigt sie ausreichendes Personal und eine gute Ausstattung. Dafür setzen wir uns in Hessen ein.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Wilken