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Frage von Carsten G. •

Frage an Ulrich Goll von Carsten G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Goll,

1.Wie stehen Sie zum Schutz des ungeborenen Lebens?
2.Wie stehen Sie zur Erhaltung unseres Bargeldes?
3.Wie stehen Sie zur Chinesischen Initiative "neue Seidenstraße"?
4.Wie stehen Sie zur Aufhebung der Sanktionen gegenüber Russland?
5.Wie stehen Sie zu TTIP, TISA und CETA? Zwar dürfen die Abgeordneten Akteneinsicht nehmen, müssen aber unbedingtes Stillschweigen einhalten.
6.Wann kommt der Wohnungsbau endlich in Schwung, damit alle Menschen, die bei uns Schutz suchen, auch zeitnah mit Wohnraum versorgt werden können?
7.Was wollen Sie dem entstandenen Preiswucher in der Bauindustrie entgegenstellen?
8.Warum müssen auf ausgezahlte Renten Steuern gezahlt werden, die Beiträge zur Rentenkasse unterlagen schon der Steuerpflicht?
9.Warum werden unsere Soldaten entgegen dem Grundgesetz in sämtliche Krisenherde dieser Welt geschickt? Es gibt kein Einsatzgebiet, in dem sich die Dinge zum besseren gewendet haben. Da in Syrien gleichzeitig alle 5 offiziellen Atommächte versammelt sind, ist dies der gefährlichste Weltwinkel überhaupt.
10.Welchen Sinn macht es, über die Zusammensetzung des Ba.-Wü.-Parlament zu bestimmen, wo doch der Löwenanteil der Verordnungen, die unseren Alltag bestimmen, aus Brüssel kommen und von Berlin lediglich abgenickt werden.

Da eine politische Wahl auch immer eine Gewissensentscheidung ist, hoffe ich, daß Sie mir mit der Beantwortung der Fragen helfen können,

vielen Dank
Gutjahr

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Sehr geehrter Herr Gutjahr,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema "Demokratie und Bürgerrechte", die ich Ihnen im Folgenden gerne beantworte.

1.Wie stehen Sie zum Schutz des ungeborenen Lebens?
Der Schutz des ungeborenen Lebens ist mir wichtig, denn das Leben beginnt nicht erst mit der Geburt.

2.Wie stehen Sie zur Erhaltung unseres Bargeldes?
Wir treten für das Recht ein, die Art der Bezahlung selbst bestimmen zu können. Die Gründe, die gegen den Barzahlung aufgeführt werden, sind aus unserer Sicht nur vorgeschoben. Ein grundsätzlich elektronischer Geldverkehr eröffnet vor allem staatliche Zugriffs- und Überwachungsmöglichkeiten, die nicht in erster Linie der Unterbindung illegaler Geldströme dienen sollen, sondern der weiteren Überwachung der Menschen. Außerdem werden Zugriffsmöglichkeiten, etwa staatliche Abschlagsabgaben, dadurch leichter möglich.

3.Wie stehen Sie zur Chinesischen Initiative "neue Seidenstraße"?
Der chinesische Vorstoß, vor allem die mittel- und osteuropäischen Staaten in die Handelsstrukturen einzubinden, erfolgt in den sogenannten "16+1"-Verhandlungen, die zuletzt in Suzhou stattfanden. Der Titel "neue Seidenstraße" ist zwar malerisch gewählt, dahinter verbirgt sich jedoch der Versuch Chinas, die eigene staatsnahe Wirtschaftspolitik in andere Regionen der Welt auszuweiten. Natürlich steht es jedem Land offen, im Rahmen seiner souveränen Entscheidungen über eigene Wirtschaftskontakte zu bestimmen. Man muss allerdings wissen, dass die europäische Auffassung von Wirtschaft und Staat, die uns in den vergangenen Jahrzehnten Wohlstand und Stabilität beschert hat, auf Prinzipien wie möglichst geringem staatlichen Einfluss auf Unternehmen, Tarifautonomie, fairem Wettbewerb basieren. Jeder der Beteiligten sollte wissen, dass dies in der Realität nicht dem chinesischen Wirtschaftsmodell folgt, welches sich im Übrigen derzeit auch nicht unbedingt als das erfolgreichere beweist. Für uns ist die europäische Auffassung, den freien unternehmerischen Kräften zu vertrauen und das deutsche Erfolgsmodell einer sozialen Marktwirtschaft auch weiterhin ausschlaggebend.

4.Wie stehen Sie zur Aufhebung der Sanktionen gegenüber Russland?
Die Situation in der Ukraine ist momentan etwas aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit geraten, was jedoch nichts an der Dringlichkeit der Frage ändert. Wir mussten erleben, dass ein Annexions- und Großmachtanspruch Russlands militärische und territoriale Tatsachen schuf. Das war umso bemerkenswerter, als wir zumindest in Europa an die friedliche Art der Konfliktlösung gewöhnt sind. Dieses Vorgehen Russlands hat verschiedene Gründe, über die sich viel sagen lässt, was ich jetzt aber nicht im Detail aufführen möchte. Eines ist jedoch Tatsache: Dem russischen Präsidenten ist es gelungen, mit teilweise undemokratischen und unserem Rechtsverständnis widersprechenden Mitteln eine Herrschaft für sich zu etablieren, die die territoriale Frage der Ukraine zum Instrument seiner Herrschaftsstabilisierung macht. Die Staaten Europas haben mit ihren Maßnahmen der Isolierung und Handelseinschränkung die einzige mögliche Konsequenz gegenüber dem offenkundigen Bruch des Völker- und Staatenrechts gezogen. Solche Schritte bedürfen jedoch stets der Überprüfung und was ich ausdrücklich betonen möchte: Solche Maßnahmen sollen auf keinen Fall bedeuten, die Kontakte zu Russland abzubrechen. Frieden wird es auch in diesem Konflikt nur mit allen Beteiligten geben.

5.Wie stehen Sie zu TTIP, TISA und CETA?
Zwar dürfen die Abgeordneten Akteneinsicht nehmen, müssen aber unbedingtes Stillschweigen einhalten. TiSA hat sich als Nachfolgeabkommen zu GATS in seiner umfassenden Vertragspartnerstruktur beim Handel mit Dienstleistungen als erfolgreich erwiesen, mit dem Inkrafttreten von CETA ist vor 2017 nicht zu rechnen, TTIP wird gerade verhandelt. Angesichts der Tatsache, dass 24% der Arbeitsplätze in Deutschland direkt vom Export abhängen und 37% der Waren in Deutschland importiert sind, haben wir im Sinne unseres weiteren wirtschaftlichen Erfolges als Grundlage unseres Wohlstands ein großes Interesse daran, die Chancen eines Handelsabkommens zwischen USA und EU zu nutzen. Die Verhandlungen sind nicht ganz öffentlich, was bei den 130 bisher schon bestehenden Handelsabkommen Deutschlands mit anderen Staaten im Übrigen auch nicht der Fall war. In der Zwischenzeit gibt es für alle die Möglichkeit, sich über die Verhandlungsinhalte und den Stand im Internet zu informieren. Die Einsichtsmöglichkeiten für Abgeordnete sind eine weitere Möglichkeit, wobei es für die Inhalte internationaler Handelsabkommen eines gewissen Sachverstandes bedarf. Wir von den Freien Demokraten verfolgen die Verhandlungen aufmerksam und beteiligen uns nicht an Spekulationen und Mutmaßungen. Die Vertragsvorlagen bedürfen die Zustimmung aller nationaler Parlamente in Europa und des Europäischen Parlaments selbst. Dazu werden wir nach Auswertung der Verhandlungsergebnisse eindeutig Stellung beziehen.

6.Wann kommt der Wohnungsbau endlich in Schwung, damit alle Menschen, die bei uns Schutz suchen, auch zeitnah mit Wohnraum versorgt werden können?
Derzeit werden nach übereinstimmender Expertenmeinung in Baden-Württemberg zeitnah etwa 40.000 zusätzliche Wohneinheiten für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive benötigt. Diese Herausforderung kommt zum angespannten Wohnungsmarkt in manchen Regionen dazu. Mietpreisgebundener Wohnungsbau ist also dringend an der Tagesordnung. Leider folgte dem "Wohnbaugipfel" der grün-roten Landesregierung im Oktober des vergangenen Jahres kein weiterer Schritt. Soziale Wohnungen werden entgegen landläufiger Vermutung nur zu ca. 7% direkt durch das Land und die Kommunen erstellt. Jetzt zeigt sich, dass die Maßnahmen der Landes- und Bundesregierung zur Motivation privater Kapitalgeber für diesen Bereich absolut kontraproduktiv sind. Mietpreisbremse für willkürlich ausgewählte Gemeinden, Leerstandskontrolle mit Aufforderung zur Denunziation, Drohungen der Zwangseinquartierung, eine in Teilen absurde Landesbauordnung mit Zwangsbegrünung und vorgeschriebenen Fahrradabstellplätzen und verbraucherfeindliche Energievorschriften im Rahmen des EEG müssen vermieden werden. Zusätzliche Bauflächen, bessere Abschreibungsmöglichkeiten für mietpreisgebundenen Wohnraum und eine Überprüfung der Wohnbauförderung müssen schleunigst auf die politische Tagesordnung.

7.Was wollen Sie dem entstandenen Preiswucher in der Bauindustrie entgegenstellen? "Wucher" im gesetzlichen Sinne ist den Bauträgern und -firmen nicht vorzuwerfen. Dass Bauen teilweise unnötig teuer ist, liegt nicht an illegaler Preisgestaltung sondern schlicht an der Tatsache, dass der Staat durch seinen Zugriff stark zur Verteuerung beiträgt. Als Beispiele sind hier etwa die durch Grün-Rot in Baden-Württemberg deutlich erhöhte Grunderwerbssteuer, unsinnige und teure Vorschriften in der Landesbauordnung, zu knappe Flächenausweisungen und übermäßige energetische Bau- und Sanierungsvorschriften zu nennen.

8.Warum müssen auf ausgezahlte Renten Steuern gezahlt werden, die Beiträge zur Rentenkasse unterlagen schon der Steuerpflicht?
Entgegen weit verbreiteter Meinung sind Renten seit jeher grundsätzlich einkommensteuerpflichtig. Bis 2004 unterlagen beispielsweise Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur mit einem gewissen Prozentsatz - dem sogenannten Ertragsanteil - der Besteuerung. Dieser Besteuerungsanteil war so gering, dass aufgrund von tariflichen und persönlichen Freibeträgen bislang häufig keine Steuer anfiel. Dies betraf hauptsächlich die Fälle, in denen ausschließlich Renteneinkünfte bezogen wurden. Kamen jedoch noch andere - voll steuerpflichtige - Einkünfte (z. B. Arbeitslohn, Versorgungsbezüge, Zinsen, Mieteinnahmen) hinzu, ergab sich u. U. auch bei Rentnern eine Steuerbelastung. Mit dem Alterseinkünftegesetz ist zum 01.01.2005 der steuerpflichtige Anteil der Rente von bisher im Schnitt 27 % bis 31 % auf 50 % angestiegen.

9.Warum werden unsere Soldaten entgegen dem Grundgesetz in sämtliche Krisenherde dieser Welt geschickt?
Es gibt kein Einsatzgebiet, in dem sich die Dinge zum Besseren gewendet haben. Da in Syrien gleichzeitig alle 5 offiziellen Atommächte versammelt sind, ist dies der gefährlichste Weltwinkel überhaupt. Bundeswehreinsätze werden vom Bundestag beschlossen. Über die Rechtmäßigkeit von Einsätzen hat das Bundesverfassungsgericht immer mal wieder entschieden. So ist es nicht richtig, dass die Einsätze der Bundeswehr per se dem Grundgesetz widersprechen. Sicherlich gehen sie aber immer wieder über das hinaus, was die Väter des Grundgesetzes für richtig erachteten. Auch kann man den Sinn einzelner Einsätze bezweifeln, denn Rechtmäßigkeit bedeutet hier nicht Sinnhaftigkeit.

10.Welchen Sinn macht es, über die Zusammensetzung des Ba.-Wü.-Parlament zu bestimmen, wo doch der Löwenanteil der Verordnungen, die unseren Alltag bestimmen, aus Brüssel kommen und von Berlin lediglich abgenickt werden.
Baden-Württemberg bewegt sich selbstverständlich in einem rechtlichen Rahmen, der auch durch Europa und den Bund vorgegeben wird. Dennoch gibt es wichtige Fragen, bei denen das Land die Ausgestaltung entscheidend beeinflusst. Ich erwähne hier nur den gesamten Bereich der Bildung, der inneren Sicherheit und der Justiz. Ich warne ausdrücklich davor, in den bevorstehenden Landtagswahlen lediglich einen unmaßgeblichen Stimmungstest zur politischen Situation in Deutschland zu sehen. Der Wahlausgang hat zweifelsohne eine Signalwirkung für die Bundespolitik, wird darüber hinaus aber auch den Kurs des Landes in vielen wichtigen Bereichen für die kommenden fünf Jahre prägen.

Mit freundlichen Grüßen aus Waiblingen

Prof. Dr. Ulrich Goll MdL
Justizminister a. D.