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Frage von Wilfried M. •

Frage an Ulrich Goll von Wilfried M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Minister,

ich habe gehört, daß auch in Baden- Württemberg Schriftstücke mit sensiblen personenbezogenen Angaben ohne erkennbare Rechtsgrundlage hinter dem Rücken der Betroffenen von Familiengerichten an Jugendämter geschickt worden sein sollen.
Dazu gehörten angeblich auch Kopien von psychol. Gutachten, die natürlich besonders viele Privatgeheimnissse enthalten, selbstverständlich auch Fehleinschätzungen/ Fehldiagnosen zu den intimsten Lebensbereichen.

Da eine Rechtsgrundlage nicht gegeben ist, verletzen die Richter eigentlich unbefugt Privatgeheimnisse und machen sich strafbar § 203 Abs. 2 S. 1 StGB.

Nun existieren sowohl in Bayern als auch in Thüringen "fachliche Empfehlungen zur Kooperation" zw. Jugendamt und Fam.gericht, welche zur regelmäßigen Übersendung von ganzen Parteischreiben und Gutachten in Kopie AUFFORDERN (z.B. auf Seite 43 einer Broschüre das Landesjugendamtes "Trennung und Scheidung", anzus. über Link 1)!

Der Jurist Wunderlich, MdB, nannte die Angelegenheit jedenfalls bezüglich Bayern immerhin skandalös und kündigte Erkundigungen an (2). Der Thüringer Jurist und Christdemokrat Hirte, MdB, antwortete - auf Anfragen der Gruppe Scientologyabwehr - völlig am Thema vorbei (3)!

1) Ich möchte nun von Ihnen als den Justizminister Ihres Landes wissen, ob es auch in BW vergleichbare öffentliche Aufforderungen für die systemat. Verletzung der richterlichen Schweigepflicht gibt.

2) Stünde denn die "Kooperation" eines Richters mit irgendwem überhaupt im Einklang mit der geltenden Rechtsordung, z.B. der GG anbefohlenen richterlichen Unabhängigkeit?

Mit frdl. Gruß
W. Meißner
Gruppe Justizkontrolle / Scientologyabwehr Deutschland

1) http://home.arcor.de/kinderklau-informell/Documenta_barbarica.pdf
2) http://www.abgeordnetenwatch.de/joern_wunderlich-650-5524--f220130.html#q220130
3) http://www.abgeordnetenwatch.de/christian_hirte-575-37654--f265713.html#q265713

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Meißner,

vielen Dank für Ihre Anfrage bei abgeordnetenwatch, in dem Sie insbesondere das Projekt Elternkonsens ansprechen.

In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2009 rund 21.500 Ehen geschieden. Rund 18.500 minderjährige Kinder haben die Scheidung ihrer Eltern erleben müssen. Hinzu kommen die Kinder, die von der Trennung ihrer nicht miteinander verheirateten Eltern betroffen sind. Im Rahmen der Trennung entsteht zwischen den Eltern häufig Streit über das Sorge- und Umgangsrecht.

Zum Schutz der Kinder setze ich mich für das Projekt Elternkonsens ein. Ziel dieses bundesweit beachteten Projekts ist es, in möglichst vielen Fällen eine einvernehmliche und tragfähige Lösung von Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten zu erreichen. Durch eine fächerübergreifende Zusammenarbeit aller am Umgangs- und Sorgerechtstreit beteiligter Berufsgruppen (Familienrichter, Anwälte, Mitarbeiter von Jugendämtern und Beratungsstellen, Sachverständige) soll ein Konsens der Eltern im Interesse des Kindeswohls erreicht werden. Diesem Ziel dient ein schnelles, zwischen den beteiligten Professionen auf der örtlichen Ebene abgestimmtes Verfahren, in dem nicht der Streit der Eltern, sondern das Kindeswohl im Vordergrund steht. Kernpunkte der Verfahrenspraxis nach dem Projekt Elternkonsens sind eine auf das Notwendigste beschränkte Antragsschrift an das Gericht, eine kurzfristige gerichtliche Terminierung, eine sofortige Einbindung des Jugendamtes in das Verfahren sowie die (Selbst-) Verpflichtung der beteiligten Berufsgruppen, ohne Zuspitzung des Konflikts auf ein Einvernehmen der Eltern zum Wohle der Belange der Kinder hinzuwirken. Teilweise haben diese Verfahrenselemente auch Eingang in das neue Familienverfahrensrecht (§§ 155, 156 FamFG) gefunden.

Im Rahmen des Projekts Elternkonsens haben wir im letzten Herbst in Stuttgart mit großem Erfolg einen zweiten landesweiten Kongress zu diesem Thema veranstaltet; dieses Jahr setzen wir daher unsere interdisziplinäre Fortbildungsreihe fort. Zudem hat im Juni 2010 hat die Nachhaltigkeitskonferenz das Projekt "Kindeswohl bei Trennung und Scheidung" in die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt von Justiz- und Sozialministerium. Eine Arbeitsgruppe unter der Federführung meines Hauses erarbeitet derzeit Konzepte zu dem Teilprojekt "Wege zu einer konsensualen Streitbeilegung im Sorge- und Umgangsrecht". Es sollen flächendeckend nachhaltige Kooperationsstrukturen zwischen Gerichten, Jugendämtern, Familienrechtsanwälten und den weiteren beteiligten Professionen geschaffen werden. Geplant ist ein landesweites Netzwerk von interdisziplinär zusammengesetzten Teams. Dem Austausch der Professionen sollen weiter eine Internetplattform und verschiedene Aus- und Fortbildungsinstrumente dienen. Die Arbeit der Projektgruppe ist nahezu abgeschlossen. Weitere Informationen zum Projekt Elternkonsens finden Sie auch auf unserer Internetseite:

http://www.justizportal-bw.de/servlet/PB/menu/1231805/index.html?ROOT=1155174

In Ihrer Eingabe thematisieren Sie zudem die Weitergabe von Informationen in familienrechtlichen Verfahren: Über die Weitergabe von Informationen und ggf. Gutachten an Verfahrensbeteiligte entscheiden - nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in allen Bundesländern - Richterinnen und Richter im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit. Ganz allgemein gilt folgendes: Gemäß dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs werden Gutachten grundsätzlich allen Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gebracht. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) bedeutet, dass bei einer Entscheidung nur diejenigen Tatsachen verwertet werden dürfen, die den Verfahrensbeteiligten vorher zur Kenntnis gegeben worden sind und bei denen diese die Möglichkeit hatten, sich zu äußern.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Ulrich Goll MdL