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Ulrich Goll
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Frage von Gregor S. •

Frage an Ulrich Goll von Gregor S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Goll,

wie begründen Sie Ihre Aussage die Aktivististen der Stuttgart21 Gegner wären "unduldsam und wohlstandsverwöhnt"? Halten Sie eine solche Aussage für Produktiv in der Diskussion?
Wäre es der Diskussion nicht weit aus zuträglicher, würde man endlich transparent verdeutliche wie z.B. der regionale Zugverkehr später eingebunden werden soll, obwohl die geplante Größe der Tunnels dieses in der bisherigen Plannung gar nicht zulässt. Wie das Risikomangement gegenüber den geologischen Bedingungen im Einzelnen aussieht, wie der Brandschutz in den kleinen Tunneln durchgeführt werden soll oder wie sich die neue Strecke Stuttgart-Ulm amortisieren soll, wenn sie aufgrund der starken Steigung für Güterverkehr ungeeignet ist? Diese und ganz viele weitere Fragen sind der wahre Grund, die Menschen bewegen sich gegen dieses untransparente und von den Kosten ausuferndes Projekt zu wenden. Wäre es nicht Aufgabe der Politik in Anbetracht eines solchen Mammutprojektes Plannungssicherheit zu gewährleisten und Bedenken der Bürger ernst zu nehmen? Ihre Aussagen dagegen hinterlassen große Fragezeichen, da man angesichts solcher Aussagen vermuten kann, dass Ihnen tatsächlich die Mängel der Plannung bekannt sind, Sie aber keine transparenten Lösungen präsentieren können und daher ins Diffamieren abgleiten. Mir ist das zuwenig und ich bitte Sie inständigst den Bürgern Lösungen für offensichtliche Probleme, die die Plannungen bisher außer acht lassen zu präsentieren. Ich bin überzeugt, dass nachdem diese Lösungen bezüglich Denkmalschutz des alten Kopfbahnhofes, geologischen Risiken und die eisenbahntechnische Ausrüstbarkeit extrem kleiner Tunnel, sowie die befürchtete Nadelöhrsituation von Seiten der Regierung endlich vollständig präsentiert werden sie viele Menschen für ein - dann auch endlich - zukunftsweisendes Projekt gewinnen können. Mit Ihren genannten Äußerungen jedoch verstärken SIe nur das Mßtrauen und die Vermutung, dass es hier um Lobbyinteressen geht.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Serowy,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.

Wie Sie sicher wissen, habe ich mich stets für das Projekt Stuttgart 21 ausgesprochen, da es eine wichtige Investition in die Zukunftsfähigkeit der Region Stuttgart und des Landes Baden-Württemberg ist. Gleichwohl kann ich gut nachvollziehen, dass ein Bauvorhaben dieser Größenordnung bei den Menschen auch Unbehagen und kritische Nachfragen auslöst. Reformen haben für viele etwas Beunruhigendes. Dies liegt natürlich auch daran, dass wir in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten ein kaum vorstellbares Wohlstandsniveau erreicht haben. Viele haben daher Angst, durch eine Reform könnte ihnen eine liebgewonnene Privilegierung genommen werden. Dies führt dazu, dass nahezu jede größere Reform unweigerlich Widerspruch eines Teils unserer Bevölkerung hervorruft. Darauf wollte ich - zugespitzt - aufmerksam machen. Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen und Ihnen einige Argumente nennen, die aus meiner Sicht den großen Nutzen von Stuttgart 21 belegen:

Ein exportorientiertes Land wie Baden-Württemberg mit seinem regional verwurzelten Mittelstand lebt von einer modernen und leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur. Mit dem Bahnprojekt Stuttgart-Ulm als Teilstück der - neuen - Eisenbahnmagistrale zwischen Paris und Bratislava rückt das Land durch kürzere Reisezeiten näher an zentrale europäische Regionen heran. Ferner werden Flughafen und Messe mit dem neuen Bahnhof an eine Schnellbahntrasse angebunden und damit deutlich aufgewertet. Zugleich wird die Konkurrenzfähigkeit der emissionsarmen Schiene deutlich gestärkt, was letztlich vor allem der Umwelt zugutekommt. Das Projekt verbessert daher die Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.

Die Stuttgarter selbst werden daneben vor allem die durch den Umbau des Hauptbahnhofs neugewonnen Flächen in der Innenstadt zu schätzen wissen. Rund 100 Hektar Fläche stehen zur Verfügung, nach den jetzigen Planungen 50 Hektar für Wohnen und Arbeiten, jeweils 20 Hektar für die Erweiterung des Schlossgartens und des Rosensteinparks und 10 Hektar für den Bau von Grünanlagen und öffentlichen Plätzen. Stuttgart erhält hierdurch die einmalige Chance, sich zu einer bedeutenden städtebaulichen Metropole des 21. Jahrhunderts mit einer sogar größeren grünen Lunge als bisher weiterzuentwickeln, ohne dass hierfür in erheblichem Maße in eine gewachsene Bebauung eingegriffen werden müsste.

Bei alledem dürfen wir nicht vergessen, dass sich die demokratisch legitimierten Entscheidungsgremien im Bund, im Land und in der Region Stuttgart seit vielen Jahren immer wieder mit deutlichen Mehrheiten für das Projekt Stuttgart 21 ausgesprochen haben. Im Planfeststellungsverfahren wurden mehr als 11.000 Einsprüche behandelt. 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg drei Klagen gegen den Umbau des Bahnhofs behandelt und letztlich abgewiesen. Alle Regeln des Rechtsstaats wurden eingehalten. Mehr Transparenz ist kaum vorstellbar.

Die Renovierung des alten Kopfbahnhofs, wie sie das angebliche Alternativkonzept K21 vorsieht, kann die Vorteile von Stuttgart 21 nicht bringen, sondern lockt stattdessen mit blumigen Kostenkalkulationen, die sich in der Planungsrealität wohl eher nicht halten ließen; von den Belastungen für die Reisenden bei einer Modernisierung der Bahnsteighalle bei laufendem Betrieb ganz zu schweigen. K21 würde weder eine schnelle Verbindung zum Flughafen bringen noch das dichtbesiedelte Neckartal entlasten. Und: Wollen Sie wirklich eine Hochtrasse auf Stelzen durch den Schlosspark und über die Fabrikhallen von Daimler in Untertürkheim führen?

Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm bleiben deshalb lohnende und alternativlose Investitionen in die Zukunft unseres Landes. Daran ändern auch die - zugegebenermaßen ärgerlichen - Kostensteigerungen, die übrigens allein der Bund zu tragen hat, nichts. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist nach wie vor deutlich höher als die Investitionskosten.

Sollten Sie nicht einfach nur "dagegen" sein wollen, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie angesichts der guten für das Projekt sprechenden Gründe Ihre kritische Haltung noch einmal überdenken würden.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Ulrich Goll MdL