Frage an Ulla Brede-Hoffmann von Friedemann K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Brede-Hoffmann,
die SPD vertritt im aktuellen Wahlkampf u.a. mit Forderungen wie „Engagement der Bürger stärkt Demokratie“ für mehr Bürgerbeteiligung in Deutschland“ – Siehe Pressemitteilung Kurt Beck vom 22.01.2011. Ich frage mich an dieser Stelle, wie ernst es Ihre Partei mit dieser Forderung wirklich meint, wenn ich mir die die Vorfälle im Hinblick auf die letztes Jahr im Herbst bekannt gewordene Verurteilung des der SPD angehörenden Mainzer Oberbürgermeister Beutel wg. Untreue zu 80 Tagessätzen Geldstrafe vergegenwärtige.
Ich fände es, insbesondere unter Berücksichtigung der SPD-Forderungen nach mehr Bürgerbeteilung mehr als angemessen, den Souverän über die Zukunft von Herrn Beutel entscheiden zu lassen. Die Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz ermöglicht ja durchaus die Einleitung eines derartigen Bürgerentscheids über die Abwahl eines OB. Zwar ist mir auch klar, dass die von den Oppositionsparteien im Mainzer Rat in´s Auge gefasste Einleitung eines derartigen Abwahlverfahrens - http://www.cdu-mainz.de – durchaus auch parteitaktische Hintergründe haben dürfte. Als Bürger dieser Stadt wäre mir die Motivlage der jeweiligen Fraktionen allerdings relativ egal, da ich es von übergeordneter Wichtigkeit halte, angesichts der Vorgänge das Wahlvolk über den OB entscheiden lassen zu können.
Finden Sie, dass die Eröffnung einer Abstimmungsmöglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger über die Frage, ob ein verurteilter OB weiterhin erster Vertreter der Stadt sein sollte, eine so herausragende Bedeutung hat, dass auch Ihre Partei einen Bürgerentscheid in dieser Angelegenheit ermöglichen sollte? Wäre die Zustimmung auch der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Mainz zur Eröffnung einer Abstimmungsmöglichkeit nicht geradezu ein „Lackmustest“, der beweisen würde, wie ernst es Ihre Partei mit der sehr sympathischen und richtigen Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung meint?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Kobusch,
danke für Ihre Frage an mich.
In der Tat ist die Stärkung der Rechte der Bürger bei Planungsprozessen und großen kommunalen Projekten einer der wichtigen Vorschläge in unserem Wahlprogramm. Hierbei können wir uns die wirklich guten Erfahrungen bei den intensiven Beteiligungsprozessen im Rahmen der Kommunalreform zunutze machen. In unterschiedlichsten Formen der Bürgerbeteiligung (Foren, Befragungen, großen Diskussionsveranstaltungen etc.) wurden die Vorschläge der Regierung von den Bürgerinnen und Bürgern beurteilt und durch intensive Gespräche auf die Erwartungen und Bedürfnissen der Menschen vor Ort abgestellt. Solche Beteiligungsprozesse sollen in den nächsten Jahren immer öfter stattfinden.
Die Ernsthaftigkeit unserer Forderung, Menschen an Planungs- und Entwicklungsprozessen, die sie direkt betreffen, zu beteiligen hat zunächst wirklich nichts mit Fragen der Beurteilung des Verhaltens des Mainzer Oberbürgermeisters zu tun.
So wichtig die Landeshauptstadt Mainz auch sein mag, das Wahlprogramm der rheinland-pfälzischen SPD, ihre politische Alltagsarbeit und ihre Vorhaben für die kommenden Jahre muss die Interessen und die Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger des ganzen Landes abbilden, muss Antworten geben auf Probleme aber auch Wünsche aus allen Teilen von Rheinland-Pfalz.
Bürgerbeteiligung wurde also nicht diskutiert mit der Zielsetzung, Bürgerinnen und Bürger vorrangig dazu auf zu fordern, zu der Verurteilung des Mainzer Oberbürgermeisters einen Kommentar zu äußern. Dazu boten die Mainzer Medien oft Gelegenheit und ich begrüße diese Möglichkeiten zur Kommentierung ausdrücklich. Dabei bitte ich zu beachten, dass Oberbürgermeister Beutel nach zunächst zugegebenermaßen unglücklichen Äußerungen der Staatsanwaltsschelte dann doch auch in den örtlichen Medien deutlich seinen Fehler eingeräumt hat. Ob nun dieser Fehler und die daraus resultierende politische Verantwortung Grund für einen Rücktritt vom Amt des Oberbürgermeisters ist, muss in allererster Linie Herr Beutel selbst einschätzen. Er für sein Teil hat das mit der Aussage getan, im Amt bleiben zu wollen für die Dauer, für die er gewählt ist. Viele Bürger und Bürgerinnen haben über diese Entscheidung ihren Unmut, andere ihre Zustimmung in den örtlichen Medien geäußert. Auch dies ist eine wünschenswerte Art der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung.
Ob eine Partei daraus die Notwendigkeit ableitet, einen Bürgerentscheid einzuleiten und die Bürger und Bürgerinnen über Verbleib des Oberbürgermeisters in seinem Amt anstimmen zu lassen, ist die Entscheidung jeder einzelnen Partei, jeder einzelnen Stadtratsfraktion.
Wie durchsichtig parteipolitisch die Ankündigung der CDU für ein solches Verfahren ist, sehen Sie daran, dass man dies vollmundig angekündigt hat, aber den entsprechenden Antrag gar nicht gestellt hat. Ich selbst denke nicht, das die Frage eines Bürgerentscheides über einen Oberbürgermeister, der rechtskräftig verurteilt wurde und diese Strafe angenommen hat, ein Lackmustest für die Ernsthaftigkeit von Bürgerentscheiden in unserem Bundesland ist. Ich möchte lieber mit aller Energie dafür kämpfen, das z.B. bei der Festlegung von Flugrouten und deren Veränderungen im Rahmen von Planfeststellungsverfahren alle von eventuellen Flugrouten betroffenen Bürger und Bürgerinnen und auch Verbände ein Beteiligungsrecht erhalten sollten. Das wäre eine Beteiligung, bei der es um wirkliche Mitbestimmung über Veränderungen von Lebensverhältnissen gehen würde und nicht um eine Option für eine Bürger-Bestrafung eines Oberbürgermeisters, der in der Tat einen Fehler begangen hat, dafür aber bereits bestraft wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Brede-Hoffmann