Frage an Udo Bullmann von Konstantin L. M. bezüglich Wirtschaft
Wie stellen Sie sich unsere Energieversorgung im Jahr 2020 vor? Wie könnte bis dahin unser Energiemix aussehen? Welche Europaweiten Projekte könnten zur verbesserung der aktuellen Situation beitragen?
Sehr geehrter Herr Maier,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Energieversorgung.
In 2007 haben sich die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf einen Mindestanteil von 20 Prozent erneuerbarer Energien am Energiemix bis 2020 verständigt. Das Europäische Parlament hat daraufhin gemeinsam mit dem EU-Ministerrat eine entsprechende Richtlinie als gesetzliche Grundlage verabschiedet (Dezember 2008). Während der Verhandlungen hat sich das Europäische Parlament mit Nachdruck für die Beibehaltung des 20-Prozent-Ziels eingesetzt. Einige EU-Mitgliedstaaten, die einen geringeren Anteil gefordert hatten, konnten sich nicht durchsetzen. Gleichzeitig bestätigten Parlament und Ministerrat auch das Vorhaben, den Energieverbrauch um 20 Prozent zu reduzieren. Wichtig ist nun, in den kommenden Jahren Investitionen und die Forschungsaktivitäten im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz konsequent voranzutreiben, um die nachhaltige Energieversorgung auszubauen. Dies geschieht jedoch nicht über Nacht.
In Deutschland können wir beispielsweise bisher nicht ganz auf Kohle verzichten, denn ansonsten überließen wir den Befürwortern von Atomkraftwerken das Feld. Eine Renaissance der Atomenergie, wie sie Liberale und Konservative fordern, führt jedoch in eine Sackgasse. So werden Abhängigkeiten und Umweltprobleme nicht gelöst, sondern nur verlagert. Deshalb müssen wir auch moderne Kohle- und Gaskraftwerke mit hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung nutzen. Der Einsatz von Blockheizkraftwerken, beispielsweise in privaten Haushalten, bietet ebenfalls interessante Möglichkeiten für Energieeinsparungen.
Laut Schätzungen der EU-Kommission wird der Energiemix 2020 folgendermaßen aussehen: 20 Prozent erneuerbare Energien, 30 Prozent Öl, 20 Prozent Gas, 15 Prozent Kohle und 13 Prozent Atomenergie. Einen ausführlichen Bericht, der auch unterschiedliche Szenarien (etwa die Entwicklung des Ölpreises enthält) finden Sie unter folgendem Link: http://ec.europa.eu/energy/strategies/2008/doc/2008_11_ser2/strategic_energy_review_wd_future_position2.pdf
Einen interessanten Blick über das Jahr 2020 hinaus, bietet beispielsweise das gemeinsame Szenario des Dachverbandes der Erneuerbaren Energien Industrien (EREC), Greenpeace und Wissenschaftlern des UN-Klimarates IPCC: http://www.erec.org/fileadmin/erec_docs/Documents/Publications/energy__r_evolution_-_a_sustainable_energy_outlook_2009-lr.pdf
Europäische Großprojekte, die wichtige Impulse zur Verbesserung der aktuellen Situation darstellen, sind sicherlich der Auf- und Ausbau der Offshore-Windenergie, der auch von der deutschen Bundesregierung vorangetrieben wird. So sollen bis 2030 etwa 30 Windparks in der Nordsee entstehen. Damit folgt Deutschland dem Vorbild seiner europäischen Nachbarn wie etwa Dänemark und den Niederlanden. Darüber hinaus gilt es über die Monopolstellung einiger Unternehmen im Energie- und Gassektor zu sprechen. Des Weiteren brauchen wir endlich eine zukunftsfähige Energiepolitik mit einem gesamteuropäischen Ansatz. Um sich nicht zu sehr von einem Gaslieferanten abhängig zu machen, muss neben der Ostsee-Pipeline die Nabucco-Pipeline durch die Türkei und über den Balkan verwirklicht werden. Sie soll den Zugang zu den Gasfeldern im Kaspischen Raum sichern. Nur so kann in Zukunft verhindert werden, dass tausende Menschen in Europa wochenlang ohne Gas auskommen müssen. Schlussendlich müssen auch Notfallpläne für eventuelle Energiekrisen erstellt werden, die schnelle und solidarische Lösungen beim Ausfall einer Energiequelle vorsehen.
Ich hoffe, diese Informationen verdeutlichen meine Position.
Mit freundlichen Grüßen
Udo Bullmann