Frage an Udo Bullmann von Jonas W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bullmann,
ich frage Sie nicht nur als Co-Spitzenkandidat der SPD, sondern in erster Linie als südhessischer SPD-Europaabgeordneter.
Derzeit überlege ich, ob ich die SPD bei kommenden Europawahl wähle, habe mir aber anschließend eine Wahlentscheidung noch nicht getroffen. Insbesondere die Politik der SPD in der Großen Koalition macht dies gegenwärtig - noch - unmöglich.
Allerdings hätte ich einige Fragen, deren Beantwortung mir zu meiner Wahlentscheidung weiterhelfen würden.
1. In den bisherigen EU-Verträgen ist das Subsidiaritätsprinzip fest verankert. Stehen Sie zu diesem Prinzip? Glauben Sie, dass dieses Prinzip gegenwärtig in der Euroapolitik umgesetzt wird?
2. Die SPD fordert seit dem Heidelberger Programm die “Vereinigten Staaten von Europa“. Wie sehen Sie dies?
3. Die EU-Kommission hat offiziell angekündigt zur Vereinheitlichung der Autobahn-Mautsysteme beitragen zu wollen, da diese ein Mobilitätshindernis sein sollen. Unterstützen Sie dies?
Ein viel größeres Hindernis stellen meiner Meinung nach aber die unterschiedlichen Umweltzonen in den verschiedenen Ländern und Städten dar. Das deutsche System mit farblich unterscheidbaren Umweltplaketten erscheint mir persönlich am logistischen und einfachen. Kann man ein solches System nicht europaweit einführen? Würden Sie eine solche Einführung unterstützen?
4. Wie stehen Sie zu CETA und TTIP? Unterstützen Sie die Ratifizierung von CETA?
5. Unterstützen Sie die Demokratisierung der EU, insbesondere durch Stärkung des EU-Parlaments? Wie sehen Sie die Möglichkeit zur Einführung eines Misstrauensvotums gegen Mitglieder der Kommission und ein Initiativrecht im Gesetzgebungsprozess? Unterstützen Sie dies?
Vielen Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
J. W.
Sehr geehrter Herr W.,
haben sie vielen Dank für Ihr Interesse an der Arbeit des Europaabgeordneten Udo Bullmann. Leider ist uns eine Beantwortung von Anfragen direkt über das Portal www.abgeordnetenwatch.de nicht möglich. Fragen zu seiner politischen Arbeit nehmen Herr Bullmann und sein Team jedoch gerne per E-Mail unter der Adresse udo.bullmann@spd.de entgegen.
Freundliche Grüße,
Margit Wallner
Sehr geehrter Herr Wagner,
vielen Dank für Ihr Interesse an der Arbeit von Herrn Bullmann und Ihre Fragen, die wir im Folgenden gerne beantworten.
In der Tat ist das von Ihnen genannte Subsidiaritätsprinzip ein wichtiger Grundpfeiler europäischer Politik. Im Gesetzgebungsverfahren der EU verfügen sowohl die Parlamente der Mitgliedsstaaten als auch die Ko-Gesetzgeber auf EU-Ebene, das Europäische Parlament und der Ministerrat, über die Möglichkeit, eine Überprüfung der Einhaltung des Prinzips einzufordern. Eine solche Überprüfung ist bislang nur in drei Fällen angefordert worden. Eine Verletzung des Prinzips der Subsidiarität ist dabei in keinem Fall festgestellt worden - was dafür spricht, dass dieses Prinzip bislang korrekt umgesetzt wird.
Ihre Beispiele aus der Verkehrspolitik zeigen sehr gut, dass es es in vielen Bereichen sinnvoll ist, diese auf europäischer Ebene zu regeln. Zu den von Ihnen genannten Anliegen - der Vereinheitlichung der Mauterhebung und der Umweltzulassung von Fahrzeugen - liegen aktuell jedoch noch keine konkreten Vorschläge auf dem Tisch, die sich im Detail bewerten ließen. Grundsätzlich scheint die Einführung eines einheitlichen Regelwerks bzw. eines Systems, das die unterschiedlichen nationalen Systeme miteinander kompatible macht, jedoch sinnvoll. Dies würde die Reisefreiheit in Europa weiter vereinfachen und das Funktionieren des Binnenmarkts fördern.
Auch Im Bereich Außenhandel ist ein einheitliches Vorgehen auf Ebene der EU sinnvoll. Alleine sind die EU-Mitgliedsstaaten - auch Deutschland - zu klein, um echten Einfluss auf die Regeln des globalen Handels nehmen zu können. Nur gemeinsam lassen sich Handelsverträge erreichen, die europäische Errungenschaften, wie unsere hohen Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzstandards, sichern. CETA, das Handelsabkommen mit Kanada, ist ein gutes Beispiel dafür, wie die EU mit vereinten Kräften Verbesserungen im Vergleich zum Status Quo erzielen kann. In den TTIP-Verhandlungen mit den USA war dies ganz offensichtlich nicht möglich-. Daher war es folgerichtig und klug, diese Verhandlungen ohne konkretes Ergebnis zu beenden.
Die Überzeugung, dass wir Europäer nur gemeinsam stark sein können, hat bei uns Sozialdemokraten Tradition. So hat sich die SPD schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg deutlich für ein stärkeres Zusammenwachens in Europa ausgesprochen. Wir möchten die Europäische Union weiterentwickeln und hoffen, vor allem in der nächsten Legislaturperiode große Fortschritte machen zu können in Bezug auf ein sozialeres und solidarischeres Europa.
Das Europäische Parlament hat in den letzten Jahren an Einfluss dazugewonnen. Im Vergleich zu den allermeisten nationalen Parlamenten verfügt das EU-Parlament jedoch bislang über kein Recht, Gesetzgebungsprozesse selbstständig anzuschieben. Dies wollen wir ändern. Allerdings bedeutet dies nicht, dass es nicht auch Bereiche gibt, in denen die Europäische Volksvertretung bereits heute über sehr weitreichende Befugnisse verfügt. So ist die Zustimmung des Europaparlaments eine notwendige Voraussetzung für die Ernennung der EU-Kommissare, die zuvor in den zuständigen Fachausschüssen gehört werden. Auf Bundesebene wählt der Bundestag lediglich den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin, nicht aber die mit den EU-Kommissaren vergleichbaren Ministerinnen und Minister. In diesem Fall ist das Europäische Parlament dem Bundestag also sogar einen Schritt voraus.
Mit freundlichen Grüßen,
Marlies von der Malsburg