Frage an Udo Bullmann von Dieter F. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag.
Zum Stand und zum Verfahren der TTIP-Verhandlungen USA<>EU hätte ich an Sie folgende (Verständnis-) Fragen:
1. Warum wurden die seit Juli 2014 laufenden Verhandlungen abgebrochen, bzw. sind sie nur vertagt (und bis wann)?
2. Wie ist der genaue Verfahrensablauf. Der Rat hat eine "Kommission" mit den Verhandlungen betraut. Falls es zu Ergebnissen kommt, wie tritt ein solches Abkommen dann in Kraft? Ist es vom EU-Parlament und/oder allen nationalen EU-Parlamenten zu ratifizieren?
3. Wie ist Ihre Positionen zu diesem beabsichtigten "Freihandels"-Abkommen, bzw. zur "Inverstors-Partnership"? Sind Sie grundsätzlich dafür/dagegen und wenn ja: mit welchen Inhalten?
M f G
Dieter Fornoni
Sehr geehrter Herr Fornoni,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Verhandlungen zum Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA, dem sogenannten TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Gerne beantworte ich Ihre Fragen hierzu.
Die TTIP-Verhandlungen wurden auf Druck der Abgeordneten und der Zivilgesellschaft ausgesetzt, jedoch nicht endgültig abgebrochen. Der Hintergrund: Eine Reihe von zentralen Themen werden aus europäischer Sicht nicht zufriedenstellend verhandelt. Das gilt insbesondere für das hochumstrittene Investorenschutzabkommen. Wenn bis zu den Zwischenwahlen zum US-amerikanischen Kongress im November 2014 keine Annäherung stattgefunden hat, werden die Verhandlungen auch nicht erneut aufgenommen.
Die Europäische Kommission verhandelt im Auftrag der EU-Staaten und informiert diese sowie den Handelsausschuss des Europäischen Parlaments regelmäßig. Das Verhandlungsverfahren weist aus meiner Sicht leider eine Reihe von Mängeln auf, von denen wir als Sozialdemokraten zwei ganz besonders kritisieren. Erstens wird das Parlament als einzige von der Bevölkerung direkt gewählte Institution nicht an den Verhandlungen beteiligt. Das ist ein klares Demokratiedefizit. Zweitens wird die Öffentlichkeit von den Verhandlungen überhaupt nicht informiert. Gesellschaftliche Debatten werden dadurch unterdrückt. Das ist umso bedauerlicher, als dass sich die Menschen über Chancen und Risiken des Abkommens kein Urteil bilden können. Meine Meinung dazu: Derlei gewichtige Entscheidungen dürfen nicht in Hinterzimmern ausgeklüngelt werden, sondern gehören in die demokratische Arena!
Wenn am Ende des Prozesses ein fertig ausgehandeltes Freihandelsabkommen stehen sollte, bedarf es vor Inkrafttreten der Zustimmung durch das Europäische Parlament und der EU-Regierungen. Eins ist für mich dabei klar: Wir dürfen kein Abkommen unterstützen, das zu einer Aushöhlung unserer sozialen, ökologischen, daten- oder verbraucherschutzrechtlichen Standards führt. Nach derzeitigem Stand weist das Abkommen aber gerade in diesen Bereichen massive Mängel auf. Investorenklagen gegen unsere Sozial- oder Umweltgesetzgebung, Chlorhühnchen auf unseren Tellern oder laxer Umgang mit den Daten europäischer Bürger wird es mit den SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament jedoch nicht geben. Unsere zum Teil über Jahrhunderte erkämpften Rechte und Gesetze dürfen wir nicht den Wirtschaftsinteressen dies- und jenseits des Atlantiks opfern.
Diese Auseinandersetzung können wir aber nur dann gewinnen, wenn uns die Öffentlichkeit und kritische Bürgerinnen und Bürger unterstützen. Um eben diese möchte ich bei Ihnen werben.
Mit freundlichen Grüßen
Udo Bullmann