Frage an Udo Bullmann von Sebastian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bullmann,
Momentan wird in Brüssel über EU-Datenschutzreform beraten. Von etlichen Quellen ist zu erfahren, dass in diesem Zusammenhang massive Versuche der Einflussnahme von Lobbyisten und Lobbyorganisationen zu beobachten sind (siehe z.B.: http://lobbyplag.eu und speziell zu problematischen Implikationen http://lobbyplag.eu/#/compare/problems ).
Ich würde gerne von Ihnen als mein gewählter Vertreter wissen, ob und gegebenenfalls wie Sie die dadurch verursachte Verwässerung und Aufweichung des Datenschutzes zu verhindern suchen?
Mit freundlichen Grüßen,
Sehr geehrter Herr Schmitt,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an unserer Arbeit im Europäischen Parlament. Gern beantworte ich Ihre wichtige Frage zum Thema Datenschutz.
Die von EU-Justizkommissarin Viviane Reding Anfang letzten Jahres vorgelegte Gesetzesinitiative zur Reform des europäischen Datenschutzes ist notwendig, um einen einheitlichen und modernen Rahmen für den Datenschutz in der EU zu schaffen. Die derzeit gültige EU-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 muss den Anforderungen des digitalen Zeitalters angepasst werden. In sozialen Netzwerken, bei Bankgeschäften oder beim Einkauf im Internet geben heute immer mehr Menschen persönliche Daten an. Diese Daten werden nicht nur in Deutschland, sondern vielfach in anderen europäischen Ländern oder im außereuropäischen Ausland gespeichert. Ein einheitlicher Rechtsrahmen, der die Grundrechte der europäischen Bürger sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU wirksam schützt, ist dringend geboten. Wir brauchen Vorschriften, die ein hohes Datenschutzniveau garantieren, gleichzeitig aber nicht das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit einschränken oder unnötigerweise die unproblematische, für Alltagsabläufe erforderliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten verhindern.
Bei der Vorbereitung der Datenschutzreform hat die EU-Kommission die verschiedenen Interessensgruppen angehört und die Auswirkungen einer Reform analysiert. Seitdem der Kommissionsvorschlag veröffentlicht ist und im Parlament diskutiert wird, hat meine Kollegin Birgit Sippel, Datenschutzexpertin der SPD-Delegation und Mitglied des Innenausschusses, zahlreiche Gespräche mit Interessensvertretern über die geplante Reform geführt. Sowohl Unternehmen als auch viele Verbraucherschutzverbände und Nichtregierungsorganisationen haben in Gesprächen ihre Interessen dargestellt.
Bei Gesetzesprojekten ist es grundsätzlich wichtig, ein umfassendes und ausgewogenes Bild über die unterschiedlichen Interessen in der Gesellschaft zu bekommen. Problematisch ist die Zusammenarbeit mit Lobbyisten, wenn Abgeordnete Positionen nicht hinterfragen und einseitig einzelnen, womöglich ressourcenstarken Lobbyisten Gehör schenken. Das ist absolut inakzeptabel und widerspricht meiner Auffassung von einem Abgeordnetenmandat im Auftrag der Wählerinnen und Wähler. Lobbyisten dürfen keinen direkten Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen. Abgeordnete sind ihrem Gewissen unterworfen und tragen die Verantwortung für die Mitgestaltung an der Gesetzgebung und für ihr Abstimmungsverhalten.
Deshalb gilt auch bei der Datenschutzreform: Keinesfalls dürfen einseitig die reinen Profit-Interessen großer Unternehmen berücksichtigt werden. Wir Sozialdemokraten im EU-Parlament setzen uns dafür ein, dass Unternehmen nicht auf Kosten der Privatsphäre Geschäftsmodelle entwickeln. Denn Datenschutz ist unverzichtbar. Dieses Grundrecht muss bei allen persönlichen Daten gelten - seien es etwa die Gehaltsabrechnung, Informationen über den Gesundheitszustand oder über Websites, die jeder einzelne im Internet aufruft, um nur ein paar wichtige Beispiele zu nennen. Es ist wichtig, dass jeder aufgrund von strengen Datenschutzbestimmungen auf einen verantwortungsvollen Umgang mit seinen Daten vertrauen kann.
Wir setzen uns aus diesem Grund dafür ein, dass persönliche Daten nur mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person und zu einem konkret benannten Zweck verarbeitet werden dürfen. Zudem muss das "Recht auf Vergessen" gewährleistet sein, sodass Daten von EU-Bürgern gelöscht werden, wenn der Grund für die Speicherung erlischt. Auch die gezielte Analyse und Bewertung von personenbezogenen Daten - das sogenannte Profiling - muss eingeschränkt werden. Ganz besonders gilt das im Fall von Kindern, für die wir ein vollständiges Verbot des Profilings fordern. All diese Regeln müssen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der EU gelten, solange EU-Bürger betroffen sind. Denn viele Anbieter von Online-Diensten haben ihren Firmensitz nicht in der EU. Um wirklich sicherzustellen, dass große multinationale Datenkonzerne die einheitlichen europäischen Schutzstandards auch einhalten, setzt sich unsere Fraktion für abschreckende Strafen ein. Ein hohes Maß an Datenschutz ist keine Bedrohung für die Wirtschaft, sondern schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen und damit das nötige Vertrauen für Investitionen.
Bei der anstehenden Gesetzesreform ist daher unser Ziel, persönliche Daten in all diesen Bereichen - privat, beruflich und im Umgang mit Behörden - umfassend zu schützen und damit europaweit Datenschutz als Grundrecht durchzusetzen.
Ich hoffe, dass diese Informationen Ihnen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Udo Bullmann
-----Original Message-----
From: abgeordnetenwatch.de [mailto:antwort@abgeordnetenwatch.de]
Sent: 14 May 2013 13:00
To: BULLMANN Udo
Subject: Eine Frage an Sie vom 21.02.2013 20:19
Sehr geehrter Herr Bullmann,
Sebastian Schmitt aus Darmstadt hat als Besucher/in der Seite
www.abgeordnetenwatch.de (EU) bzgl. des Themas "Demokratie und
Bürgerrechte" eine Frage an Sie.
Um diese Frage zu beantworten, schicken Sie diese Mail mit Ihrem
eingefügten Antworttext an uns zurück (als wenn Sie eine normale Mail
beantworten würden).
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Sehr geehrter Herr Bullmann,
Momentan wird in Brüssel über EU-Datenschutzreform beraten. Von etlichen
Quellen ist zu erfahren, dass in diesem Zusammenhang massive Versuche der
Einflussnahme von Lobbyisten und Lobbyorganisationen zu beobachten sind
(siehe z.B.: http://lobbyplag.eu und speziell zu problematischen
Implikationen http://lobbyplag.eu/#/compare/problems ).
Ich würde gerne von Ihnen als mein gewählter Vertreter wissen, ob und
gegebenenfalls wie Sie die dadurch verursachte Verwässerung und
Aufweichung des Datenschutzes zu verhindern suchen?
Mit freundlichen Grüßen,
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Um die Frage direkt einzusehen, können Sie auch diesem Link folgen:
http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-901-22796--f372197.html#q372197
Mit freundlichen Grüßen,
www.abgeordnetenwatch.de
(i.A. von Sebastian Schmitt)
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