Frage an Tobias Lindner von Armin K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Lidner,
Kritiker stellen der Energiewende ein katastrophales Zeugnis aus und führen dabei folgende Argumente an:
1. Übergeordnetes Ziel ist der Klimaschutz und damit ein möglichst hohe und effektive Reduzierung von Treibhausgasen u.a. CO2. Dabei ist es mehr als fraglich, ob dies durch das EEG effektiv erreicht wird.
Dazu folgende Ergänzungen:
2. Beurteilt man die Effizienz in Bezug auf die CO2 Reduzierung, so müssen z.B. bei der Windenergie ca. 200 € und bei der Solarenergie 600,00 € aufgewendet werden, um eine Tonne CO2 einzusparen.
3. Welche weiteren Kosten kommen im Zuge der Energiewende auf uns zu?
a. EEG Umlage pro Jahr aktuell ca. 15 Miliarden €
b. Netzumbauinvestionen von zentral auf dezentral ca. 1,2 Billionen bis 2050
c. Anschluss- u. Versicherungskosten für Stromtrassen der Offshore Windparks zum Festland. 500 Millionen pro Jahr?
d. Kosten für staatlichen Bau und Unterhalt von zusätzlichen Gaskraftwerken, da privatwirtschaftlicher Betrieb aktuell unwirtschaftlich ist.
e. optional Zinskosten für die 5 % Anleihen, der vom Netzumbau betroffenen Anliegern (Bügern)
f. Jährlichen Kosten der Energiewende ca. 40 - 60 Milliarden € bis zum 2050.
Dazu jetzt folgende Fragen:
1. Halten Sie die obige Kostenschätzung für realistisch und ist es vertretbar, dass Politiker diese und die damit verbundenen Konsequenzen verschleiern?
2. Angeblich wurden im sonnenverwöhnten Deutschland 50 % der weltweit installierten Photovoltaik aufgebaut. Ist dies bei der oben beschriebenen Effeziens (CO2 Ersparnis) vertretbar?
3. Aktuell sind erneuerbare Energien wie Windkraft und Solarstrom nicht geeignet die Grundlast des Strombedarfs zu sichern. Führt die aktuelle Förderung dieser Energiegewinnungformen nicht zu einer Überförderung und damit zu nicht vertretbaren Stromspitzen?
4. Gibt es nicht andere Alternativen wie z.B. den Handel von CO2 Zertifikaten, die mit wesentlich geringeren Mitteln, bessere CO2 Einsparungen erzielen können?
.
Mfg.
Armin Klein
Sehr geehrter Herr Klein,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 12.03.2013. Im Folgenden die Antworten zu Ihren Fragen.
1. Halten Sie die obige Kostenschätzung für realistisch und ist es vertretbar, dass Politiker diese und die damit verbundenen Konsequenzen verschleiern?
Die angeführten Kostenschätzungen können wir so nicht teilen, ebenso wenig wie Ihre weiteren Annahmen. Für uns GRÜNE ist der Klimaschutz in der Tat eine zentrale Aufgabe, da ohne einen ambitionierten Klimaschutz die Grundlage unseres Lebens auf diesem Planeten gefährdet wird und durch Klimawandel, Umweltverschmutzung und Raubbau langfristig enorme Kosten verursacht werden. Dennoch ist die Energiewende mehr als ein reines Klimaschutzprogramm. Sie hat bisher fast 400.000 neue Jobs allein bei den Erneuerbaren Energien geschaffen. Und wenn wir mit der Effizienzrevolution loslegen, kommen tausende Jobs hinzu! Zudem nehmen die Bürgerinnen und Bürger die Energieversorgung selbst in die Hand: über eine Million Energie "prosumer"(Produzenten-Konsumenten) gibt es schon. Wir wollen, dass es noch mehr werden. So gehen die Profite nicht an die Konzerne, sondern bleiben bei den Menschen und vor Ort.
Die von Bundesumweltminister Altmaier kürzlich genannten eine Billion Euro wurden vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft sehr treffend als Rechenfehler entlarvt. Hier werden keine Kosten verschleiert, sondern es wird – wie häufig in der Politik - öffentlich über Kostenprognosen gestritten.
2. Angeblich wurden im sonnenverwöhnten Deutschland 50 % der weltweit installierten Photovoltaik aufgebaut. Ist dies bei der oben beschriebenen Effizienz (CO2-Ersparnis) vertretbar?
Es stimmt, dass in Deutschland in den letzten Jahren sehr viel PV zugebaut wurde. Da Deutschland früher als andere Staaten eine gute Förderpolitik durch das rot-grüne EEG begonnen hat, ist es methodisch fragwürdig, diese Zahlen in Relation zum globalen Ausbau zu setzen. Spanien holte zwischenzeitlich auf (ist jetzt aber auf Grund von politischer Fehlsteuerung komplett eingebrochen) und China und die USA sind gerade auf dem Vormarsch. Deutschland braucht die Photovoltaik genauso wie andere Staaten, auch wenn z.B. in Mexiko oder Marokko in einigen Jahren bereits mehr Anlagen stehen werden, weil Photovoltaik dort effizienter funktioniert als in unseren Breitengraden. Wenn wir die Energie immer NUR dort fördern, wo sie am effizientesten zu gewinnen ist, dann bräuchten wir in Europa ein viel besser ausgebautes Netz an Stromleitungen, als wir es bisher haben. Der Netzausbau geht jedoch schleppend voran und ohne eine GRÜNE Regierungsbeteiligung und einen ambitionierten Netzausbau sehe ich in absehbarer Zeit noch nicht die Möglichkeit, Windenergie überwiegend im Norden und Solarenergie im Süden zu fördern. Wir GRÜNE kämpfen für den Netzausbau und für eine ausgewogene Balance im Energiemix der Zukunft zwischen dezentraler Stromgewinnung und Groß-Projekten im Bereich Erneuerbare, mit denen in Europa die lokalen Stärken in der Energieerzeugung effizient genutzt werden und sich über Ländergrenzen hinweg gegenseitig ergänzen.
3. Aktuell sind erneuerbare Energien wie Windkraft und Solarstrom nicht geeignet die Grundlast des Strombedarfs zu sichern. Führt die aktuelle Förderung dieser Energiegewinnungsformen nicht zu einer Überförderung und damit zu nicht vertretbaren Stromspitzen?
Mit der Förderung der Erneuerbaren bauen wir die Alternativen auf, die wir brauchen, wenn die AKWs und Kohlekraftwerke alle bis 2022 bzw. 2030 vom Netz genommen werden sollen. Diese Energiegewinnung wird immer billiger. Zuletzt sorgten die hohen Zubauraten der PV für einiges Aufsehen. Doch auch dort sinkt der Preis pro MWh rapide! Der Emissionshandel hingegen gibt nicht nur Verschmutzung einen Preis, sondern regt auch die effizientesten Klimaschutzmaßnahmen an. EEG und Emissionshandel arbeiten also nicht gegeneinander, sondern ergänzen sich. Der Emissionshandel legt die zulässige Obergrenze der Gesamtemissionen für die Stromwirtschaft und die energieintensiven Industrien fest, das EEG fördert den notwendigen Strukturwandel in der Energiewirtschaft. Beide Instrumente gegeneinander auszuspielen ist klimapolitisch kurzsichtig.
4. Gibt es nicht andere Alternativen wie z.B. den Handel von CO2-Zertifikaten, die mit wesentlich geringeren Mitteln, bessere CO2-Einsparungen erzielen können?
Der Emissionshandel ist nur ein Teil eines notwendigen umfassenderen klimapolitischen Regelwerkes, der zunächst einmal den CO2 Ausstoß der intensivsten Prozesse begrenzt. Bis 2020 müssen wir zwar zunächst “nur” 40 % Minderung erreichen, insgesamt aber ist es notwendig, dass wir unsere CO2 Emissionen drastisch senken, bis 2050 sogar um 80 - 95%, um die Erderwärmung auf maximal 2°C zu begrenzen. Mit einer globalen Erwärmung von mehr als 2 Grad wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Kipp-Punkte im Klimasystem überschritten werden, und sich durch Prozesse wie beispielsweise dem Schmelzen von Eis und der Freisetzung von Methan aus auftauenden Permafrostböden die Erderwärmung verselbstständigen könnte. Ohne den rechtzeitigen (!) Aufbau einer sicheren Energieversorgung auf der Basis Erneuerbarer Energien wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein. Natürlich hätte es eine zusätzlich Dynamik in die Entwicklung der Erneuerbaren Energien gegeben, wenn wir es erreicht hätten, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien automatisch von den zulässigen Gesamtemissionen im Emissionshandelssektor abgezogen worden wäre. Das hätte beide Instrumente noch besser miteinander verbunden und die notwendige Entwicklung hin zu einer CO2 armen Wirtschaft weiter beschleunigt. Dass der Preis für Emissionszertifikate zusammengebrochen ist, liegt nicht am Ausbau der Erneuerbaren Energien, sondern daran, dass der Industrie mehr Zertifikate kostenlos zugeteilt wurden, als sie tatsächlich benötigte. Nicht die Erneuerbaren Energien, sondern ungezügelter Lobbyismus der Industrie war der Grund für den rapiden Preisverfall der Emissionszertifikate in der ersten Handelsperiode.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Lindner