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Tino Sorge
CDU
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Frage von Günter M. •

Sehr geehrter Herr Sorge, sie sprechen sich für eine Laufzeitverlängerung der AKWs aus. Wo in ihrem Wahlkreis wollen Sie ein Endlager für atomaren Müll errichten?

Wer eine Laufzeitverlängerung fordert, muss auch die Konsequenzen tragen und bereit sein, ein Endlager im eigenen Wahlkreis zu dulden.

Warum blockiert die CDU sichere Technologien wie den Ausbau der Windkraft und PV? In ihrem Wahlkreis Magdeburg haben etliche Mitarbeiter der Firma Enercon aufgrund der CDU-Parteipolitik ihren Arbeitsplatz verloren!
Wir werden es in Deutschland aufgrund der Klimaerwärmung mit Dürren zu Tun haben. Woher soll das Kühlwasser für AKWs kommen? (Frankreich musste diesen Sommer etliche AKWs abschalten)

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage. Aus meiner Sicht läuft die Energiepolitik der Bundesregierung in die falsche Richtung.

Den drei noch laufenden Kernkraftwerken in Deutschland den Stecker zu ziehen, war falsch:

Die Koalition erhöht sehenden Auges Deutschlands Abhängigkeit von Energie aus dem Ausland. Wir müssen u.a. Atomstrom aus Frankreich importieren. Und während die Bürgerinnen und Bürger mit einem Heizungsverbot belegt werden sollen, wird die Bundesregierung nun umso mehr auf Gas im Stromsektor und damit auf Gaslieferungen aus dem Ausland angewiesen sein.

Sie nimmt höhere Strompreise für Verbraucher und Industrie als nötig in Kauf. Mehrere Studien belegen den preisstabilisierenden Effekt eines Weiterbetriebs.

Es ist fraglich, ob Deutschland ohne Versorgungsprobleme durch den nächsten Winter kommt. Die Lage an den internationalen Energiemärkten kann sich schnell ändern. Haben ist besser als brauchen – jede Kilowattstunde zählt.

Vor allem aber ist die Entscheidung schlecht fürs Klima: bis zu 30 Mio. Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr ließen sich vermeiden, wenn die Kernkraftwerke länger laufen würden. Bereits seit dem letzten Jahr verstromt Deutschland wieder mehr Kohle: Ihr Anteil ist vom dritten Quartal 2021 zum dritten Quartal 2022 um 13,3 Prozent gestiegen, der Gesamtanteil von Kohlestrom an der Stromerzeugung lag damit bei 36,3 Prozent. Die Ampel wird zur Kohle-Koalition.

Weil Krisenzeiten wie diese pragmatische Reaktionen verlangen, haben wir als CDU/CSU-Fraktion der Koalition mehrfach die Hand gereicht für eine vorübergehende Verlängerung der Laufzeiten bis mindestens Ende 2024.

Dass die Scholz-Regierung dazu nicht im Stande war, hat unterschiedliche Gründe: Für die Grünen gehört der Kampf gegen die Kernkraft zur DNA, sodass persönliche Leidenschaften über nationale Interessen gestellt werden. Die SPD scheut den Konflikt – zulasten von Verbrauchern, Arbeitnehmern und Betrieben. Und der FDP fehlt letztlich die Durchsetzungskraft, den Kurs von Rot-Grün entscheidend zu korrigieren.

Alle drei Parteien tragen jetzt die Verantwortung für Versorgungsrisiken und möglicherweise weiter ausufernde Strompreise im kommenden Winter. Und sie belegen durch ihr Nichtstun und das sture Festhalten an getroffenen Entscheidungen, egal, wie sich die Welt darum herum geändert haben mag, vor allem eine mangelnde Fähigkeit, auf Krisen angemessen zu reagieren. Das ist eine fatale Botschaft. Die Ampel agiert gegen die Empfehlungen des Sachverständigenrats für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Internationale Energieagentur oder die „Unabhängige ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“.

Unsere Forderungen zum Weiterbetrieb der Kernkraft sind klar:

Die drei vom Netz genommenen Kernkraftwerke müssen umgehend wieder hochgefahren werden. Die dafür erforderlichen rechtlichen Grundlagen sind von uns erarbeitet und müssen lediglich beschlossen werden. Unser Ziel bleibt ein vorübergehender Weiterbetrieb der drei nun außer Betrieb genommenen Kernkraftwerke bis mindestens Ende 2024.

Mindestens aber dürfen nun keine irreversiblen Fakten geschaffen werden. Es darf kein Rückbau stattfinden. Wir fordern deshalb, die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland sowie die drei zum Jahresende 2021 stillgelegten Kernkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen in einer Sicherheitsreserve vorzuhalten. Bei Bedarf muss ein Wiederhochfahren innerhalb kürzester Zeit möglich bleiben. Wir unterstützen daher die Forderung der Regierungsfraktion der FDP, die Kernkraftwerke „reaktivierbar" zu halten. Dafür muss die Bundesregierung alles Notwendige schnellstmöglich in die Wege leiten, einschließlich Beschaffung neuer Brennelemente und der Unterlassung der Auswaschung der Reaktordruckbehälter, wodurch die Inbetriebnahme im Notfall unmöglich würde.

Gleichzeitig geht unser Blick bei der künftigen Stromerzeugung in Deutschland über die aktuelle Fehlentscheidung der Ampel hinaus: Kernenergie kann eine Zukunft haben. Wir müssen uns die Chancen auf zukünftige Innovationen erhalten und deswegen technologieoffen Forschung an der Kerntechnik aufrechterhalten. Deutschland lebt von seiner hervorragenden Forschung, den Erfindungen und Entwicklungen von Wissenschaftlern.

Weltweit gibt es erhebliche Anstrengungen, die Nutzung der Kernkraft weiterzuentwickeln, um Risiken der Nutzung zu minimieren und anfallende Abfälle zu reduzieren. Deutschland darf hier nicht abseitsstehen, sondern muss zentraler Akteur sein:

Small Modular Reactors (SMR) verringern durch die Aufteilung großer Kernkraftwerke in viele kleinere das Risiko nuklearer Unfälle erheblich und zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität aus.

Dual-Fluid-Reaktoren sind eine Weiterentwicklung der bisherigen Kernkraftwerke. Der Abfall kann als Brennstoff genutzt werden, wodurch sich dessen Lagerdauer von 200.000 Jahren auf wenige hundert reduziert. Der Verzicht auf Brennstäbe erhöht Sicherheit und Effizienz.

Auf Kernfusionstechnologien fokussieren sich die größten Erwartungen für eine nachhaltige, sichere und zuverlässige Energiegewinnung. Auch wenn es Forschern in den USA Ende 2022 gelungen ist, beim Verschmelzen von Atomkernen erstmals mehr Energie zu gewinnen als zu verbrauchen, bleibt mit dieser Technologie eine Ungewissheit verbunden, wann eine wirtschaftliche Nutzung möglich sein wird.

Gerade jetzt gilt: Technologieoffenheit bedeutet, Wege zum Fortschritt nicht zu verbauen.

Für eine klimaneutrale Energieversorgung von Gesellschaft und Wirtschaft setzt die Scholz-Regierung allein auf Elektrifizierung. Bei Autos, Heizungen und in der Industrie. Weder kann die Ampel bislang ausreichend belegen, wie sie die dafür notwendigen Strommengen sicherstellen möchte. Vor allem aber wird die Bezahlbarkeit von Strom für diese Ampel zunehmend zu einem Problem. Mit ihren Maßnahmen und Ankündigungen erzeugt die Ampel zusätzliche Unsicherheit bei Bürgerinnen und Bürgern. Vom angekündigten Industriestrompreis ist nichts zu sehen. Die Energiepreisbremsen greifen in großen Teilen nicht, werden aufgrund der Bedingungen ausgeschlagen und drohen sich aufgrund ihrer Ausgestaltung sogar selbst als Preistreiber zu erweisen. Gleichzeitig streichen Unternehmen Investitionsvorhaben, bauen vermehrt Stellen in Deutschland ab und planen stattdessen neue Werke außerhalb unseres Landes. Aufgrund der Ampel-Unsicherheit bei den Strompreisen ist es nicht verwunderlich, dass die Kaufzahlen bei Elektroautos sinken, dass Privathaushalte ihre Wärmepumpen abklemmen, dass die Industrie zum sogenannten Fuel Switch greift, dass angesichts des drohenden Heizungsverbots jetzt sogar mehr Gas- und Ölheizungen eingebaut werden.

Deswegen müssen wir dringender denn je unsere Forderungen für ein Sofortprogramm für bezahlbaren Strom untermauern:

Sofortiges Ende der preistreibenden und ausbauhemmenden Erlösabschöpfung bei der Energieerzeugung

Zumindest befristet die Absenkung des Umsatzsteuersatzes für Stromlieferungen auf 7 Prozent

Absenkung der Stromsteuer als Beitrag für eine Entlastung, besonders auch für Wirtschaft und Mittelstand, auch dies zumindest vorübergehend

Verbesserung der Rahmenbedingungen für Direktlieferverträge für die Industrie (sogenannte PPAs, Power Purchase Agreements)

Das sind unsere Eckpfeiler für eine Energiepolitik im Stromsektor, die unter Einbeziehung der Kernenergie die Versorgung sichert, Preise stabilisiert und den Klimaschutz stärkt.

Mit freundlichen Grüßen

Tino Sorge MdB

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