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Tino Sorge
CDU
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Frage von Andreas V. •

Flatratementalität? Bestrafen Sie immer alle, wenn einige ein System mißbrauchen?

als ehemaliger persönlicher Referent von Dr. FJ-Jung und langjähriges Mitglied der Union halte ich es doch für einen schweren Fehler, von Solidarversicherung zu sprechen, obwohl sich weite, vor allem eher gut verdienende Kreise aus dieser Solidarität rausstehlen - Beamte werden sogar quasi "pflichprivatversichert", wenn sie nicht beide Anteile selbst zahlen wollen. Ein tolles Vorbild, wenn der Staat seine Beamten aus beiden Solidarversicherungen rausnimmt! Natürlich gilt das auch für Selbständige und die Abgeordneten. Solidarversicherung bedeutet für mich, dass ALLE da einzahlen - alles andere ist Augenwischerei! Reden und Tun fällt immer mehr auseinander! Solidarität gilt nur ungeteilt!

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr V.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Die Frage, wie unsere Gesundheitsversorgung und Pflege auch zukünftig stabil finanziert werden können, treibt die Gesellschaft um. Leichte Antworten darauf gibt es leider nicht. Die überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hat über viele Jahre Beiträge in das System eingezahlt, verhält sich verantwortungsvoll und erwartet völlig zurecht, dass die Versorgung auch in der Zukunft auf hohem Niveau gesichert ist. Dafür setzen wir als CDU/CSU uns ein, wir wollen über die besten Wege dahin diskutieren.

Dennoch an dieser Stelle einige Fakten, die in der Diskussion leider wenig beachtet werden:

Immer mehr Menschen gehen aus Bequemlichkeit in die Notaufnahme oder mit dem Kind in den Kindernotdienst, obwohl es sich ganz offensichtlich nicht um Notfälle handelt.

Immer mehr Menschen gehen bei Beschwerden direkt zum Facharzt, obwohl es viel sinnvoller (und oft auch schneller) wäre, zunächst den Rat des Hausarztes einzuholen. 

Die gesetzlichen Krankenkassen laufen auf Defizite in Milliardenhöhe zu.

Die Beiträge für die Versicherten steigen seit Jahren immer weiter an. Die Gesamtlast an Steuern und Abgaben in Deutschland liegt mittlerweile durchschnittlich bei über 40 Prozent. 

Die Deutschen gehen pro Jahr rund zehnmal zum Arzt. Das ist europa- und weltweit einer der höchsten Werte. In der EU liegt der Schnitt bei gut fünf Besuchen pro Person und Jahr. Ein Grund liegt in dem Umstand, dass Patienten oft quartalsweise in die Praxis einbestellt werden, nur damit die Abrechnung mit der Krankenkasse ermöglicht wird. 

In den kommenden Jahren werden die „Babyboomer“, die geburtenstarken Jahrgänge, in das pflegebedürftige Alter kommen. Das bedeutet schon heute, dass die aktuellen Beiträge für einen immer höheren Leistungsbedarf ausreichen müssen. 

Angesichts dieser Ausgangslage müssen wir festhalten: 

Der demografische Wandel setzt unsere Gesundheitsversorgung unter massiven Druck. Immer weniger Beitragszahler müssen den steigenden Bedarf von immer mehr Leistungsempfängern finanzieren – sowohl in der Gesundheitsversorgung als auch in der Pflege. Gleichzeitig führen falsche oder unnötige Zuweisungen zu hohen Kosten für die Solidargemeinschaft. 

Zur Gesundheitspolitik zählen auch jene Debatten, die unbequem, wenig populär und mit Kostenfragen verbunden sind. Wir werden uns vor ihnen nicht drücken können. Das umlagefinanzierte System lebt zunehmend über seine Verhältnisse. Wir wollen es nicht kaputtsparen, sondern auch für kommende Generationen finanzierbar halten.

Ein Muster sticht im Regierungsstil der Ampel-Koalition hervor: SPD, Grüne und FDP ignorieren die oben genannten, sich verschärfenden Probleme, die erheblichen finanziellen Defizite und die strukturellen Herausforderungen. Längst angekündigte Reformvorschläge für die gesetzliche Krankenversicherung und die Pflege lassen auf sich warten. 

Stattdessen wird jegliche seriöse Debatte über die Zukunftsfestigkeit und Nachhaltigkeit unseres Gesundheits- und Sozialsystems als unsozial verschrien. Minister Lauterbach selbst bezeichnete die Initiative aus der Union dieser Tage als „unethisch“. Wir als Union sagen: „Unethisch“ ist es, der finanziellen Misere der Kranken- und Pflegekassen über Monate tatenlos zuzuschauen und die Bürgerinnen und Bürger mit regelmäßigen Beitragserhöhungen zur Kasse zu bitten. 

Es hilft wenig, jede seriöse Debatte um sinnvolle Einsparungen reflexartig als unethisch oder unsozial zu verschreien. Diese Diskussion ist gewiss nicht einfach, sie darf aber auch kein Tabu sein. 

Klar ist und bleibt: Selbstverständlich muss jede Sparmaßnahme mit Sonderregelungen für soziale Härtefälle flankiert werden. Es versteht sich von selbst, dass Chroniker und Schwerkranke von einschneidenden Sparmaßnahmen ausgenommen sein müssen. Das haben wir als CDU/CSU immer betont. Unser Anspruch ist und bleibt eine Gesundheits- und Pflegeversorgung, die allen Versicherten eine hochwertige und bezahlbare Versorgung ermöglicht.

Wir als Union führen diese Debatte, weil sie einen Kern unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts betrifft: Die Generationengerechtigkeit, die Daseinsvorsorge und die Lastenteilung zwischen Jung und Alt, Gesund und Alt, Stark und Schwach. Handeln wir nicht, wird das System der gesetzlichen Krankenkassen und der sozialen Pflegeversicherung in den kommenden Jahren schlichtweg nicht mehr finanzierbar sein. 

In den vergangenen Monaten haben wir die Ampel – sowohl bei mehreren Gesetzesvorhaben als auch über Anträge und parlamentarische Anfragen – zu mehr Klarheit und einer offenen Debatte aufgefordert, wie die Zukunft unserer Gesundheitsversorgung finanziell abgesichert werden kann. Dazu zählt beispielsweise auch unsere Forderung, die Beiträge für Bürgergeld-Empfänger korrekterweise aus Steuermitteln statt aus Beitragsgeldern zu finanzieren. Allein dadurch würden im System 10 Milliarden Euro eingespart werden. 

Mit freundlichen Grüßen

Tino Sorge MdB

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