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Tino Sorge
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Frage von Klaus D. •

Frage an Tino Sorge von Klaus D. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Sorge,

mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes wird mit dem neuen Paragraphen 28a eine Möglichkeit geschaffen viele durch das Grundgesetz garantierte Freiheitsrechte ohne weitere Mitwirkung durch die Parlamente einzuschränken. Bedenken zu diesem Gesetzentwurf äußerten auch verschiedene Rechtsexperten. So kritisiert die Juristin Dr. Andrea Kießling von der Ruhr Universität Bochum die geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz. Der neue Paragraf 28a genüge den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Die Vorschrift lasse keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen. Gerichte würden die Vorschrift höchstwahrscheinlich nicht als Rechtsgrundlage akzeptieren.

Bitte teilen Sie mir mit, wie Sie diese Bedenken beurteilen und wie und mit welcher Begründung Sie dem Gesetzentwurf zustimmen oder diesen ablehnen werden.

Vielen Dank im Voraus.
Dr. Klaus Zöltzer

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Sehr geehrter Herr Dr. Zöltzer,

vielen Dank für Ihre Nachricht an mich und Ihr Interesse an der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, die wir beschlossen haben. Auch ich habe der Neuregelung zugestimmt und erläutere Ihnen gern, warum.

Ich persönlich kann sehr gut verstehen, dass Sie über dieses Gesetz und seine Inhalte beunruhigt waren. Schließlich befinden wir uns seit einem Jahr in einer nie dagewesenen Sondersituation. Auf diese außergewöhnliche Lage mussten wir als Gesetzgeber entschlossen reagieren. Und zugleich ist es mir ein großes Anliegen, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land die Gesetze verstehen, die wir im Bundestag auf den Weg bringen.

In der Bewältigung der Corona-Krise vertrauen wir als Gesellschaft auf unser Gesundheitswesen und auf unseren Staat. Von der Versorgung mit Medikamenten und Krankenhauskapazitäten über die weltweite Beschaffung von Schutzmasken bis hin zur Verteilung eines (hoffentlich bald bereitstehenden) Impfstoffes: Unser Staat und unser Gesundheitssystem müssen agil und handlungsfähig sein und auch in Krisenzeiten rechtssicher handeln können.

Darum übertragen wir als Parlament der Bundesregierung (vor allem: dem Bundesministerium für Gesundheit) und den Landesregierungen für einen klar befristeten Zeitraum zusätzliche, klar definierte Kompetenzen im Bereich der Corona-Bekämpfung – und übrigens auch nur dort, nur in diesem Bereich. Das ist nötig, weil es in diesen Wochen vielerorts um den Schutz von Menschenleben geht.

Besonders kritisch diskutiert wurde dabei der neue § 28a des Infektionsschutzgesetzes. Vor allem im Bezug auf diesen Paragrafen möchte ich betonen: Wir Parlamentarier haben mit ganz besonderem Augenmerk herausgearbeitet, dass das Parlament als zentraler Ort der Debatte und als Gesetzgeber unumstritten ist und auch bleibt.

Darum haben wir Folgendes nochmals hervorgehoben und im Gesetzestext ausdrücklich klargestellt:

Die zentralen Ziele aller Maßnahmen müssen der Schutz von Leben und der Gesundheit sowie die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sein. Allein diese Ziele sind Maßstab allen staatlichen Handelns in diesem Bereich.

Werden künftig Rechtsverordnungen zur Corona-Eindämmung erlassen, müssen sie zeitlich klar befristet sein und begründet werden. Das zeigt: Es wird parlamentarisch streng kontrolliert, welche Regelungen die Exekutive unter den Augen des Parlaments trifft.

Und: Bei allen Entscheidungen über Schutzmaßnahmen sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen. Es geht also um Augenmaß, um die Abwägung zwischen verschiedenen Rechtsgütern und um Verhältnismäßigkeit.

Ich bin überzeugt: Diese Punkte im Gesetz stärken die Grundrechte, sie stärken das Parlament, und sie stärken die Demokratie. Und es gibt im Hinblick auf diesen Anspruch drei Aspekte, die mir persönlich besonders am Herzen liegen:

Erstens - All diese Regelungen gelten ausdrücklich nur befristet, und nicht für immer:

Wir als Parlamentarier schauen sehr genau darauf, was die Regierung tut. Wir haben die Möglichkeit, die Ermächtigungen der Exekutive jederzeit zu beenden - insbesondere dann, wenn sich ein Ende der Corona-Krise abzeichnet. Das wird von vielen Kritikern gern übersehen, aber das ist schon seit Beginn der Pandemie geltendes Recht. Wir sprechen also keineswegs von einer dauerhaften Verschiebung der Verhältnisse, sondern von vorübergehenden Maßnahmen. Denn Sie haben völlig Recht: Der Ausnahmezustand darf nicht zum Dauerzustand werden.

Zweitens - Das Parlament wird nicht „entmachtet“, ganz im Gegenteil:

Seit Ausbruch der Pandemie haben wir im Bundestag rund 100 Debatten geführt. Am Parlament vorbei läuft gesetzgeberisch nichts. Wir sprechen hier von einem selbstbewussten, keinem machtlosen Parlament. Nie war die parlamentarische Debatte wichtiger als in dieser Zeit, gerade für mich als Bundestagsabgeordneten. Nicht zuletzt war es der Bundestag, der die historischen Hilfspakete in Milliardenhöhe beschlossen hat. Weitere werden folgen. Der Bundestag als Plenum der vom Volk gewählten Repräsentanten wird auch in Zukunft in ganz zentraler Stellung entscheiden, wie wir mit der Corona-Pandemie umgehen. Daran werde auch ich entschlossen mitwirken.

Drittens - Die Corona-Maßnahmen sind einschneidend, aber auch notwendig:

Dass die Lage noch immer ernst ist und wir die Pandemie noch lange nicht gemeistert haben, lesen und hören wir täglich – Die Gesundheitsämter müssen mit tausenden Soldaten der Bundeswehr unterstützt werden, weil sie in vielen Teilen des Landes überlastet sind. In vielen Krankenhäusern werden die Intensivbetten knapp, planbare Operationen müssen teilweise bereits verschoben werden. Und die Infektionszahlen bleiben leider - auch wenn wir uns daran gewöhnen - hoch.

Vor diesem Hintergrund haben wir im 3. Bevölkerungsschutzgesetz zahlreiche Regelungen auf den Weg gebracht, die uns für den Winter rüsten:

Corona-Impfprogramme werden auf den Weg gebracht. Die Laborkapazitäten für Tests werden erhöht. Die Einreiseanmeldung für Rückkehrer aus Risikogebieten wird entbürokratisiert. Eltern quarantänepflichtiger Kinder werden besser unterstützt. Darum ist es richtig, dass wir dieses Gesetz zum Schutz der Bevölkerung im November auf den Weg gebracht haben.

Einen Wunsch, eine Bitte habe ich an Sie: In den letzten Wochen kursierten haarsträubende Falschinformationen und Lügen – „fake news“ der übelsten Sorte. Mal war von einer „neuen Diktatur“ oder einem „Ermächtigungsgesetz wie 1933“ die Rede, dann wieder von einer „Abschaffung“ oder „Außerkraftsetzung der Grundrechte“, oft auch von einer angeblichen „Entmachtung des Parlaments“.

Ich versichere Ihnen: All das ist nicht der Fall.

Ich bitte Sie – Lassen Sie sich von solchen reißerischen Behauptungen nicht verunsichern. Ob Kettenbrief oder Massenmail: Beim genaueren Hinschauen lassen sich solche Behauptungen sehr schnell als Panikmache entlarven. Davon profitieren leider oft nur die Urheber.

Stattdessen ermuntere ich Sie und lade Sie dazu ein, sachlich und im Interesse unseres Gemeinwohls zu diskutieren. Ich weiß, wir werden dabei nicht immer einer Meinung sein. Aber das gehört dazu. Das ist Demokratie, und sich mit Ihnen auf diesem Wege darüber zu auszutauschen, macht mir Mut, dass die Demokratie in unserem Land nach wie vor sehr gut funktioniert.

Wir befinden uns also in einer außergewöhnlichen Zeit mit außergewöhnlichen Beschränkungen unseres Alltags, unserer Wirtschaft und unseres gesamten Gemeinwesens. Auch mich persönlich trifft das sehr. Wir alle hätten uns ein Jahr 2020 und einen Jahresbeginn 2021 ohne die Pandemie, ohne tausende Todesopfer und ohne die Einschränkungen unseres Zusammenlebens gewünscht. Und doch stehen uns leider noch einige Monate der Ungewissheit bevor. Ich versichere Ihnen, dass ich als Bundestagsabgeordneter alles daran setzen werde, dass unser Land wohlbehalten durch diese schwierige Zeit kommt. Dafür bitte ich Sie weiterhin um Ihr Vertrauen.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Keinesfalls würde ich mich an die jetzige Lage gewöhnen wollen. Auch wir Bundestagsabgeordnete wünschen uns nichts mehr zurück als die Zeit vor Corona – ohne Pandemie, ohne Einschränkungen unseres Alltages. Und doch ist es für diesen Winter noch unumgänglich, dass wir jetzt auf besondere Umstände mit besonderen Mitteln reagieren.

In diesem Sinne wünsche Ihnen für die kommenden Wochen viel Kraft, alles Gute und vor allem Gesundheit.

Mit freundlichen Grüßen

Tino Sorge

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