Frage an Tino Sorge von Peter V. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Sorge,
Sie sind gegen eine Legalisierung von Cannabis und begründen dies mit den Gefahren, die vom Cannabiskonsum ausgehen.
Jedoch kam die Evaluation des 10-Jahres-Programms der UNO zur Drogenbekämpfung schon im Jahr 2008 zu dem Schluss, dass die Prohibition weder Angebot noch Nachfrage von Cannabis einschränkt ( www.schildower-kreis.de/manifest ). Auch aktuellere Studien wie der Bericht der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle 2011 und der Bericht der Global Commission on Drug Policy 2011 kommen zu diesem Ergebnis.
Wie können die gesundheitlichen Gefahren, die vom Cannabiskonsum ausgehen, also ein Grund für die Strafverfolgung sein, wenn diese niemanden vom Konsum abhält und somit auch niemanden vor diesen Gefahren schützen kann?
Hinzu kommt, dass ein großer Teil der Produkte auf dem Schwarzmarkt gestreckt ist, wodurch sich die eigentlichen Gefahren auch noch um ein Vielfaches erweitern. Aus nicht tödlich wird tödlich.
Jetzt müsste man Annehmen, Sie können mindestens ähnlich aussagekräftige Studien vorweisen, die zeigen, dass die Strafverfolgung von Cannabisdelikten eben doch zu weniger Konsum führt. Können Sie aber nicht, oder?
Stattdessen stimmt die CDU auch noch gegen den Oppositionsantrag "Beabsichtigte und unbeabsichtigte Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts überprüfen" (18/1613), der nichts weiter zum Ziel hat, als diese Umstände zu untersuchen. Dieser Antrag ist auch im Interesse des Schildower Kreises (www.schildower-kreis.de/resolution-deutscher-strafrechtsprofessorinnen-und-professoren-an-die-abgeordneten-des-deutschen-bundestages), unterstützt von ca. der Hälfte aller Strafrechtsprofessoren in Deutschland. Diese sind außerdem der Meinung, dass die Cannabisprohibition sowieso verfassungswidrig ist, da sie unvereinbar mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung und individueller Freiheit ist.
Und jetzt beantworten Sie bitte meine Frage.
mit freundlichen Grüßen,
P. V.
Sehr geehrter Herr V.,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de zum Thema Legalisierung von Cannabis.
Wir als CDU und CSU halten konsequent am Ziel eines suchtfreien Lebens fest, deshalb hat auch die Drogen- und Suchtpolitik für die Union eine hohe Priorität. CDU und CSU sind gegen Verharmlosung, Liberalisierung und Legalisierung illegaler Drogen, weil der erleichterte Zugang zu Drogen erst recht zum Konsum verleitet. Forderungen nach Drogenfreigabe sind daher keine verantwortliche Alternative zur Suchthilfe. Dies hätte fatale Auswirkungen vor allem auf Kinder und Jugendliche, denn der Gruppendruck für Drogenkonsum würde erhöht und somit die Schwächsten am stärksten gefährdet.
Gleichzeitig haben CDU und CSU einen sehr wichtigen Schritt in der Versorgung Schwerstkranker gemacht: Wir haben die gesetzliche Grundlage für Cannabis als Medizin und für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen geschaffen. Seit März dieses Jahres können schwerkranke Menschen nach ärztlicher Verschreibung in der Apotheke qualitätsgeprüftes Cannabis erhalten, mit Kostenerstattung der Krankenkassen. Dies hilft den Betroffenen unmittelbar.
Mit diesem Gesetz haben wir auch die Einrichtung einer staatlichen Stelle, der so genannten Cannabisagentur, beschlossen. Diese wird den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland steuern und kontrollieren. Bis Cannabis für medizinische Zwecke aus deutschem Anbau zur Verfügung steht, wird der Bedarf weiterhin über Importe gedeckt, für die die Cannabisagentur nicht zuständig ist, sondern die Bundesopiumstelle.
Wir als CDU/CSU-Fraktion legen großen Wert darauf, dass Cannabis in Deutschland ausschließlich zu medizinischen Zwecken angebaut wird und es sich um ein Arzneimittel handelt. Der Konsum von Cannabis ohne eine medizinische Indikation wird weiterhin strafrechtlich verfolgt.
Allerdings gibt es auf Grund des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 1994, wonach der Besitz von geringen Mengen Cannabis für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden soll, in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Anwendungen dieses Urteils. Während in Berlin und Schleswig-Holstein die Verfahren in der Regel bei bis zu 15 – 30 Gramm eingestellt werden, werden in Bayern und Baden-Württemberg manchmal selbst „Anhaftungen“ und kleine Restmengen unter einem Gramm bestraft.
Wir als Union haben uns auch hier klar positioniert. Wir lehnen es ab, Verfahren bei geringen Mengen generell einzustellen oder die Strafbarkeit des Besitzes geringer Eigenverbrauchsmengen gänzlich abzuschaffen.
Mir ist auch bekannt, dass mehrere Länder in der EU bereits Wege gegangen sind, Drogenkonsumenten zu entkriminalisieren und Möglichkeiten für den legalen Erwerb von Cannabisprodukte zu schaffen. In Spanien ist der Anbau von wenigen Cannabispflanzen für den Eigenbedarf erlaubt und auf dieser Grundlage existieren Cannabis Social Clubs, um den kollektiven Anbau für den Eigenbedarf zu organisieren. Das Bundesland Bremen versucht, den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen über die geringe Menge-Verordnung zu entkriminalisieren.
Auch in Deutschland haben einige deutsche Kommunen nach § 3 Abs. 2 BtMG Ausnahmegenehmigungen für wissenschaftliche Modellprojekte zur legalen Veräußerung von Cannabis beantragt oder planen solche Anträge. Bisher wurden diese Anträge aber abgelehnt. Eine Bundesratsinitiative von Bremen und Thüringen ist kürzlich im Bundesrat gescheitert, mit der die Genehmigungsfähigkeit solcher Modellprojekte geklärt werden sollte.
Sehr geehrter Herr V., wir als Union warnen unverändert vor der Verharmlosung und einer damit einhergehenden Liberalisierung und Legalisierung illegaler Drogen. Ich vertrete die Auffassung, dass ein erleichterter Zugang zu Drogen verstärkt zum Konsum verleitet, insbesondere bei Jugendlichen. Aber ich stehe hinter unserem Beschluss, Cannabis als Arzneimittel für Schwerstkranke zugänglich zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Tino Sorge MdB