Frage an Tino Sorge von André J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag, Herr Sorge,
im Koalitionsvertrag, der auf der Homepage der CDU einsehbar ist, steht auf der Seite 184 etwa in der Seitenmitte folgendes:
"Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen."
Dies widerspricht meiner Ansicht nach dem Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes wo es heisst:
"(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."
Wie werden Sie künftig abstimmen? Nach Ihrem Gewissen, so wie es das GG vorsieht, oder werden Sie Ihrer Fraktion die Treue halten?
Mit freundlichen Grüßen
And?e Jordan
Sehr geehrter Herr Jordan,
vielen Dank für Ihre Frage zum Abstimmungsverhalten von Abgeordneten.
Bevor ich auf Ihre konkrete Frage eingehe, einige grundsätzliche „Überlegungen“:
Jeder Abgeordnete ist sowohl in seiner Meinungsbildung wie auch in seiner Abstimmungsentscheidung frei. Es besteht weder ein rechtlicher Zwang noch eine Sanktionierung eines bestimmten Abstimmungsverhaltens, welcher der Abgeordnete unterlegen wäre. Er verfügt über ein freies Mandat. Dies ist eine wesentliche Grundlage unseres demokratischen Systems.
Die von Ihnen angesprochene Passage im Koalitionsvertrag bezieht sich auf die Zusammenarbeit zweier Fraktionen.
Bei der Bildung einer Regierungskoalition ist es hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit und Verlässlichkeit unbedingt notwendig, möglichst berechenbar, wenn nicht gar vertrauensvoll als Partner zusammen zu arbeiten. Dazu gehört auch, dass sich gefundene Kompromisse und z.B. in Koalitionsverträgen festgehaltene Positionen in entsprechenden verlässlichen Mehrheiten wieder finden. Nur durch die Geschlossenheit der Partei, Fraktion oder Koalition lassen sich politische Ziele parlamentarisch durchsetzen. Dies macht letztendlich die Stabilität der Regierung aus, von der nicht nur die Wirtschaft sondern letztendlich jeder einzelne profitiert.
Das freie Mandat sichert somit die individuelle Verantwortlichkeit der Abgeordneten, neben einer kollektiven Verantwortung.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich jeder Abgeordnete, unabhängig, welcher im Bundestag vertretenen Fraktionen er angehört.
Als direkt gewählter Abgeordneter bin ich in besonderer Weise den Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises verpflichtet. Mein Mandat beruht ausschließlich auf der Entscheidung der Wähler an der Urne. Dementsprechend gleiche ich die verschiedenen Meinungen und Stimmungslagen, die mir in den Begegnungen im Wahlkreis zugetragen werden mit meinem Meinungsbild und natürlich auch dem meiner Fraktion ab.
Dieser Verantwortung bin ich mir bewusst und werde Sie in den nächsten Jahren zu vertreten wissen.
Mit freundlichen Grüßen
Tino Sorge