Frage an Timon Gremmels von Wolf-Christian H. bezüglich Naturschutz
Auch wenn wir als Gesellschaft langsam anfangen, angesichts der Klimakrise die Weichen anders zu stellen, müssen wir uns eingestehen:
Trotz besserem Wissen haben wir viel zu lange und viel zu stark in die falsche Richtung gesteuert. Die Maßnahmen reichen daher bei Weitem nicht aus, um den Kollisionskurs mit der Klimakatastrophe zu verhindern. Dazu wären weit deutlichere und für alle auch einschneidendere Maßnahmen nötig.
Und genau dafür ist ein Bürger:innenrat zum Thema Klima ein essentieller Baustein - zusammen mit der Selbstverpflichtung der Politik, die daraus hervorgehenden Vorschläge und Entscheidungen nicht nur zu berücksichtigen, sondern handlungsleitend und als gewaltige Chance zu begreifen. Denn nur mit dem Rückenwind aus der Bevölkerung können die notwendigen krassen Kurskorrekturen vorgenommen werden, ohne die Demokratie zu beschädigen.
Letztendlich definiert unser Strafrecht, was wir als Gesellschaft tolerieren und was nicht. Die Sklaverei war beispielsweise solange nicht nur geduldet sondern sogar die wirtschaftliche Basis für viele Bereiche, bis sie klar und international unter Strafe gestellt wurde. Genau diese Klarheit brauchen wir jetzt, um den verheerenden und für viele Menschen unmittelbar oder mittelbar tödlichen Umweltzerstörungen Einhalt zu gebieten.
Seit wenigen Tagen unterstützt neben immer mehr Staaten nun auch das europäische Parlament die Bestrebungen, ÖKOZID als internationales Verbrechen anzuerkennen und vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) strafbar zu machen.
In Frankreich hat der Bürger:innen-Klimarat die Kriminalisierung von #ÖKOZID als wichtigste Maßnahme gefordert.
Wie stehen Sie als Mitglied des Petitionsausschusses zur Einberufung eines bundesweiten Bürger:innenrates zur Klimapolitik?
Wie stehen Sie generell zur Einstufung von Ökozid als Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof einerseits und vor nationalen Gerichten andererseits?
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre beiden Fragen auf die ich etwas ausführlicher antworten muss.
Ich halte wie Sie die Klimapolitik für eines der wichtigsten Themenfelder. Die Bundesregierung hat in diesem Bereich vor allem aufgrund der Aktivitäten der sozialdemokratischen Bundesumweltministerin Svenja Schulze neue Weichen gestellt mit denen Deutschland die bis 2050 angestrebte Klimaneutralität erreichen kann und wird und damit einen angemessenen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele leistet.
Die Bundesregierung hat vor einem Jahr, am 9. Oktober 2019, ein umfassendes Klimapaket beschlossen. Viele der Maßnahmen sind heute bereits umgesetzt, wir sind damit einen großen Schritt in Richtung Klimaneutralität gegangen. Unsere Klimaziele sind jetzt gesetzlich verbindlich. Wir haben ein großes Investitionspaket zur Förderung klimafreundlicher Technologien geschnürt, fossile Energieträger teurer gemacht und die schrittweise Abschaffung der EEG-Umlage eingeleitet. Wir haben der Elektro-Mobilität einen Schub gegeben und den Kohleausstieg beschlossen. Wir haben gezeigt, dass Klimapolitik sozial gerecht gemacht werden kann. Wir unterstützen die Automobilindustrie auf dem Weg zu klimafreundlichen Antrieben und investieren damit massiv in die Arbeitsplätze.
Wir haben mit dem Klimaschutzprogramm 2030 das größte Investitionsprogramm für die ökologische Modernisierung unseres Landes geschnürt, das es je gab. Über 54 Milliarden Euro plus einer weiteren Milliarden aus dem Konjunkturpaket – u.a. für die Bahn und alternative Antriebe im Straßenverkehr, für die Sanierung von Wohngebäuden, die Wasserstofftechnologie und Maßnahmen zur Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen.
Deutschland wird die 2020-Zielmarke von 40 Prozent CO2-Reduktion (gegenüber 1990) voraussichtlich erreichen. Auch das 2030-Ziel von minus 55 Prozent können wir erreichen, da das Klimaschutzgesetz sicherstellen wird, dass bei drohender Zielverfehlung unmittelbar nachgesteuert wird.
Wir haben den CO2-Preis mit sozialem Ausgleich eingeführt. Klimaschädliche Energieträger in den Bereichen Wärme (Heizöl, Erdgas) und Verkehr (Benzin, Diesel) bekommen ab 1. Januar 2021 einen schrittweise ansteigenden Preis, der ihre Klimaschädlichkeit zunehmend widerspiegelt. Die Einnahmen werden vollständig in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert oder den Bürger*innen zurückgegeben, z.B. über eine Entlastung beim Strompreis, ein höheres Wohngeld oder eine höhere Entfernungspauschale für Pendler*innen ab dem 21. Kilometer.
Wir unterstützen die Industrie bei der Umstellung auf klimaschonendere Produktionsprozesse.
Wir haben den Weg frei gemacht für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) für ein starkes Signal für Klimaschutz und Beschäftigung, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Solarenergie. Gemeinden, in denen Windparks gebaut werden, erhalten einen finanziellen Ausgleich. Zudem erleichtern wir Mieterstrom und unterstützen damit Mieter*innen: Wenn Vermieter*innen Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren und ihn direkt oder indirekt über den Stromanbieter an die Mieter*innen verkaufen, können sich künftig mehrere Parteien oder ein ganzes Quartier eine EEG-Anlage unbürokratisch teilen. Wir befreien außerdem Solaranlagen mit weniger als 30kw-Leistung von der EEGUmlage und fördern damit den Eigenverbrauch bei der Solarenergie. In dieser Legislaturperiode wollen wir den Anteil von Erneuerbaren Energien an der Stromproduktion noch spürbar anheben. Damit die Erneuerbaren Energien ohne staatliche Förderung auskommen, wollen wir die EEG-Umlage schrittweise absenken.
Auch im Bereich der Energieeffizienz kann Deutschland bereits große Erfolge vorweisen, so erreichte der Primärenergieverbrauch in Deutschland 2020 den niedrigsten Stand seit 1968. In Deutschland wurde 2020 weniger Energie verbraucht als noch vor 50 Jahren, obwohl sich die Bevölkerungszahl um rund 5,5 Millionen vergrößert und die Wirtschaftsleistung mehr als verdoppelt hat.
Um auf diesem Weg zum Wohle der Umwelt und des Klimas immer weiter voranzukommen brauchen wir so viel Unterstützung von der Bevölkerung wie nur möglich. Ein Klimabürger*innenrat kann hier das richtige Instrument sein, um zu helfen die notwendige Unterstützung zu erhalten.
Ich freue mich sehr als zuständiger Berichterstatter für die Petition der Initiative "Klimamitbestimmung jetzt" zur Einberufung eines bundesweiten Bürger*innenrates zur Klimapolitik an der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses in dieser Woche teilzunehmen. Ich halte es für ein grundsätzlich positives Anliegen, dem ich offen gegenüber stehe.
Die öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses finden Sie in der Mediathek des Bundestages unter https://www.bundestag.de/#url=L2Rva3VtZW50ZS90ZXh0YXJjaGl2LzIwMjEva3cwNC1wYS1wZXRpdGlvbi04MTc1OTY=&mod=mod531790.
Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat sich bereits intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt, wie Sie dem Positionspapier unter folgendem Link https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/fraktionsbeschluss_beteiligungsverfahren_20201215.pdf entnehmen können.
Hinsichtlich Ihrer Frage nach meiner Positionierung zur Einstufung von Ökozid als Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof und vor nationalen Gerichten kann ich Ihnen folgendes mitteilen.
Die Teilnahme an der internationalen Strafgesetzgebung geschieht auf freiwilliger Basis. Kein Land kann ein anderes Land gegen seinen Willen verklagen.
Auf nationaler Ebene verhält es sich so, dass schwere Verstöße gegen das Umweltrecht als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld oder sogar als Straftat mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. In Deutschland gibt es Umweltgesetze, die Umweltverstöße ahnden, wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das Bodenschutzgesetz, das Wasserhaushaltsgesetz, das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Chemikaliengesetz und das Bundesnaturschutzgesetz.
Umweltstraftaten als besonders schwerwiegende Zuwiderhandlungen gegen das Umweltrecht ahndet der Gesetzgeber als letztes Mittel (sog. ultima ratio) mit Geld- oder Freiheitsstrafen. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber auch europäische Vorgaben zur wirksamen Umweltpflege (EU-Richtlinie Umweltstrafrecht, 2008/99/EG) umgesetzt. Umweltrechtliche Straftatbestände finden sich in den §§ 324 ff. im 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) unter dem Titel „Straftaten gegen die Umwelt“ und in einigen Umweltgesetzen (z. B. §§ 27 ff Chemikaliengesetz, §§ 71, 71a Bundesnaturschutzgesetz).
Grundsätzlich sind für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten die Bundesländer zuständig, teilweise aber auch der Bund. Das Umweltbundesamt ist z. B. für die Verfolgung und Ahndung einiger Ordnungswidrigkeiten nach § 45 des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (s. hier), von Verstößen gegen die Anzeigeverpflichtung im BattG-Melderegister sowie weiterer Ordnungswidrigkeiten nach § 22 Batteriegesetz zuständig.
Besonders schwerwiegende Zuwiderhandlungen gegen das Umweltrecht können als Umweltstraftaten mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafen bis zu zwei, drei oder fünf Jahren und besonders schwerwiegende Straftaten, z. B. solche, die die öffentliche Wasserversorgung gefährden (§ 330 StGB) mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn oder fünfzehn Jahren bestraft werden.
In Deutschland können nur Individuen, nicht aber juristische Personen strafrechtlich belangt werden, da das deutsche Strafrecht eine persönliche Schuld des Täters voraussetzt. Seit 2017 ist es aber möglich, Gewinne von Unternehmen abzuschöpfen, falls diese durch die Straftat eines Mitarbeitenden entstanden sind (§ 73b StGB).
Sie sehen, dass auch im strafrechtlichen Bereich ein weitgehender Schutz der Umwelt bereits geregelt ist. Aber auch in diesem Bereich wird die Gesetzgebung fortschreiten.
Mit freundlichen Grüßen
Timon Gremmels, MdB