Timon Gremmels
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Frage von Margot A. •

Frage an Timon Gremmels von Margot A. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Gremmels,
Kennen Sie den offenen Brief/die Initiative für ein neues Wirtschaftswunder? https://neues-wirtschaftswunder.de/about/q-a
Wie positionieren Sie sich dazu? Setzen Sie sich dafür ein, daß die Forderungen aus dieser Initiative bekannt werden und in Verhandlungen über Wirtschaftshilfen in der Coronavirus-Krise im Bundestag einfließen?
Mit freundlichen Grüßen.
M. A. (für die Gemeinwohlökonomie-Regionalgruppe Kassel)

Timon Gremmels
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Arabin,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.

In der Politik herrscht weitestgehend Einigkeit, dass wir zum wieder hochfahren der deutschen Wirtschaft Konjunkturprogramme brauchen. Über die Frage, welche Konjunkturmaßnahmen sinnvoll sind, streiten sich Lobbyisten und Verbände mit zunehmender Härte. Sie überbieten sich dabei mit einer Vielzahl von Vorschlägen, die aus der jeweiligen Interessenlogik plausibel und berechtigt sind. Eine Gemeinwohlorientierung, die das Land als Ganzes in den Blick nimmt, liefern sie jedoch nicht. Diese im Blick zu behalten, ist Aufgabe vieler Nichtregierungsorganisationen, der Politik und des Parlaments.

Der Klimawandel ist nicht nur eine Bedrohung, sondern dessen Bewältigung eines der wichtigsten Wettbewerbsfelder für deutsche Unternehmen. Deutschland und Europa haben die Chance, in den kommenden Jahren die Technologien für klimaneutrales Wirtschaften zu liefern. Dazu dürfen wir die bereits begonnene Transformation unserer Wirtschaft durch ein Abrücken von Klimazielen jedoch nicht abbremsen. Das gilt insbesondere für die Automobilindustrie. Eine Abwrackprämie allein, die ausschließlich Technologien aus dem letzten Jahrhundert fördert, löst keine Probleme von Morgen. Viel wichtiger ist, einen Absatzschub für klimafreundliche Fahrzeuge zu setzen, zum Beispiel über ein breites Flottenaustauschprogramm für Handwerker, soziale Dienste und kommunale Fuhrparks.
Außerdem brauchen wir Erleichterungen und Investitionen beim Ausbau der Ladeinfrastrukturen, sowohl im privaten als auch im gewerblichen und im öffentlichen Sektor.

Auf den Innovationsfeldern der Zukunft werden die Grenzen zwischen industrieller Produktion und Dienstleistungen zunehmend durchlässiger, die Unternehmenswelten komplexer. Mit einem Konjunkturimpuls, der dieser Entwicklung Rechnung trägt, wollen wir unsere Wirtschaft widerstandsfähiger machen und besser gegen Krisen wappnen. Dazu muss die dezentrale, Innovationskraft kleinerer und mittlerer Unternehmen gestärkt werden. Wir müssen vermeiden, dass nach der Krise eine Oligopol-Struktur weniger großer, staatsgestützter Unternehmen übrig bleibt.

Dekarbonisierung und Digitalisierung müssen bei einem Konjunkturprogramm einen besonderen Stellenwert bekommen. Nur wenn wir uns auf diese Zukunftsfelder konzentrieren, sind die Innovationsziele angesichts begrenzter Mittel erreichbar. Bis spätestens 2050 wollen wir klimaneutral wirtschaften und leben. Dafür müssen wir den Ausbau der ErneuerbarenEnergien deutlich forcieren. Zuvorderst müssen wir die aktuellen Ausbau-Hemmnisse wie den Solardeckel beseitigen. Wir sind überzeugt, dass Erneuerbare Energie auch zukünftig breit zugänglich und bezahlbar sein müssen, sowohl für Verbraucherinnen und Verbraucher als auch für die Unternehmen. Wasserstoff hat in allen Sektoren eine stark steigende Bedeutung. Die für eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft erforderlichen Technologien sind ein zentrales Kompetenzfeld deutscher Unternehmen.

Auch im Bereich der Digitalisierung stehen wir vor einer sprunghaften Entwicklung. Nur mit einer mutigen Investitions- und Innovationsoffensive kann Europa seine Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit im Digitalbereich sichern. Ohne eigenes Know-how in den Schlüsseltechnologien der Zukunft verliert Deutschland auch in seinen industriellen Kernkompetenzfeldern und im qualifizierten Dienstleistungssektor absehbar seine Spitzenpositionen. Ein Konjunkturimpuls muss Unterstützung im Bereich Künstlicher Intelligenz und Mobilfunk deutlich erhöhen. Außerdem müssen wir verstärkt in aufstrebende Unternehmen investieren: Dazu schlägt die SPD einen Innovationsfonds für die Startup-Szene in Deutschland vor, der Digitalisierung und Klimaschutz verbindet.

Ein erfolgreiches Konjunktur- und Transformationsprogramm der Zukunft verbindet Arbeit, Wirtschaft, Klimaschutz und Innovation. Alles, was wir jetzt entscheiden, muss zugleich einen Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten. Daher ist eine gerechte Lastenteilung wichtig, ein besonderer Fokus auf Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen und deren Stabilisierung über faire Löhne. Pauschale Unternehmenssteuersenkungen ohne plausiblen Lenkungseffekt und die Absenkung vereinbarter und beschlossener Standards insbesondere im Klimabereich lehnen wir ab.

Wie unter einem Brennglas lässt die Corona-Pandemie politische Haltungsunterschiede wieder deutlicher hervortreten: zurück zum neoliberalen Laissez Faire mittels Abbau von Umwelt- und Sozialstandards oder eine innovative, zukunftsorientierte und ökologische Investitionspolitik mit einem gestaltenden Staat. Die SPD-Bundestagsfraktion und ich arbeiten an der zweiten Option. Wie Sie meinen Ausführungen entnehmen können, gibt es zahlreiche Übereinstimmungen mit dien Forderungen der von Ihnen begatten Initiative.

Mit freundlichen Grüßen

Timon Gremmels, MdB

PS: Diese Antwort basiert auf einen Gastbeitrag der drei stellv. SPD-Fraktionsvors. Sören Bartol, Matthias Miersch und Achim Post. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_87814484/corona-krise-so-wollen-spd-politiker-die-wirtschaft-wieder-flott-machen.html