Frage an Timon Gremmels von folckert l. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Grimmels,
mich besorgt, dass es zunehmend Politiker eines Teils unserer demokratischen Parteien gibt (FDP, CSU/CSU, auch SPD), die die Arbeit von demokratietragenden NGOs (wie attac, Change.org, abgeordnetenwatch oder Deutsche Umwelthilfe) infrage stellen oder diese in ihrer Arbeit behindern möchten (z.B. Aberkennung der Gemeinnützigkeit). Die öffentliche Diskriminierung der Umwelthilfe durch Ministerpräsident Laschet angesichts des Dieselskandals ist für mich das krasseste Beispiel. Was können und wollen Sie tun, dass diese Aktivitäten durch gewählte Repräsentanten künftig unterbleiben und die genannten NGOs ihre demokratietragende kritische Rolle weiterhin für unser Gemeinwesen spielen können?
Mit freundlichen Grüßen,
Folckert Lüken-Isberner
Sehr geehrter Herr Dr. Lüken-Isberner,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ich stehe – wie die gesamte SPD-Bundestagsfraktion - klar für eine lebendige und engagierte Zivilgesellschaft. Es trifft nicht zu, dass die SPD zivilgesellschaftliches Engagement infrage stellt - ganz im Gegenteil. Es waren CDU und FDP, die die Gemeinnützigkeit von DUH und PETA angezweifelt haben. Wir haben uns immer dagegen gewandt.
Ich zitiere den aktuellen Beschluss des Bundesparteitags der SPD vom 07. Dezember 2019:
"Zu einer lebendigen Demokratie gehört eine starke Zivilgesellschaft. Wir wollen zivilgesellschaftliches Engagement stärken. Das Urteil des Bundesfinanzhofs zu attac und die Aberkennung der Gemeinnützigkeit haben für Verunsicherung bei vielen Vereinen und Organisationen geführt.
Wir wollen für Rechtssicherheit sorgen und gemeinnützigen Organisationen weiterhin ermöglichen, sich im Rahmen ihrer Zwecke politisch zu engagieren. Wir müssen auch klarstellen, dass z.B. der Aufruf eines Sportvereins zu einer Demonstration gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit möglich ist.
Der SPD-Bundesparteitag spricht sich dafür aus, dass die Gemeinnützigkeit nur dann verweigert oder aberkannt wird, wenn der Organisation verfassungswidrige Bestrebungen nachgewiesen werden. Allein die Erwähnung in Verfassungsschutzberichten ist nicht ausreichend, um die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen solidarisch an der Seite der VVN/BDA und wollen die Gemeinnützigkeit für die VVN/BdA und anderer Vereine, die die Grundwerte des Grundgesetzes gegen antisemitische, rassistische, nationalistische und neofaschistische Angriffe verteidigen, erhalten."
Die Gemeinnützigkeit ist so breit gefasst, dass 98% der Organisationen nicht von der Möglichkeit der Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit betroffen sind, wenn sie sich innerhalb ihrer Zwecke engagieren – Beispiel: Auch ein Sportverein, der sich gegen rechts engagiert, erfüllt seine Aufgabe.
Das Ermessen liegt im Bereich der Finanzämter in den Bundesländern. Das ist auch so gewollt – die Finanzämter sollen ohne politische Einflussnahme agieren – obwohl es hier durchaus Unterschiede in den einzelnen Bundesländern gibt. In jedem Fall muss die Gemeinnützigkeit neu geregelt werden. Verschiedene Lösungen werden diskutiert und wir wissen noch nicht, wie der Vorschlag des Bundesfinanzministeriums zur Neuregelung der Gemeinnützigkeit konkret ausgestaltet sein wird. Noch vor Weihnachten hat die Bundestagsfraktion betroffenen Organisationen zum Gespräch eingeladen, darunter auch einige der von Ihnen genannten Organisationen.
Mit freundlichen Grüßen
Timon Gremmels