Frage an Till Steffen von Thomas R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Dr. Steffen,
ich habe als Wähler folgendes Problem:
Ich bin SPD-Mitglied und Anhänger von rot-grünen Koalitionen.
Auch nach der kommenden Bundestagswahl würde ich mir eine Fortsetzung der jetzigen Regierungskonstellation wünschen.
Um rot-grün zu stärken, so lehrt gerade in Hamburg die Erfahrung, empfiehlt es sich, mit der Erststimme den hier in allen Wahlkreisen üblicherweise sehr aussichtsreichen SPD-Kandidaten zu wählen und mit der Zweitstimme die Grünen, da die SPD in Hamburg, sofern sie, was nicht unwahrscheinlich ist, alle Direktmandate gewinnt, auf die Zweitstimme in der regel nicht mehr angewiesen ist.
Bei den letzten beiden Bundestagswahlen ist diese Rechnung ja auch hervorragend aufgegangen.
Dieses Jahr könnte es aber durchaus ins Gewicht fallen, dass die Hamburger Grünen fast durchweg hochkarätige Bewerber für die Direktmandate aufgestellt haben. Diese haben aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Chance, ihren Wahlkreis zu gewinnen.
Ihre Kandidatur könnte allerdings dazu führen, dass den SPD-Kanddaten entscheidende Stimmen fehlen und als lachender Dritter plötzlich der CDU_Bewerber den Wahlkreis holt. Insbesondere in Eimsbüttel und Nord besteht diese "Gefahr".
Daher nun meine Frage: Machen Sie persönlich in Eimsbüttel ernsthaften Wahlkampf um die Erststimmen im Bewusstsein, damit die Chancen von rot-grün weiter zu schwächen?
Oder setzten auch Sie darauf, im Wahlkampf vor allem um die Zweitstimme des Wählers zu werben, von der Sie ganz persönlich ja zunächst gar nicht profitieren würden?
Wie stehen Sie zu diesem Dilemma, das sicher nicht wenige im rot-grünen Lager beschäftigt?
Und als Letztes: Kann ich sicher sein, mit meiner Zweitstimme für die Grünen nicht am Ende einem schwarz-grünen Bündnis auf die Sprünge zu helfen?
Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung meiner Fragen!
Herzlichen Gruß
T. Reimers
Lieber Herr Reimers,
für den Fortbestand von rot-grün ist es zunächst mal unerheblich, wer das Direktmandat gewinnt. Wird Herr Annen nicht direkt gewählt, so wird dafür aller Voraussicht nach Frau Stapelfeldt von der SPD-Landesliste in den Bundestag einrücken (die auch aus Eimsbüttel kommt). Herr Beuß von der CDU wiederum ist ziemlich sicher über die Landesliste drin, so dass er von der Konkurrenz von Herrn Annen und mir nicht profitiert. Die EimsbüttlerInnen können also praktisch nur entscheiden, ob Herr Annen oder ich oder keiner von beiden in den Bundestag kommt, wobei, wie schon angedeutet, dadurch jeweils weitere parteiinterne Folgen abhängen.
Da die Mehrheitsverhältnisse fast ausschließlich über die Zweitstimme entschieden werden, hat die Erststimme in erster Linie symbolische Bedeutung. Die SPD hat zum Auftakt des Wahlkampfs angekündigt, einen eigenständigen, von den Grünen unabhängigen Wahlkampf zu machen. Eine solche Ansage macht einen derart eng verschränkten Wahlkampf mit ziemlich offener Empfehlung, mit der Erststimme SPD zu wählen, dieses Mal unmöglich. Schließlich ist es dieses Mal nicht ganz unwahrscheinlich, dass ein so gewählter SPD-Kandidat am Ende die Hand für eine Große Koalition heben wird.
Bei den sich verändernden Mehrheitsverhältnissen in Eimsbüttel wäre auch schwer zu sagen, wer wen gegen den CDU-Kandidaten zu unterstützen hätte. Die Reihenfolge der Parteien war bei den letzten Wahlen durchaus unterschiedlich. Bei der Europawahl z.B. lagen die Grünen in Eimsbüttel bei über 30 % und damit sieben vor der SPD und drei hinter der CDU.
Mit freundlichen Grüßen
Till Steffen