Frage an Till Steffen von Freigang M. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Dr. Steffen,
im heutigen Abendblatt (11.1.2013) las ich die Stellungnahme des ADAC zur Busbeschleunigung.
Speziell geht es darum, dass die Bushaltebuchten zurückgebaut werden sollen.
Sie bringen dazu Argumente, die völlig an der Realität vorbei gehen:
1.) Sie sind der Meinung, dass Haltebuchten "meist" und zwar "zur Hälfte" zugeparkt werden.
Ich bin regelmäßiger Busfahrer von Lokstedt zur City mit Linie 5. Dort ist selten mal eine Haltebucht behindert, meist durch Lieferwagen. Von ´meist zuparken´ und zwar ´zur Hälfte´ kann nicht die Rede sein. In welcher Stadt leben Sie denn?
2.) Es ist schon einmal von einer roten Regierung der Versuch gemacht worden, die Bushaltebuchten zurückzubauen, was vom CDU-Senat rückgängig gemacht wurde - aus gutem Grund. Hat Hamburg denn soviel Geld, um Maßnahmen des einen Senats vom anderen wieder rückgängig machen zu lassen?
3.) Hamburg ist eine Verkehrsdurchgangsstadt, da sie, leider anders als andere deutsche Großstädte, keinen geschlossenen Autobahnring besitzt. Der durch die Stadt fließende Verkehr darf nicht durch Bushaltestellen behindert werden. Der ADAC hat Recht, es gäbe ein Verkehrschaos, bzw. Staus wären erneut vorprogrammiert.
Meine Frage ist nun: Was denken Sie sich bei so einem Vorhaben, das völlig an den Erfordernissen der Stadt vorbeigeht?
Wenn die Energie- bzw. Benzinpreise weiter steigen, erledigt sich ein Teil des Problems ohnehin von selbst. Statt Geld für so etwas Unsinniges zu verschwenden, sollten die HVV-Preise gesenkt werden, um Busse und Bahnen attraktiver für uns Bewohner zu machen. Auch sind Parkplätze in der Stadt kaum zu bekommen, und Parkhäuser sind sehr teuer. Sie behindern also nicht nur die Einwohner Hamburgs, sondern den fließenden Durchgangsverkehr, der keinerlei Alternative hat. Schließlich lebt Hamburg auch von seinen Pendlern aus dem Umland.
Mit freundlichen Grüßen
Freigang Müller
Sehr geehrter Herr Freigang,
vielen Dank für Ihre Frage und die inhaltlichen Ausführungen, auf die ich gerne antworte.
Zu Ihrem ersten Punkt: die Metrobus-Linie 5 ist in der Tat ein sehr schönes Beispiel, wie es sein sollte. Sie läuft meistens auf einer eigenen Busspur und hat die Haltestellen direkt an der Spur, so dass sie auf hochfrequentierter Strecke nicht in den Parkraumkonflikt an der Straßenseite gerät. Wenn ich mir dagegen die Metrobus-Linie 4 anschaue, die ich doch recht häufig benutze, ergibt sich ein anderes Bild. Die 4 fährt einen Großteil ihrer Strecke mit dem Autoverkehr und schlägt zum Halten in Busbuchten ein. Beispielsweise an der Osterstraße kommt es häufig zu Konflikten mit PKW, weil AutofahrerInnen hier gerne kurz mal anhalten. Das verzögert nicht nur die Anfahrt, die Busse können auch schlechter an den Rand fahren, so dass mobilitäts-eingeschränkte Personen (ältere Menschen oder Menschen mit Gehwagen, Kinderwagen oder Gepäck) schwerer aus dem Bus ein- und aussteigen können.
Zu 2 und 3.: Ich bin kein Freund des Busbeschleunigungsprogramms des Senats. Ich glaube, dass hier eine Menge Geld verschwendet wird, dass man in nachhaltigere Verkehrsmittel investieren sollte, anstatt in Busse. Selbst mit diesem Programm sind die Bus-Kapazitäten spätestens Mitte des nächsten Jahrzehnts erschöpft und wir werden uns nach Alternativen umsehen müssen.
Dennoch muss ich zugeben, dass es, wenn man auf Busse setzt, viele Vorteile hat, Buskaps zu nutzen. Der Bus wird nicht mehr vom Autoverkehr ausgebremst und das Ein- bzw. Aussteigen wird für die Fahrgäste ein vielfaches komfortabler und zügiger. So spart der Bus letztendlich Fahrzeit ein, was sich in reduzierten Kosten niederschlägt. Diese Rechnung macht auch die Hochbahn. Die Beispiele aus anderen Städten, die mit Buskaps arbeiten (z.B. Hannover) zeigen sehr deutlich, dass diese weder Sicherheitsmängel noch Staus in großem Maße produzieren. Damit gibt man dem Bus auf der Straße ein wenig Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr. Und da wir ja den ÖPNV fördern müssen, um die PKW in der Stadt zu reduzieren, finde ich das mehr als vertretbar.
Ich stimme Ihnen zu, dass wir den öffentlichen Nahverkehr weiter fördern müssen, aber ich glaube auch, dass viele PendlerInnen bereits heute durch die Anbindungen von S-Bahnen und Park + Ride-Plätzen viele Möglichkeiten haben, Auto-los nach Hamburg reinzukommen. Hier können Hamburg und die Metropolregion noch einiges verbessern (AKN, S4 ausbauen, S3 verstärken, Geesthacht auf der Schiene anbinden), aber schlecht ist die Situation auch nicht.
Beim HVV-Tarif bin ich der Meinung, dass die Stadt die Kostensteigerungen nicht allein auf die Fahrgäste abwälzen kann, die neue Tariferhöhung findet daher so nicht meine Zustimmung.
Allerdings finde ich die Parksituation in Hamburg sehr nachbesserungsbedürftig. Ich setze mich für eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung nach Berliner Modell ein, die Parkzonen ausweist, wo Gebietsfremde ein Parkticket ziehen müssen und Anwohnende für wenig Geld einen Anwohnerparkausweis erwerben können. So wird der Ziel- und Quellverkehr um 20 bis 40% gesenkt, die Verkehrswegesicherheit erhöht und die Suche nach einem Parkplatz auch belohnt, da Autos gar nicht oder weniger lange stehen.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Till Steffen