Till Steffen im Niendorfer Gehege bei einer Fahrradtour
Till Steffen
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Bianca W. •

Frage an Till Steffen von Bianca W. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Steffen,

unter ihrer Aufsicht als Justiz-Senator von Hamburg musste die Staatsanwaltschaft zu einer Ermittlung gegen die Polizei, regelrecht genötigt werden, weil ein Videobeweis der Misshandlung existierte.

Nachzulesen im Artikel der TAZ "Video zwingt Justiz zum Handeln":
http://www.taz.de/1/nord/bremen/artikel/?dig=2011/01/19/a0027&cHash=2af941f88c

Als Justiz-Senator obliegt ihnen eine Aufsichtspflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft.
In Artikel 3(1) des Grundgesetzes heißt es: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich."

Wann werden in Hamburg die Polizisten als Menschen anerkannt?

Müssen wir erst warten bis Videobeweise in Polizeigewahrsam vernichtet werden, damit Polizisten freigesprochen werden können, wie im Fall Oliver Neß am Gänsemarkt geschehen?

Gruß B. Wendt ...

Till Steffen im Niendorfer Gehege bei einer Fahrradtour
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Wendt,

ich fand die Situation auch nicht befriedigend und hatte mir deswegen die Strukturen sehr genau angesehen. Es ist zwar immer etwas absurd, wenn die absolute Zahl der Strafverfahren gegen PolizistInnen angeführt wird, weil dabei auch sehr viele Verfahren dabei sind, wo es überhaupt keinen Anhaltspunkt für ein Fehlverhalten der Polizei gibt. Gleichwohl mochte ich auch nicht glauben, dass das tatsächlich kein Fall dabei sein sollte, wo ein hinreichender Tatverdacht für eine Anklageerhebung dabei sein sollte.

Ergebnis der Analyse war, dass die Verfahren häufig zu lange dauern, weil den einzelnen Ermittlungsansätzen nacheinander nachgegangen wurde und die Staatsanwaltschaft zu stark die Dienstelle Interne Ermittlungen (DIE, die in diesen Fällen anstelle der Polizei tätig wird), die Ermittlungen leiten lässt. Das wurde geändert.

Zwar lässt sich auch hier nicht eindeutig Ursache und Wirkung belegen. Es kam jedenfalls in der Folgezeit zu einer ganzen Reihe von Anklagen, wie es sich auch aus der Antwort auf die Kleine Anfrage von Christiane Schneider (Linke) 19/8128 ergibt. Das Abendblatt hatte vor einigen Monaten auch mal über einige der Verfahren berichtet http://www.abendblatt.de/hamburg/article1601511/Staatsanwalt-klagt-zwei-Hamburger-Polizisten-an.html, die taz nicht.

In der Praxis ist auch ein Problem, dass es zwar Video- und Fotoaufnahmen von Übergriffen ergibt, dass sich aber häufig überhaupt keine Zeugen finden, die dringend benötigt würden, um das Gesamtgeschehen würdigen zu können oder einzelne Handlungen einzelnen Personen zuzuordnen. Ein großes Problem ist aber die fehlende Identifizierbarkeit der PolizistInnen. Es muss zumindest eine Kennzeichnung mit Nummern her, um die Verantwortung für einzelne Handlungen zuordnen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Till Steffen

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