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Frage von Martina J. •

Frage an Ties Rabe von Martina J. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Rabe,

vielen Dank für Ihre Antwort.

Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen.

Dass die Max Brauer Schule den deutschen Schulpreis bekommen hat, weiß ich natürlich.
Schaut man sich diesen Preis aber mal näher an, so sieht man, dass es sich bei den
ausgezeichneten Schulen eigentlich nur um Reformschulen handelt, die mit den „Rezepten“ der Reformpädagogik wie individualisiertes Lernen im offenen Unterricht, Stationenlernen etc, arbeiten.

Für die Verleihung dieses Preises spielt das Kriterium, welche Lernerfolge bei welchen Schülern mit eben diesen Methoden erzielt werden, anscheinend gar keine Rolle.

Kann man wirklich guten Gewissens mit Verweis auf diesen Preis behaupten, dass die Primarschule mit eben diesen Methoden alle Schüler/innen zu besseren Lernerfolgen führen wird, obwohl das überhaupt nicht geprüft wurde?
Und dass diese neue Lernkultur nur funktioniert, wenn die Schüler/innen 6 Jahre gemeinsam lernen, obwohl man das ebenfalls nicht empirisch geprüft hat?

Genügt es wirklich als Grundlage für eine Reform, die alle Hamburger Schulen in Mitleidenschaft ziehen und erfolgreich arbeitende Systeme zerstören oder zumindest sehr schwächen wird, dass Sie, die Robert-Bosch-Stiftung, einige Erziehungswissenschaftler, viele Politiker und alle Befürworter der Primarschule von dieser neuen Lernkultur „persönlich“ überzeugt sind?

Und dabei die Stimmen von Erziehungswissenschaftlern, die mit nationalen und internationalen Studien nachweisen, dass gerade der „offene“ Unterricht benachteiligte Schüler benachteiligt, einfach ignoriert? (1)*

Und empirisch fundierte (!) Ansätze für eine neue Lernkultur wie die des Lüneburger Bildungsforschers Prof. Martin Wellenreuther noch nicht einmal diskutiert? (2)* und (3)*

Mit freundlichen Grüßen
Martina Juhnke

(1)* http://schulformdebatte.de/contentbox/data/uhl.pdf

(2)* http://www.martin-wellenreuther.de/publikation/semi0034.pdf

(3) * http://www.martin-wellenreuther.de/content/Individualisieren.pdf

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Juhnke,

Sie fragen nach empirischen, wissenschaftlichen Beweisen für bestimmte Elemente der Schulreform. Ich sage Ihnen ehrlich: Empirische, wissenschaftlich nachvollziehbare Beweise für bestimmte Elemente der Schulreform gibt es nicht. Es gibt sehr wohl Indizien, aber eben keine Beweise.

Das liegt unter anderem daran, dass Wissenschaftler nach der "empirischen Wende" in der Schulpolitik erst seit rund zehn Jahren mit wissenschaftlicher Genauigkeit Lernen und Schule analysieren. Das liebt auch daran, dass verlässliche Studien eine ungeheurer Anzahl von Schülern über einen längeren Zeitraum beobachten müssen, das ist kompliziert, teuer und langwierig.

Das liegt aber vor allem daran, dass es nach wie vor schwierig ist, die vielfältigen Einflüsse auf den Lernerfolg von Kindern klar zu erfassen. Das alles führt dazu, dass wissenschaftliche Studien keine allgemein gültigen Beweise für bestimmte Reformen liefern.

Solche Beweise gibt es allerdings auch in keinem anderen Politikfeld. Wo ist der Beweis dafür, dass islamistischer Terror durch die Bundeswehr in Afghanistan bekämpft werden kann? Wo ist der Beweis dafür, dass es richtig ist, Kindergeld zu bezahlen? Wo ist der wissenschaftlich unstrittige Beweis dafür, dass die Ehe geschützt werden muss (Grundgesetz)? Wo ist der Beweis dafür, dass man in kleineren Klassen besser lernt? Auch solche Beweise gibt es nicht.

Übrigens gibt es auch keine Beweise dafür, dass das Beibehalten der bisherigen Schulstruktur richtig ist. Auch die von Ihnen angedeuteten Thesen zur Schulpolitik sind ohne jeden Beweis.

Es gibt viele Indizien, die belegen, dass gemeinsames Lernen und individualisierter Unterricht erfolgreiche Konzepte sind. Diese Indizien habe ich Ihnen im letzten Brief dargestellt. Mehr gibt es nicht.

Trotzdem muss Politik handeln. Das gilt erst Recht für die Schulpolitik. 3.500 Schüler scheitern jedes Jahr in Hamburgs Schulen. Das darf nicht so bleiben. Deshalb unterstützen wir die Schulreform.

Herzliche Grüße

Ties Rabe