Frage an Ties Rabe von Elisabeth S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Rabe!
Wird sich die SPD nach einem erfolgreichen Ablehnen der Primarschule für das gemeinsame Lernen vor Klasse 1 und vor der Vorschule in den Stadtteilen einsetzen, so wie es in Frankreich, Spanien oder anderern Ländern auch außerhalb Europas praktiziert wird?
Es stehen dann doch ungeheuer viele Millionen Euros zur Verfügung , die umgehend in die frühkindliche gemeinsame Bildung aller Hamburger Kinder fließen können. Kann dies ein gemeinsames Lernen sein, das von der gesamten Hamburger Bevölkerung und allen Parteien getragen wird? Oder wird sich die Bürgerschaft schmollend zurückziehen und die Hamburger durch Untätigkeit auf dem Bildungssektor bestrafen?
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Schleier
Sehr geehrte Frau Schleier,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Vorab: Ich gehe davon aus, dass es den Parteien in der Bürgerschaft gelingen wird, die Bürgerinnen und Bürger von den Vorteilen des neuen Schulgesetzes zu überzeugen. Unabhängig davon setzt sich die SPD seit langem dafür ein, die frühkindliche Bildung zu verbessern. Wir werden unsere Bemühungen unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids in Zukunft fortsetzen und weiter verstärken.
Aus gutem Grund:
Mehr als ein Viertel aller Hamburger Schülerinnen und Schüler gelten als so genannte Risikoschüler. Im Alter von 15 Jahren können sie so gut - besser "so schlecht" - lesen, schreiben und rechnen wie ein Viertklässler. Und ein Jahr später verlassen sie in der Regel chancenlos die Schule. 3.500 Jugendliche jedes Jahr! Diese Bildungskatastrophe müssen wir dringend in den Griff bekommen.
Anders als in vielen anderen bildungspolitischen Fragen sind sich in diesem Fall alle Wissenschaftler einmal einig: Die frühkindliche Bildung vor der Schule bietet die größten Möglichkeiten, um die Chancen für diese benachteiligten Schüler zu verbessern. In der Kindertagesstätte und in der Vorschule können die Kinder spielerisch und altersangemessen viel lernen: zum Beispiel sprechen, zuhören, sich konzentrieren, Ausdauer und Disziplin, aber auch Spaß am Lernen und Freude am Miteinander.
Dafür braucht Hamburg klarere Bildungspläne, kluge Konzepte, engagierte und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kita und Vorschule - aber vor allem mehr und längere Betreuungs- und Lernzeiten in Kita und Vorschule ohne Elternbeiträge. Das kostet in der Tat Geld - aber es ist gut angelegtes Geld, das den Kindern unserer Stadt und damit auch unserer Stadt neue Chancen eröffnet.
Leider vernachlässigt die derzeitige Regierung diese Chancen in grob fahrlässiger Weise. Statt die frühkindliche Bildung zu verbessern, wird ein sinnloser Streit um die Abschaffung der Vorschule angezettelt. Zugleich werden die Elternbeiträge für die Kindertagesstätte angehoben, gleichzeitig wird die ganze Stadt in Aufruhr versetzt. Klug ist das wirklich nicht.
Eine Chance, dieses Chaos in einem zentralen Bereich der Bildungspolitik zu ändern, haben die Hamburgerinnen und Hamburger vermutlich erst mit der nächsten Wahl. Bis dahin kann man nur hoffen, dass der Senat die bestehende Angebote wenigstens nicht noch weiter beschädigt.
Herzliche Grüße
Ties Rabe
Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft
Schulpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion