Welche falschen Signale senden Kanada, Australien und die Hälfte der Rest der Welt, die die doppelter Staatsangehörigeit schon lange erlauben?
Die meisten Länder in Europa, Nordamerika und Ozeanien erlauben schon seit Jahrzehnten die mehrfache Staatsangehörigkeit. In diesen Staaten haben Deutsche meistens schon nach 3 Jahren, z.B. Kanada, oder nach 5 Jahren, z.B. Australien, USA, Frankreich, ein Anrecht auf Einbürgerung. Das hat sich schon lange ganz gut in diesen Ländern bewert. Zu Problemen hat das nicht geführt. Diese haben nämlich schon früh erkannt, dass wenn sich jemand vor der Wehrpflicht, Jury-Service oder anderen Pflichten drücken will, der braucht gar keine andere Staatsangehörigkeit und es geht auch ohne genau so leicht.
Sie meinten in einer Antwort zu einer anderen Frage (https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/thorsten-frei/fragen-antworten/mehrstaatigkeit), dass Deutschland "völlig falschen Signale" in die Welt senden würde, wenn pauschal die mehrfache Staatsangehörigkeit erlaubt wird. Welche falschen Signalen sendet denn dann die Hälfte der Länder des Planeten Erde die diese bereits erlauben?
Sehr geehrter Herr. B.
die Frage der Staatsangehörigkeit ist nicht isoliert von den Rahmenbedingungen der Migrationspolitik bzw. vom Migrationsgeschehen zu betrachten. Kanada hat es relativ einfach. Asylbewerber, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind und aufgrund mangelnder Qualifikation erwartbar lange auf den Sozialstaat angewiesen sein würden, kommen nicht auf dem Landweg. Es werden pro Jahr lediglich 30.000 Personen über ein Aufnahmekontingent aufgenommen, wobei die finanziellen Lasten für den Staat gering zu sein scheinen. Das Land sucht sich Menschen mit hohen und höchsten Qualifikationen aus. Es wird faktisch ein Startkapital verlangt und die Menschen müssen selbstverständlich die Sprache sprechen. Solche Menschen sind ein großer Gewinn für eine Gesellschaft, da sie etwas mitbringen und sich einbringen wollen. Folglich ist nicht verwunderlich, dass man diese Menschen sehr schnell binden will - mit allen Pflichten und auch Rechten.
Interessant ist für mich in diesem Zusammenhang dieser Überblick: https://www.deutschlandfunk.de/einwanderungspolitik-kanada-harte-auswahl-weiche-landung-100.html.
Deutschland mit seiner zentralen Lage in Europa hat es da erheblich schwerer. Allein in diesem Jahr nehmen wir über 500.000 Menschen auf, die Asyl beantragen, vor Krieg fliehen oder ein besseres Leben suchen. Im letzten Jahr waren es knapp 1,3 Mio. Viele davon sind schlecht oder gar nicht qualifiziert, kaum einer spricht unsere Sprache, viele lehnen unsere Werteordnung ab und ein Großteil wird viele Jahre oder gar dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen sein. Viele dürften nicht einmal einen legalen Aufenthaltstitel bekommen. Insofern wäre es das falsche Signal, solchen Menschen auch noch nach drei Jahren den deutschen Pass zu bieten. Das würde den Sozialstaat in den Kollaps treiben und immer mehr Menschen anlocken. Die aktuellen Umstände sind eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland, die durch weitere Lockerungen bei der Zuwanderung oder dem Staatsangehörigkeitsrechts zu größten Problemen führen dürften. Deshalb braucht es eine deutliche Reduzierung von Migration auf ein integrationsverträgliches Maß so wie in Kanada.
Wenn wir eine Situation wie in Kanada hätten, würde auch ich für andere Prämissen beim Staatsangehörigkeitsrecht plädieren. Was wir aber tatsächlich ändern müssten, wäre die Beschleunigung der Verfahren für Fachkräfte. Es kann nicht sein, dass die Anerkennungs- und Genehmigungsverfahren bei uns bis zu zwei Jahre dauern, während man in Kanada nach zwei Wochen Klarheit hat und alles online nachverfolgen kann.
Mit besten Grüßen
Thorsten Frei