Erweiterung von Artikel 3 GG um Diskriminierungsverbot wegen sexueller Identität: Wieso stemmen Sie sich dagegen, wenn andere Formen der Diskriminierung in Artikel 3 doch auch explizit benannt sind?
Sehr geehrter Herr Frei,
ich habe heute beim Spiegel gelesen, dass Sie sich gegen eine Erweiterung von Artikel 3 GG mit der Begründung stemmen, dass diese nicht notwendig sei, weil sexuelle Identitäten bereits durch die EMRK, die Charta der Grundrechte der EU und das AGG ausreichend geschützt seien. In diesem Zusammenhang stellt sich mir, ihrer Begründung folgend, die Frage: Wieso steht dann der Schutz vor Benachteiligung wegen Behinderungen, Geschlecht, Glauben, etc. (weiterhin) im GG, denn diese sind ja auch durch die von ihnen angeführten internationalen Institutionen/ Gesetze geschützt? Ihre Argumentation wirkt auf mich aktuell unschlüssig. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie/ die Unionsfraktion den Schutz sexueller Identität auf dieselbe Verfassungsebene heben wie den Schutz vor anderen Formen der Diskriminierung auch (der Grundrechtekatalog im GG ist eben etwas anderes als ein einfaches Gesetz wie das AGG) und der Bundesratsinitiative ihres Berliner Bürgermeisters folgen.
MfG
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihren Meinungsbeitrag. Eine große Anzahl von Verfassungsrechtlern teilt meine Sichtweise, dass Artikel 3 GG i.V.m. den von Ihnen angesprochenen nationalen und internationalen Normen schon heute vor jeder Form von Diskriminierung schützt. Das hat nichts mit Unschlüssigkeit zu tun. Um tatsächliche Alltagsprobleme, die ich nicht in Abrede stelle, in den Griff zu bekommen, braucht es gesetzliche Regelungen oder die Stärkung von Polizei und Justiz. Eine weitere Verfassungsänderung aber dürfte keine konkreten Verbesserungen mit sich bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Frei