Frage an Thorsten Frei von Martin F. bezüglich Gesundheit
Guten Tag Herr Frei,
Antibiotika verlieren zunehmend ihre Wirkung, resistente Keime breiten sich aus. Ein neues, wirksames und ungiftiges Antibiotikum zu finden und auf den Markt zu bringen, ist aufwändig und teuer. Viele Unternehmen scheuen diese Investitionen, denn die Gewinnmöglichkeiten sind sehr gering (im Vergleich zu MItteln gegen Krebs oder Diabetes). Antibiotika werden - wenn es gut läuft - nur wenige Tage lang eingenommen, dann ist der Patient geheilt. Außerdem sollten neue Mittel möglichst zurückhaltend oder gar nicht eingesetzt werden und zunächst nur als Reserve dienen, solange die bisherigen Antibiotika noch wirken. Unternehmen haben nur einen geringen Anreiz, neue Antibiotika zu entwickeln. Infolgedessen haben fast alle großen Pharmakonzerne haben die Entwicklung neuer Antibiotika gestoppt. Der unfehlbare Markt versagt – aber nicht in den Augen der Bundesregierung und der CDU. Beide scheinen nur wenig Handlungsbedarf zu erkennen. Arme verschränken, der Markt wird's schon richten - das ist Ihr Plan. Wie kann das sein?
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung: Laut der Paul-Ehrlich-Gesellschaft haben deutsche Bauern im Jahr 2012 ihren Tieren mehr als 1600 Tonnen Antibiotika gegeben, Menschen dagegen verbrauchten im gleichen Zeitraum nur 700 Tonnen. In der Massentierhaltung werden auch zwei von fünf Reserveantibiotika massenhaft eingesetzt. Bei Puten und Hühnern werden zu über 40 Prozent Reserveantibiotika eingesetzt, dabei werden Reserveantibiotika in der Humanmedizin benötigt, wenn andere Antibiotika bei Infektionen nicht mehr wirken. Wie kann es sein, dass diese in der Tierzucht verwendet werden?
Das Interesse der Großzüchter an ihrem profitablen, aber gesellschaftlich schädlichen Geschäftsmodell wiegt also schwerer als das Interesse der Allgemeinheit an wirksamen Antibiotika. Ist das in Ihren Augen Ausgewogenheit?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Sehr geehrter Herr Fischer,
vielen Dank für Ihre Mail zum Antibiotikaeinsatz. Auch wenn im Moment die Covid19-Pandemie das alles beherrschende Thema ist, dürfen wir das Problem zunehmender Antibiotika-Resistenzen nicht aus den Augen verlieren. An dieser Stelle bin ich uneingeschränkt bei Ihnen. Antibiotikaresistenzen sind eine zunehmende Bedrohung für die globale Gesundheit. Sie bergen das Potenzial, weitreichende negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit sowie auf das Wachstum und die globale wirtschaftliche Stabilität zu haben. Deshalb werden wir uns wie im Koalitionsvertrag vereinbart, weiterhin für eine Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs und der Verhinderung von Antibiotikaresistenzen einsetzen und dies zusätzlich durch Forschungsförderung unterstützen. Die bisherige Antibiotikaresistenzstrategie DART 2020 bildet dafür den Ausgangspunkt.
Erfreulicherweise hat sich die Lage vor allem im Bereich der Tierhaltung ein Stück weit verbessert, seit dem im Jahr 2011 in Deutschland die Abgabemengen für Antibiotika an Tierärztinnen und Tierärzte von den pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern auf der Basis des Arzneimittelgesetzes (AMG) und der DIMDI Arzneimittelverordnung (DIMDIAMV) gemeldet werden müssen. Wir konnten zum Glück einen deutlichen Rückgang der Abgabemengen von Antibiotika an Tierärztinnen und Tierärzte verzeichnen und damit verbunden den Rückgang der Kennzahlen der Therapiehäufigkeit, die nach dem Arzneimittelgesetz erfasst werden müssen. Auch bei den Resistenzraten gegen verschiedene Antibiotika deutet sich in vielen Bereichen eine rückläufige Tendenz an. Das sind wirklich gute Entwicklungen im Bereich der Tierhaltung.
Dennoch ist klar, dass multiresistente Keime und Bakterien ein großes Problem für die Menschheit sind. Gerade Viren und Bakterien machen in einer globalen Welt keinen Halt vor Grenzen und sind hoch mobil. Auch dies erleben wir im Moment der Pandemie sehr deutlich. Klar ist in diesem Zusammenhang auch, dass Resistenzen kein nationales Problem sind. Aus diesem Grund hat Deutschland das Thema Antibiotikaresistenzen während seiner G7- und G20-Präsidentschaft hoch auf die internationale Agenda gesetzt und wird sein Engagement hierzu weiter fortsetzen. Die Eindämmung der Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen kann nur sektorübergreifend wie im Rahmen der Tripartite Initiative von WHO, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) sowie der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) erfolgen. Eine gute, weltweit geeignete Orientierung für das gemeinsame Handeln gibt der Globale Aktionsplan der WHO zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Darin enthalten sind Elemente wie der Aufbau von Surveillance-Systemen, die Stärkung der Infektionsprävention und des sachgerechten Antibiotikaeinsatzes, die Förderung der Kompetenzen des medizinischen Personals sowie die Unterstützung von Forschung und Entwicklung. Die Bundesregierung unterstützt mit Nachdruck die Umsetzung des Globalen Aktionsplans zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen der WHO basierend auf dem „One Health“-Ansatz. Die Bundesregierung unterstützt durch multi- und bilaterale Ansätze wie beispielsweise dem „Global Health Protection Programme“ (GHPP) andere Länder bei der Entwicklung und Umsetzung von nationalen Aktionsplänen und dem Auf- bzw. Ausbau von Surveillancesystemen, um die Überwachungskapazitäten für Antibiotikaresistenzen auf- bzw. auszubauen. Die Bundesregierung ist ein zentraler Unterstützer der WHO im Bereich AMR. Sie hat u. a. die von der WHO erstellte „Priority Pathogens List“ für besonders bedrohliche bakterielle Erreger gefördert, die heute Orientierung für die Arbeit vieler Forschender ist.
Als wichtige Grundlage für die Forschungspolitik im Bereich Antibiotika hat die Bundesregierung die Erstellung der WHO-Berichte über Antibiotika in der Entwicklung (sogenannte „Pipeline Reports“) unterstützt. Zur Belebung von Forschung und Entwicklung fördert sie bestehende globale Produktentwicklungspartnerschaften wie die „Global Antibiotic Research and Development Partnership“ (GARDP), den „Global Antimicrobial Resistance Research and Development Hub“ (Global AMR R&D Hub), die Gemeinsame Programminitiative zu Antibiotikaresistenzen (JPIAMR), die Partnerschaft zur Beschleunigung der Bekämpfung von antibiotikaresistenten Bakterien durch biopharmazeutische Produkte (CARB-X), die Initiative Innovative Arzneimittel (IMI) sowie die Tuberkuloseallianz für neue Arzneimittel (TB Alliance) gegen Tuberkulose. Die Bundesregierung wird Forschung und Entwicklung im Bereich Antibiotika über diese und andere Initiativen auch zukünftig fördern.
Erst kürzlich hat das Bundeskabinett auf nationaler Ebene die Globale Gesundheitsstrategie beschlossen. Darin wird auch noch einmal bekräftigt, dass sich Deutschland gezielt an internationalen Programmen zur Erforschung antimikrobieller Resistenzen und zur Entwicklung wirksamer neuer Antibiotika beteiligt. Die Bunderegierung fördert die Umsetzung neuer multisektoraler Präventionsansätze, stärkt weltweit entsprechende Expertise und Strukturen und unterstützt Multi-Akteurs-Partnerschaften zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen. Partnerländern wird multilaterale und bilaterale Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung nationaler Aktionspläne angeboten, insbesondere in den Bereichen Hygiene, Diagnostik, Regulierung und Surveillance sowie dem sachgerechten Antibiotikaeinsatz.
Deutschland wird sich weiter dafür einsetzen, dass globale Gesundheit eine Priorität der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer ist. Im Rahmen der Gruppen der Industrie- und Schwellenländer (G-Formate) setzt Deutschland Schwerpunkte auf die Verpflichtungen zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheitsversorgung und Stärkung von Gesundheitssystemen, einschließlich der Stärkung von Prävention, des Ausbaus digitaler Technologien, der Verbesserung des Schutzes von Gesundheit und der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen unter Berücksichtigung des „One Health“-Ansatzes. Darüber hinaus wirbt die Bundesregierung in diesen Formaten für gemeinsame Initiativen zur Stärkung der WHO. Auch in diesen Formaten wird die Bundesregierung ihre bisher praktizierte intensive Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft fortführen.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Frei